laut.de-Kritik

Post-Metal lost in space.

Review von

Wheel erreichen bereits zu einem frühen Zeitpunkt ihres Wirkens eine bemerkenswerte Souveränität. Schon auf dem Debüt "Moving Backwards" klingt die englisch-finnische Muckergemeinschaft sehr eigenständig. Die Referenzen an Tool, Fates Warning, Sci-Fi-Soundscapes und Alternative Rock-Vibes springen den Hörer bei der zweiten Veröffentlichung "Resident Human" förmlich an.

Der Unterschied liegt in der konzeptuellen Herangehensweise. Warf Sänger und Gitarrist James Lascelles auf dem Erstling einen düsteren Blick auf die Gegenwart, schweift sei Blick nun in eine dystopische Zukunft. Dan Simmons Sci-Fi-Schinken "Die Hyperion-Gesänge" bilden dafür den Nährboden, Songtitel wie "Fugue", "Old Earth" und selbstredend "Hyperion" spielen auf die Vorlage an. Den latenten Schwenk in die Vergangenheit bildet das Gedicht "Hyperion" von John Keats, das wiederum Einfluss auf Simmons Roman hatte.

Insbesondere auf den Longtracks "Dissipating", "Hyperion" und dem Titelsong entfacht die Gruppe eine immense Sogwirkung. Die Noten reichen von tiefem Basknurren bis zu schrillen Schreien. Mal drückt einen die Schwerkraft förmlich zu Boden. Mal zieht es einen in die tiefe, unwirtliche Kälte des Weltalls. Die ausufernden Passagen folgen einem nichtlinearen Handlungsaufbau, der von gezügelten melodischen Ankern kurz unterbrochen wird.

Perkussive, bassgetriebene Fieberfantasien inmitten schroffer Riff-Massive treiben die musikalisch feingeschliffenen Themen voran. Sanfte Kadenzen türmen sich zu Sound-Monolithen, schön und schaurig zugleich. Metrisch zerklüftete und dissonante Parts schneiden abrupt ins harmonische Sonnenlicht, Dunkelheit fällt ein. Dagegen wirken die kurzen Songs, insbesondere die beiden Wuchtbrocken "Ascend" und "Movement", wie Visitenkarten, um dem interessierten Neuling einen leichten Einstieg zu ermöglichen.

Wheel sind definitiv keine Musiker der schieren Unterhaltung. Sie legen den Fingern stattdessen in die Wunden unserer Zeit, sie prangern an, dass unsere Spezies so sorglos dabei ist, den Planeten Erde zu vernichten. Der Spin: Schon mit dem zugrunde liegenden Konzept ist dies geschehen.

"Old Earth" ist ein leiser Abgang, der sich aus der Melodie des Titeltracks herausschält, bis postsymphonische Stille den Hörer erneut einlullt. "Resident Human" stellt die beste Sci-Fi meets Schwermetall-Platte seit dem Post-Metal-Monolithen "Mariner" von Cult Of Luna dar.

Trackliste

  1. 1. Dissipating
  2. 2. Movement
  3. 3. Ascend
  4. 4. Hyperion
  5. 5. Fugue
  6. 6. Resident Human
  7. 7. Old Earth

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2 Kommentare mit 4 Antworten

  • Vor 3 Jahren

    Hm, schielt mit Dissipating und Resident Human schon arg Richtung letzte Tool - nur Schade, wenn der Sänger selbst einem 50-jährigen MJK lediglich in seinen schwächeren Momenten das Soda reichen könnte. Movement und Ascend sind schön dynamisch, aber die Vocals sind auch da ziemlich egal. Hyperion verliert sich in müdem Geriffe, bevor mensch am Ende nochmal kurz wachgerüttelt wird.

    Chevelle haben neulich btw. auch eine Platte mit sci-fi theme abgliefert. Instrumentell weniger versiert, aber dafür hin und wieder sehr catchy. Könnte mensch doch nur beides haben...

    • Vor 3 Jahren

      "Könnte mensch doch nur beides haben..."

