laut.de-Kritik
Der Meister des Jazz wildert in klassischen Gefilden
Review vonWessen privater Musikalienspeicher beim Namen Wynton Marsalis´ automatisch unter der Kategorie "Jazz" aufspringt, dem sei hiermit Gelegenheit gegeben, seinen Horizont zu erweitern, denn nun liegt Marsalis' erstes Streichquartet vor.
Als Amerikaner, der er ist, konfrontiert Marsalis das Publikum mit der Erkenntnis, daß sich dieses Werk den üblichen Parametern entzieht und zunächst souverän besteht als eine Komposition für vier Streicher in sieben Sätzen, die Elemente amerikanischer Alltagsmusik bearbeiten. Denn, so glaubt Marsalis, um die Natur einer Sache zu erfassen ist es oft weniger hilfreich, die Herkunft einer Idee zu recherchieren, denn dieser Idee ihre eigene Identität zuzugestehen. Unter diesem Aspekt sind die Octoroon Balls zu verstehen - der Titel verweist auf die "Quarteronen-Bälle" im New Orleans des vergangenen Jahrhunderts, wo die Herren der feinen kreolischen Gesellschaft Gelegenheit fanden, sich unter den Quarteronen ihre zukünftigen Mätressen zu suchen. Die Wahl der richtigen Geliebten hatte schon damals weitreichende politische und wirtschaftliche Konsequenzen, denn im Schmelztiegel Amerikas gehört das Glück eben dem Vermischten - als Gegenpol zum Reinheitsideal der WASP´s.
Die verschiedenen Musikstile nun, die durch das Orion String Quartet zum Leben erwachen, verlassen scheinbar mühelos eingefahrene Bahnen und gehen nahtlos ineinander über, aus alten Stoffen entsteht ein neuer Stoff, der am Ende mehr ist als die Summe seiner Einzelteile. Geprägt vom Blues umfasst das Streichquartet unter anderem doch Elemente von Country- Dance, eines klassischen Scherzo und des Ragtime- Assoziationen an Dvoràks Symphonie "Aus der Neuen Welt" können dabei kaum ausbleiben.
Den zweiten Teil der CD bilden die Instrumentalteile von "A Fiddler´s Tale Suite", die Marsalis 1998, angelehnt an Strawinskys "A Soldier´s Tale", für Klarinette, Fagott, Trompete, Posaune, Violine, Kontrabass und Schlagwerk sowie einen Erzähler komponierte, und die von Musikern der Chamber Music Society of Lincoln Center ausgeführt werden.
Zu erleben sind die insgesamt 76 Minuten freier Assoziation übrigens in überragender 24- Bit Direct Stream Digital Technologie.
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