laut.de-Kritik
Besser gut geklaut als schlecht erfunden.
Review von Kai ButterweckXandria machen keinen Hehl aus ihrer Verehrung für die Nightwish-Klänge der ersten Stunde. Schon seit Jahren fahren die Bielefelder Symphonic Metal-Fetischisten im Windschatten ihrer finnischen Helden mit und versorgen ihre Anhänger mit bombastischer Theatralik aus mystischen Welten. Auch auf ihrem mittlerweile sechsten Studioalbum drehen Marco Heubaum und Co. wieder alle Regler nach rechts und setzen nahtlos dort an, wo man vor zwei Jahren mit "Neverworld's End" aufgehört hat.
Flirrende Keyboards, metallische Drums und voluminös übereinander gestapelte Gitarrenspuren: Xandria wissen mittlerweile genau, welche Zutaten man braucht, um Freunde pompös arrangierter Metal-meets-Klassik-Kost um den Finger zu wickeln. Doch neben einem perfekt eingespielten Background, bedarf es auch eines nicht minder funktionierenden Mittelpunktes am Mikrofon. Mit der niederländischen Sängerin Dianne Van Giersbergen versucht sich nun schon die vierte Frontfrau; und die steht ihrer Vorgängerin Manuela Kraller was Ausdruck und Technik anbelangt in nichts nach.
Bereits im eröffnenden, fast zehn minütigen Titeltrack brilliert die Sopranistin aus dem Land der Tulpen mit in Hall gebetteter Durchschlagskraft und ausgefeilter Charakteristik. Umgeben von flächendeckenden Chören und dynamischen Arrangements setzt das neue Bandmitglied gleich zu Beginn ein dickes Ausrufezeichen.
Auch im weiteren Verlauf des Albums unterstreicht die Niederländerin ihre Verehrung für Tarja Turunen mit Nachdruck. Vor allem immer dann, wenn sich ihre Kollegen im Hintergrund von ihrer melodischen Seite präsentieren, sticht das markante Organ der Sängerin besonders hervor. So zählen Songs wie die breitbeinige melancholische Hymne "Dreamkeeper", das chorale Headbanger-Drama "Stardust" oder das detailverliebt arrangierte und opulente Spektakel "Betrayer" zu den Höhepunkten eines Albums, das aber auch in vertrackteren Gefilden zu überzeugen weiß ("The Undiscovered Land", "Little Red Relish").
Mit der butterweichen Klavier-Schmonzette "Sweet Atonement" gibts zum Abschluss auch noch ein passendes Betthupferl für zartbesaitete Düsterrock-Seelen obendrauf. Auch wenn die Musikpolizei kreativen Diebstahl reklamiert: Besser gut geklaut als schlecht erfunden.
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