      Jetzt bin ich schon so low, dass ich meinen 14 Jahre jüngeren Bruder deinen Kommentar gezeigt hab und ihn fragte, ob ihm daraufhin spontan was einfiele, mit dem ich dich endlich mal wieder ein bissl abgeholt bekomme...

      ...und ohne mich bisher zu erinnern, ob ich's mit dir schon darüber hatte, muss ich dem Drecksack zugestehen, ein cleverer Drecksack zu sein, denn:

      Intronaut? Nicht unbedingt die letztjährige, die für deine Beschreibung etwas zu hektisch, steril und mit zu viel Fokus auf der technischen Ebene auf mich wirkt... Aber wenn nicht längst bekannt, solltest du doch bestimmt irgendwo in dieser "Habitual Levitations" - "The Directions of last things"-Phase paar saftige Filetstücke für dich rausschneiden können? Mehr als einen Pausensnack sollte deren gesamte Diskographie hoffentlich schon für dich abwerfen.

      Der hier wiederum fiel mir beim Tippen spontan ein: Lange Zeit in Ästhetik, Artwork und öfters auch Songwriting für mich zu nah am Provinz-Goth oder allzu monotonem Schredder-Core wie aus Isis' Anfangszeiten waren Amenra so ab Mass IIII/V vermehrt als Freischwimmer unterwegs und insbesondere mit der Mass VI in 2017 haben sie sich musikalisch nochmal deutlich breiter aufstellen können.
      Mein Bild von ihnen verändern konnten da ein okayes Parabol-Cover (Richtig gelesen - Parabola machen sie eben nicht. :) ), v.a. aber der Mass VI-Überhit "Solitary Reign": https://www.youtube.com/watch?v=CD7bxyzFbC4

      Für dich breche ich übrigens mal wieder mit Prinzipien, denn normalerweise befasse ich mich ja nicht mit Kommentaren von user*innen aus der Drive by-Poster-Katergorie. Aber was sonst bleibt mir denn? Du bist jetzt halt eine von denen und bei deinen überschaubaren Anstrengungen bzgl. einer Rückkehr ins Tagesgeschäft wohl auch - Das Universum hält die Luft an! - "zufrieden" damit.

    • Vor 3 Jahren

      Ah, bevor es mir mit dir geht wie mit einem ehemaligen Vorgesetzten meines Jahrgangs, Porcupine Tree/Steven Wilson-Fan, der mich nach dem Anchecken nie wieder so angesehen hat, als halte er mich für ein funktionales Mitglied seiner Sammlung von Vertreter*innen gutbürgerlicher Beliebigkeit... oder für gesund:

      Amenra brauchen Keif-Toleranz. Viel davon. Growl-Toleranz ist bei denen keine Hilfe, denn er keift - er growlt nicht.

    • Vor 3 Jahren

      Intronaut hatte ich bisher nur als Cloudkicker-Coverband auf dem Radar, ha - die Diskographie ist aber tatsächlich recht stattlich. Fand auch das, was ich von der Neuesten bisher gehört habe ziemlich gut, bei DoLT fiel der Clean-Gesang bisschen ab, aber vielleicht, brauchts da mehr als einen Durchgang.

      Amenra hatte ich schonmal angecheckt, Vocals müssen einigermaßen klar gegangen sein. Wenn ich mir Solitary Reign so anhöre, glaube ich aber, fehlt mir bisschen die Geduld bzw. die Ruhe, um mir das mal konzentriert zu geben. Wobei mir zuletzt die Life Metal von Sunn O) ganz gut rein lief...

      Danke auf jeden Fall!

    • Vor 3 Jahren

      Ach und das Video zu Fast Worms ist ja mal nice! :D

  • Vor 3 Jahren

    Chevelle hat vor kurzem wirklich eine gute Platte abgeliefert. Nur leider ist diese, aus welchen Gründen auch immer, von der laut.de Redaktion nicht berücksichtigt bzw nicht rezensiert worden... hätte es aber definitiv verdient!