laut.de-Kritik
Ein pures, authentisches, unverfälschtes Blues-Album.
Review von Kai Kopp"Willy ist der Prototyp eines Rock'n'Roll-Menschen. Seine Stimme ist rau, trocken, aufregend und dreckig, und in ihr schwingt die sinnliche Anmache, die uns Hörer zittern lässt" urteilt der Musikexpress 1977 über Willy DeVilles Debütalbum "Cabretta". 25 Jahre nach diesen Huldigungen bietet der New Yorker Musiker ebenfalls ein Album an, das all diese Attribute für sich beansprucht. "Live in Berlin" präsentiert sich von der ersten Note als ein pures, authentisches, reines, unverfälschtes Blues-Album.
Insgesamt 20 Songs wurden bei einem Konzert am 21. März 2002 in Berlin mitgeschnitten und auf Platte gebannt. Zusammen mit dem Pianisten Seth Farber und dem Bassisten David Keyes kehrt Willy DeVille mit dieser Triobesetzung zu den Ursprüngen seiner Inspirationen zurück.
Dort findet er Rock'n'Roll-Klassiker wie "Shake, Rattle And Roll" oder Jerry Lee Lewis' "I'm Blue So Blue", immergrüne Gassenhauer wie das tanzmusikgeplagte "Spanish Harlem" und viel viel Blues. Unter den gitarrespielenden Fingern des Sängers gedeihen diese Perlen der Musikgeschichte zu neuer Blüte. Dass er sie nebenbei vor dem Vergessen bewahrt, sei nur am Rande notiert.
20 kurzweilige Bluestitel mit Spieldauern um die vier Minuten wollen eine doppelte CD-Länge nicht rechtfertigen, und so sind als Bonusmaterial acht Nummern des legendären Mink DeVille-Projektes auf die Veröffentlichung gelangt. Die Band, die ihn und seinen Namen berühmt machte, steuert Live-Aufnahmen aus dem schwedischen Stockholm bei, die das Albumrepertoire um nette Schrammelrocktitel ergänzen.
Warum das Album allerdings die Charts entert, wird voraussichtlich eines der ungelösten Rätsel der Konsumentenforschung bleiben. Es handelt sich hier um tadel-, aber auch zeitlosen Rock'n'Roll. Da zeitlos mit reformresistent oder immun gegenüber allen Erneuerungstendenzen übersetzt werden darf, fragt man sich, wie groß die Lobby der organisierten Oldstyle-Fetischisten in Wahrheit ist. Wer um Himmels Willen hört heutzutage diesen Blues, der in ausgewählten Momenten den schmalen Grat zur Tanzmusik überschreitet?
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