laut.de-Kritik
Mit Azet und Capital Bra zum nächsten Coup?
Review von Lukas RauerDer Träger des berühmt-berüchtigten Mantels wagt sich an eine Fortsetzung. Ähnlich wie einige Rapper vor ihm, wählte er hierfür eines seiner populärsten Werke: "Alles Oder Nix" von 2008, eines der besten Straßenrap-Alben des vergangenen Jahrzehnts. Die Skandale drumherum sorgten dafür, dass das Bild eines authentischen Rappers entstand und Xatar musikalisch seiner Wege ging.
Was darf in der Box des Sequels natürlich nicht fehlen? Richtig, eine gekürzte Version des Erstlings (10 statt 17 Songs). Die indizierten Songs sucht man logischerweise vergebens. Sogar den bisher ausschließlich digital erhältlichen AON-Sampler aus dem Jahr 2010 gibt es dazu. Langjährige Fans können ihre Sammlung ergänzen und/oder vervollständigen. In Erinnerungen zu schwelgen, nützt allerdings keinem. Eine Dekade nach seinem Durchbruch möchte der Alles Oder Nix-CEO schließlich einen weiteren Klassiker schaffen.
Vom Hype jüngerer und neuerer Künstler profitiert auch der Bira. Mit Capital Bra, dem aktuell gehypetesten Rapper des Landes, und Azet von der KMN Gang sind zwei Klick-Garanten auf dem Album. Zweifelsohne ist auch Eno seit seinen Signings bei Xatars Labels (erst Kopfticker Records, jetzt Alles Oder Nix Records) eine feste Größe in der Newschool geworden. 16 Millionen Klicks auf "Mercedes" oder 13 Millionen auf "Penthouse" sprechen für sich. Wem der Stil solcher Künstler zu verbraucht ist, kann sich stattdessen auf Features mit SAMY, Nu und Schwesta Ewa freuen. SSIO fehlt indes ebenso wie Haftbefehl. Die Tracks mit mit SAMY ("Haftschaden", "Ich Will Immer Noch Nicht Weg", "LL Für Mein' Bruder") erinnern nur bedingt an alte gemeinsame Songs. Seine tiefenentspannte Stimme bleibt trotz Autotune angenehm und die von ihm beigetragenen Hooks catchy.
Auf dem Kollaboalbum mit Haftbefehl zeigte Xatar bereits phasenweise, dass seine Raps auch gut zu zeitgemäßeren Beats passen. Infolgedessen ist es keine Überraschung, dass er auf "Alles oder Nix II" in ähnliche Kerben schlägt. Der Nachfolger orientiert sich klanglich also nicht ganz am Erstling. Das Album ist trappiger und moderner, insbesondere auf "Gaddafi", "Zinedine", "Balla" und "Panama Flouz". Den AON-Sound sucht man mitunter vergeblich. Komplett missen muss man ihn dennoch nicht. "AON 2018", "Weiter Weg", "Stiller Feind" und "Status Quo" gehen unter anderem in die alte Richtung. Sie transportieren zwar den bekannten Vibe, sind aber im Grunde keine Kopfnicker, sondern bauen eher auf Atmosphäre.
"Weiter Weg" etwa lädt mit seinem G-Funk-Touch am ehesten zum Kopfnicken ein. Die stilistischen Divergenzen haben den Vorteil, dass alteingessene Fans nicht komplett überrumpelt werden, auch wenn man die moderneren Nummern stärker wahr nimmt. Vielleicht liegt es an ihrer Positionierung. Wenn man "Balla", "Gaddafi", "Zinedine" und "Haftschaden" hintereinander hört, bekommt man das Gefühl, dass das Album ausschließlich in diese Richtung geht. An den Produktionen gibt es im Großen und Ganzen nichts zu bemängeln.
Inhaltlich lässt Xatar überwiegend den Gangster raushängen, der Geld scheffelt, Rückhandschellen verteilt und Neider verstummen lässt. Seine reflektierte Seite findet Einfluss, wenn er sich sehr ehrlich auf "Schwesterherz" bei eben jener entschuldigt und ihr für ihre Unterstützung in schweren Zeiten dankt. "Ich kann immer auf dich zählen, dafür danke ich dir / Zeig mir, was du willst, ich bezahl' es dir." Genauso greifbar: Die Hass-Liebeserklärung an seine Heimatstadt Bonn ("Ich Will Immer Noch Nicht Weg"), wo Xatar unter anderem den Tod eines Mitschülers, Drogendelikte oder sein Heimweh zum Thema macht.
