laut.de-Kritik
Melancholie und Wahnsinn.
Review von Vicky ButscherBereits für seinen letzten gedankenverlorenen Longplayer holte sich Yann Tiersen mit Lisa Germano eine weibliche Stimme zur Verstärkung. Scheint er zu Beginn des aktuellen Albums diesen Faden wieder aufzunehmen, so zeigt sich bald, dass Shannon Wright ein weit eigenwilligeres Kaliber ist. Die Stücke driften vom Träumerischen ins Kantige und Eigenwillige - Wright erinnert stimmlich ein wenig an PJ Harvey (so bei "While You Sleep", aber auch "Callous Sun").
Ihr Temperament wirkt sich auch auf Instrumente und Komposition aus. Besonders die Streicher bewegen sich nervös und getrieben nahe am Dissonanten. Auch die restlichen Instrumente klingen teils weit härter, energischer, direkter und selbstbewusster als man es von Tiersen gewohnt ist.
"Dragon Fly" mit seinem französisch-melancholischen Akkordeon, wie Tiersen es schon im Amélie-Soundtrack einsetzte, bildet den ersten Höhepunkt des Albums. Auch die ruhigen, klassisch mit Klavier (berührend: "Way To Make You See") und zurückhaltend-harmonischen Streichern ("Ode To A Friend") besetzten Stücke sind wohlige Perlen. So fühlt es sich an, wenn man sich traurig in den Arm des Liebsten legt.
Die Platte bietet an einigen Stellen nicht das, was man von Tiersen erwartet. Da klingt es zu hektisch und undurchschaubar, zu wenig weich und ruhig. "Sound The Bells" beispielsweise geht mit verkopften Attacken auf den Hörer los, schaltet unvermittelt einen Gang runter, um dann wieder in einem wohltemperierten Durcheinander loszustürmen. Die Stücke, die ein wenig mehr Zurückhaltung von Sängerin und Arrangements spüren lassen, bergen hingegen wieder ein Gefühl in sich, in das sich der Hörer gerne fallen lässt: Weiche, warme Melancholie.
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