laut.de-Kritik
Lustig und bunt, statt hart und cool.
Review von Josephine Maria BayerJa ist denn heut' schon Weihnachten? Obwohl das Wetter mit Temperaturen in Richtung 30 Grad und mehr das Gegenteil beweist, geht mir "Last Christmas" nicht mehr aus dem Kopf. Schuld dran ist das neue Best Of-Album von Wham!. "The Singles: Echoes From The Edge Of Heaven” entführt zurück in die Glanzzeit des ikonischen Duos, das das Lebensgefühl der 80er Jahre exemplarisch einfing und verkörperte.
George Michael und Andrew Ridgeley ließen all ihre jugendliche Energie, Herzschmerz und Abenteuerlust in schillernde Tanznummern einfließen. Gemeinsam mit den Background-Sängerinnen Pepsi und Shirlie wirbelten sie die Pop-Welt damals gehörig auf. 40 Jahre ist es her, dass sie ihr Debüt "Fantastic" veröffentlichten. Passend zum Jubiläum präsentiert Netflix auch eine Doku namens "Wham!", die den Werdegang der britischen Teen-Idole nacherzählt.
Dabei kommen beide Musiker zu Wort. Der O-Ton des 2016 ausgerechnet an Weihnachten verstorbenen George Michaels stammt aus früheren Interviews. Andrew, der seine Autobiographie "Wham! George & Me" vor vier Jahren veröffentlichte, sprach seine Kommentare im Studio ein: Mehrfach bringt er seine Bewunderung und Liebe für George zum Ausdruck.
Eine Wertschätzung, die auf Gegenseitigkeit beruhte: 1986 gingen die Musiker im Guten auseinander. Nach fünf Jahren Wham! war Michael bereit, als Solo-Act durchzustarten, schon eine Weile hatte er mit den Hufen gescharrt. "Ohne dich wäre ich heute nicht, wo ich bin", soll er Andrew beim großen Abschiedskonzert im Londoner Wembley-Stadion gesagt haben.
Der Weg zum Superstar begann etwas holprig. Die Single "Wham Rap! (Enjoy What You Do?)" (1982) scheiterte zunächst in den Charts. Erst nach dem bahnbrechenden "Top Of The Pops"-Auftritt mit dem energetischen Song "Young Guns (Go For It!)" (ebenfalls 1982) bekam der "Wham Rap" die Anerkennung, die er verdiente. Das Duo verstand es, Rap-Angelehntes mit funkigen Dance-Sounds zu vereinen. Eine Mischung, die damals ankam und Wham! immer wieder in die internationalen Charts führte.
Schnell stellte sich heraus, dass die Hitmaschine "Wham!" besser funktionierte, wenn die beiden Musiker nach dem Prinzip 'Teile und herrsche' agierten. War Andrew anfangs noch am Songwriting beteiligt, übernahm George ab dem zweiten Album "Make It Big" das Ruder als alleiniger Texter und Komponist. Andrew setzte sich stattdessen den Hut für Style und Outfits der Band auf. Mit ihren Shorts, T-Shirts und Sneakern sahen die beiden jedoch eher wie die netten Jungs von nebenan aus, als wie die 'Bad Boys', die sie sein wollten - beziehungsweise auf Anweisung ihres Labels sein sollten.
Dabei verkörperten Wham! doch eher das Image von quirligen Partymäuse als von harten Mackern. Ein Song wie das lockere "Club Tropicana" dient als schönes Beispiel für Wham!s Gute-Laune-Stimmung. Auch "Wake Me Up Before You Go-Go" klingt eher lustig als cool. "Edge Of Heaven" ähnelt dem Hit mit beschwingtem Groove.
Der ausdrucksstarke Rhythmus ist eine der wichtigsten Zutaten jedes Wham!-Songs. Der Rest nimmt eher eine untergeordnete Rolle ein. Dennoch geben die Texte an einigen Stellen Aufschluss über die Entwicklungen, die sich innerhalb der Band vollzogen. Mit fortschreitender Karriere spielte beispielsweise Michaels unterdrückte Sexualität zunehmend eine Rolle. In "Freedom" singt er, dass er ein Gefangener sei, der den Schlüssel zu seiner Zelle bereits besitze: "Like a prisoner who has his own key" Die Freiheit schien so nah und doch so fern. Zu groß war die Angst vor gesellschaftlicher Ächtung und dem Verlust seiner aufblühenden Karriere. Erst 1998 entschied sich Michael dazu, sein Coming-Out öffentlich zu machen.
Was das Privatleben anbelangt, war George oft unsicher und zurückhaltend. Auf der Bühne und im Tonstudio wuchs sein Selbstbewusstsein jedoch beachtlich. Nach mehreren Nummer eins-Hits in Großbritannien und den Staaten war sich Michael sicher, dass auch "Last Christmas" ganz vorne landen würde. Doch der Plan wurde von Band Aids "Do They Know It's Christmas", bei dem Michael selbst mitwirkte, vereitelt. "Last Christmas" wurde trotzdem zum Klassiker. Im Vereinigten Königreich und Deutschland erreichte der Song 2021 den ersten Platz. Entweder liebt man den diesen Weihnachts-Hit oder man hasst ihn (mit Leidenschaft).
Doch eines lässt sich kaum leugnen: Wham! bleiben im Ohr. Von manchen belächelt und zuweilen unterschätzt, zählen sie heute zu den Größen des Achtziger-Pops. Das funktionierte letztendlich auch ohne erzwungene Bad-Boy-Attitüde. Genauso wie sie waren, ein wenig albern und bunt, hinterließen sie ihre Spur in der Pop-Geschichte.
4 Kommentare mit 3 Antworten
Das Wham! das "Lebensgefühl der 80er Jahre exemplarisch einfing und verkörperte" möchte ich nicht nur bezweifeln sondern entschieden zurückweisen. Das war ein Aspekt (und überhaupt nicht der schlechteste), aber soooooo übel war's dann auch nicht. Eigentlich war Wham! ganz gut gehasst. Aber Schwamm drüber: Paar Sachen waren ganz gut!
Man muss sich auch fragen, woher die Autorin das "Lebensgefühl der 80er" überhaupt kennen will. Ich glaube, selbst Lebende in den 80ern kennen das "Lebesgefühl der 80er" nicht.
Ich glaube, das bedeutet für viele Leute einfach schreckliche Klamotten zu tragen, Musik mit Synthesizern zu hören und dazu Kokain zu konsumieren.
Sounds like 2020 to me...
Ich habe mich in den 80ern wie "neugeboren" gefühlt!
Dieser Kommentar wurde vor einem Jahr durch den Autor entfernt.
Abseits der bekannten Hits muss man schon ziemlich schmerzresistent sein, um dem Ganzen etwas abgewinnen zu können. Habe es sogar mal versucht.