Schablonenhaft gerät Xatars Versuch auf "Zinedine" Hacken zu schlagen. Die Hommage an den Fußballer wirkt im ersten Moment befremdlich, geraten derartige Tracks oft nicht besonders innovativ. Die Hook klingt dementsprechend: "Dribbel' wie Zinédine / Dribbel' die Zizis wie Zinédine." Joar, das hat man mit dem Namen vielleicht noch nicht gehört, bleibt letztendlich aber austauschbar. Wenig überraschend, dass Capital gerade auf diesem Track vertreten ist (vgl. "Neymar").
Capi bezieht sich sogar darauf: "Wer will mich testen? Ich stech' sofort in die Leber und dribbel mich durch so wie Neymar." Sein Part kommt, auch für seine Verhältnisse, mit enorm viel Autotune. Diesen nutzt er jedoch sinnvoll. Passend zum Beatdrop stoppt der Effekt und er wechselt zu seiner normalen Stimme und geht mit Power in den "richtigen" Part über. Technisch ist das ohne Frage stark.
Der gelungenste Track ist "Status Quo", auf dem Xatar seinen Werdegang aufarbeitet. Lines wie "Ich zog Ewa aus dem roten Licht / Sagte, ich sorg' dafür, dass du auch mit 200 noch die Kurve kriegst" sind verdammt gut. Was dem Album aber fehlt, sind starke Leadtracks wie "Iz Da" oder "Original". "Alles oder Nix II" ist fraglos ein solides Album geworden, ein würdiger Nachfolger jedoch nur bedingt. Ähnlich wie Schwesta Ewa mit "Aywa" bricht Xatar mit dem für selbstverständlich gehaltenen AON-Kopfnicker-Sound. Hierdurch klingt das Album für Xatar-Verhältnisse erfrischend, bietet allgemein jedoch nichts Neues. AON ist im wahrsten Sinne des Wortes im Jahr 2018 angelangt.
11 Kommentare mit 11 Antworten
1/5 izda
Kooooorekt.
Album hörbar bleibt aber nicht lange in Erinnerung. 3/5 in Ordnung
Macht mal lieber die Orgi Review, anstatt diesem Halunken aus Tannenbusch 3 Punkte zu geben.
Brüser Berg
Stimmt, SSIO kam/kommt aus Tannenbusch, wenn ich mich recht entsinne. Aber beides Stadtteile in denen man nicht aussteigen möchte.
orgi album für mich bisher highlight in 2018. kein vergleich zu diesem machwerk...
Zeigt das jemand keine Ahnung hat. Brüser Berg ist eigentlich recht ruhig und in Tannenbusch kann man auch durch laufen ohne dass man Angst haben muss.
Zeigt eigentlich nur, dass wir scheinbar verschiedene Auffassungen von Gegenden haben, in denen man sich gerne aufhält.
Jeder hier weiß, wie gefährlich der Brüser Berg ist...vor Allem für Inliner-Fahrer, yo!
Wer den Brüser Berg fûr harmlos hält, kann nur ein Ghetto-Tourist sein. Ich war schon auf der ganzen Welt - der Besuch beim Cardes jedoch gehörte mit zu meinen furchteinflößendsten.
beide Orte harmlos gegenüber Köln Chorweiler zb
Stimmt, nichtmal die 18 traut sich da noch hin.
Xatar. 2018 kein Thema, schon 2016 nicht mehr. Auf BaB konnte er noch wunderbar glänzen. Auch die Gastbeiträge um 2015 waren 1A. Zenit überschritten.
Es ist anscheinend jetzt die neue Mode hier Xatar zu haten. Naja, hab da wohl was verpasst
Verpasst wie auch seine Musik die letzten 3 Jahre zu hören. BaB war ja retrospectiv durchaus okay, wenn auch ohne bleibende Knaller
Vieles an Xatar ist auch das ehemalige Mysterium des Inhaftierten Paten, dessen Musik vorher nur Eingeweihte kannten. Je mehr er in der Folgezeit von sich preisgab, desto mehr wurde das ganze scheinbar entzaubert. Siehe Arafat
"eintzauberung" sehe ich ähnlich...er hat halt im banger beef ne erbärmliche figur abgegeben. auch seine merkwürdige signing-politik lassen zeifel an seiner kompetenz aufkommen...dieses album ist halt ein anbiederung an den zeitgeist. auto-tune hier, capital feature da...kann man hören, ist okay. richtige begeisterung kommt aber nicht auf. ich verweise wieder auf den track in "ngkmr"...so hätte ich ihn mir auf albumlänge gewünscht
Eh, bleibe dabei dass Xatar ein guter Songwriter mit einer fantastisch detaillierten Wortwahl ist, aber das Ding ist halt nur irgendwie okay. Ausser Schwesterherz sticht hier absolut nichts hervor, und ausser einem durchgängig anhörbaren Hörerlebnis macht das jetzt nix, was mir BAB nicht noch besser geben könnte. Is okay.