laut.de-Kritik
Die Hanauer Jungs besitzen enormes Potenzial.
Review von Dani Fromm"Nur eins möcht' ich: Über die Runden kommen. Die ganze Distanz durchhalten." Der MC, der sich als Boxer sieht - oder umgekehrt: Seit Muhammad Ali, der beides verkörperte, ein gerne bemühtes Bild, dessen sich auch die drei Herren von Wortgewandt bedienen. Ring frei.
Um den übelsten Tiefschlag vorweg zu nehmen: Den Ansprüchen einer Profi-Karriere genügt "Shiny Days" noch nicht. Dafür sind mir die verwendeten Sounds schlicht schon zu oft untergekommen. Bumm-bumm-tschack, bumm-bumm-tschack aus Queens "We Will Rock You" (in "Shiny Days"), der ewige Gewitterregen ("Das Warten Hat Sich Gelohnt") oder die fatale Ähnlichkeit zu Bon Jovis "Runaway" ("Das Ist Rap!") - all das tönt um Welten zu vertraut, um noch großartig für Aha-Effekte zu sorgen.
Dennoch und auch, wenn die Oberknaller fehlen: Zu verachten ist die Arbeit, die größtenteils Loudz an den Reglern leistet, keineswegs. Insbesondere gefallen die wabernden Bässe, die "Tyeah, Tyeah" wie mit dem Gummihammer eingeklopft werden und den doch überschaubar sinnigen Chorus beinahe vergessen machen. Warum ein melodischer, von Streichern gestragener Beat nur für ein Interlude ("Interloudz") Verwendung fand ... Dieses Wissen teilen die Jungs von Wortgewandt bestenfalls mit den Göttern.
Auch die Beiträge aus den Werkstätten der Beatgees darf man ruhig genauer unter die Lupe nehmen. Bemerkenswert hübsch hier: Klimpernde Akustikgitarren begleiten in "Alles Was Ich Hab" KonTakts ein wenig pathetisch und trotzdem sympathisch vorgetragene Geschichten aus dem Leben. "Ich will, wenn ich alt werde, zurück blicken und sehen: Das war ein guter Weg, das ist mein Leben" - gewiss nicht der dümmste Vorsatz.
Als wirklich verwerflich empfinde ich allerdings das unausgewogene Verhältnis zwischen Musik und Vocals. Die drei Rapper tun sich nahezu über die gesamte Albumlänge äußerst schwer damit, sich überhaupt Gehör zu verschaffen. Schon im "Intro" gehen die Stimmen zwischen wummernden Bassschlägen und Streichern schier unter. Nicht viel besser klingt es in "Shiny Days", das abgesehen davon einen durchaus ordentlichen Opener abgegeben hätte. Auf die ebenso gewitzten wie gewieft vorgetragenen Texte zu achten, fällt unter diesen Umständen schwer.
Bei aller Kritik vermute ich bei der Hanauer Crew enormes Potenzial. Der Spaß, den diese Jungs beim Abfeiern des eigenen Teams ("Affekt Rec Stuff" mit zur Abwechslung mal etwas besser ausbalancierter Rap-zu-Musik-Bilanz) oder ihrer Bühnenpräsenz ("Unser Revier") vermitteln, steckt an. Gerne begleite ich Nicksen, KonTakt und Loudz auf dem Weg durch die Dunkelheit, bis "Erste Sonnenstrahlen" das Ende der Nachtschicht markieren.
Ob alkoholtriefendes Partyszenario oder Ausbrüche von Trauer, Wut und Verlustangst: Aufgesetzt oder abgekupfert wirkt bei Wortgewandt nichts. Diese Jungs berichten aus ihrem Leben, stellen Betrachtungen über Gott und die Welt, von Kleinigkeiten bis hin zu großen Themen wie Freundschaft, das Leben und den Tod an. Das mag der eine oder andere als unspektakulär empfinden. Die stetig geforderte Realness hat allerdings immer noch eine Menge mit Ehrlichkeit zu tun - damit hat man hier überhaupt kein Problem.
Mein persönliches Highlight finde ich in "Bock Auf 'Ne Party?" nebst zugehörigem Skit: Herzlichen Dank für den Heiterkeitsanfall. Ein Ronnex, der von angekotzt über völlig genervt bis hin zu kurz vor dem Amoklauf alle Stadien der Gereiztheit durchläuft, veredelt den Track durch seine Präsenz. Dass auch hier die Raps recht verwaschen klingen, sorgt in Folge der Story - die Herren rufen der Reihe nach im Studio an und jagen ihren Text durchs Telefon - ausnahmsweise sogar für das gewisse Etwas.
Wenn gegen Ende in "Knock Out Round One" das Motiv des Boxkampfes wieder aufgegriffen wird, steht der Gegner trotz der Schützenhilfe von UnterWortverdachts Cass ("Du bist nur 'ne Witzfigur wie Ali G und für den Zeitpunkt deines Todes hab' ich Ali B als Alibi") und des eben genannten Ali B zwar noch. Da es aber bei Boxen wie beim Rappen darum geht, Anerkennung zu gewinnen, siegen Wortgewandt nach Punkten. Deshalb: Weitertrainieren für den Titelkampf!
2 Kommentare
Na dann muss ich mir das Teil bald mal anhören. Schöne Review.
Wersdas?