laut.de-Kritik

Zwei Prog-Meister schmieden orchestralen Atmo-Pop.

Review von

Angesichts der Besetzung hinter White Moth Black Butterfly kann einem schon das Wasser im Mund zusammenlaufen: TesseracT-Sänger David Tompkins und Skyharbor-Mastermind Keshav Dhar stellen den kreativen Kern, Randy Slaugh, der für die Streicher-Arrangements verantwortlich zeichnet, arbeitete bereits mit Devin Townsend und Jordan Turner verzaubert als Fee am Mikro. Diese Kombination ergibt bisweilen auch wirklich magische Momente. Momente sind aber leider zu wenig, um ein ganzes Album zu tragen.

Dass Tompkins und Dhar in diesem Projekt weit entfernt davon sind, ihre technischen Fertigkeiten für komplizierte Strukturen einzusetzen, sollte sich mittlerweile herumgesprochen haben. Auf "Atone" spielen sie entzerrten Pop. Statt Anstrengung propagieren sie das Loslassen. Ob sie dabei melancholisch oder einfach nur träumerisch klingen wollen, wissen sie offenbar selbst nicht so genau, jedenfalls balancieren sie eine knappe Stunde lang ziemlich genau in der Mitte.

In einer Balance befinden sich White Moth Black Butterfly ohnehin kontinuierlich. Das legt nicht nur der Bandname nahe. Im Vortragsstil häufig auf der hellen Seite angesiedelt, halten sie sich textlich gerne im Zwielicht auf. "And you say that there's no other and things will never be the same / And you say don't be shameful of each other, but now it has to be this way", singt Jordan mit kuschelweicher Stimme in "The Serpent", kurz darauf setzt sie Vertrauen ins Licht mit Orientierungslosigkeit gleich.

Gesang ist auf "Atone" das Gestaltungsmittel Nummer eins. Häufig weben White Moth Black Butterfly ein dichtes, mehrstimmiges Netz. In einem Beinahe-a-capella-Part in der Mitte von "The Serpent" schichten sowohl Tompkins als auch Jordan Harmonien aufeinander. Bisweilen grundiert außerdem klassischer Sopran-Gesang ("Symmetry", "Evelyn"). Rhythmischer Männerchor in "Symmetry" weckt zudem Ethno-Eindruck, den die Idiophon-Percussion noch verstärkt.

Slaughs Streicher, die häufig wesentlich zum Bau eines Songs beitragen, verleihen "Atone" Filmmusik-Flair. Es fällt nicht weiter schwer, sich etwa zu "Tempest" weite Landschaftsbilder vorzustellen. Mac Christensens reverb-lastige Drums tun ein Übriges. Zu solchen Elementen gesellen sich Indie-Gitarre ("Rising Sun") und großzügiger Einsatz von Synthesizern. Gerade in "Symmetry" und "The Serpent" verzahnen sich die unterschiedlichen Bestandteile zu faszinierenden Arrangements. Man sollte meinen, das sei genug für ein aufregendes Hörerlebnis.

Trotzdem lässt sich eine gewisse Stagnation nicht leugnen. Insbesondere was die Synthesizer angeht, vertrauen die Komponisten gerne auf das immergleiche Stilmittel: den Arpeggiator als Songgrundlage. Auch, dass White Moth Black Butterfly keine Anstalten machen, ihr bedächtiges Tempo zu variieren, entpuppt sich als Schwäche. Während man anfangs noch bereit ist, die Augen zu schließen und sich den besinnlichen Klängen hinzugeben, stellt sich ob ausbleibender Abwechslung bald Langeweile ein.

Selbst das dynamische Potenzial ihrer Stücke schöpfen die Musiker nur selten aus. Statt eines Spannungsbogens weisen die meisten Tracks eine Linie mit nur geringfügigen Ausschlägen auf. "Tempest" bildet hier die willkommene Ausnahme, "The Serpent" bricht zumindest in Ansätzen auf. Allzu oft wirkt es aber, als würden sich White Moth Black Butterfly schlicht nicht trauen, laut und energisch zu werden.

Die geschaffenen Soundscapes sind durch ihren Mix aus Indie-Pop, Ethno-Melodien und -Rhythmik sowie Post-Rock-Stimmung definitiv kein 0815-Material. So bieten White Moth Black Butterfly zweifellos interessante Musik. Ihr Problem ist, dass sie die spannenden Details unter einer umspannenden Oberfläche verstecken. Bevor man sich "Atone" hingeben kann, muss man erst einmal über diese hinwegsehen.

Trackliste

  1. 1. I Incarnate
  2. 2. Rising Sun
  3. 3. Tempest
  4. 4. An Ocean Away
  5. 5. Symmetry
  6. 6. Il Penitence
  7. 7. The Sage
  8. 8. The Serpent
  9. 9. Atone
  10. 10. Ill Deep Earth
  11. 11. Evelyn

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