laut.de-Kritik

Zwischen Chaos, Kunst und Kirchenchor.

Review von

"Irgendwie roh, irgendwie chaotisch, irgendwie verträumt", so beschreibt Karen O. Ihr neuestes Werk. Ein bisschen Recht hat sie schon: So ganz in eine Schublade stecken lässt sich das Album der drei New Yorker jedenfalls nicht.

Als Inspiration für das schrille Cover-Artwork diente die kalifornische Künstlergruppe Neurotic Outsiders. Ein pinkfarbenes Cartoon-Baby in den Klauen einer überdimensional großen lila Mücke weckt auf den ersten Blick den Verdacht, die Band drifte nun komplett in Richtung Elektro-Pop ab.

Fehlanzeige! Auch wenn hier schon zum zweiten Mal Dave Sitek von TV On The Radio seine Produzentenfinger im Spiel hatte, entpuppt sich die "Mosquito" als weitaus weniger elektronisch und tanzbar, als es der ebenfalls von ihm produzierte Vorgänger It's Blitz! vermuten ließe.

Die Yeah Yeah Yeahs begeben sich auf ihrem vierten Longplayer wieder einen Schritt zurück zu ihren Anfängen, die punkige Elemente sowie raue Gitarrenriffs prägten.

Das hört man zwar beim Opener "Sacrilege" noch nicht so sehr, es kommt aber im Verlauf des Albums immer mehr zum Vorschein. Dennoch begeistert "Sacrilege" mit einen Gospel-Chor, der im Einklang mit Karen O.s klarer Stimme ein rhythmisches Klangbild abgibt.

Nicht nur "Sacrilege" hinterlässt Spuren im Gehörgang, sondern vor allem "Slave", ein mitreißender Ohrwurm, der sich mit der Zeit immer mehr in eine temporeiche Rocknummer mit eingängiger Bass-Hookline verwandelt.

"Subway", Karen zufolge in New York geschrieben, schlägt hingegen wieder ruhigere Töne an. Dabei unterlegt das Geräusch eben dieses öffentlichen Verkehrsmittels den Gesang der Frontfrau – zumindest klingt es so.

Auch die Ballade "Wedding Song" kommt ohne einen großartigen Höhepunkt auskommt. Die anfänglichen Pianoklänge verstummen zunehmend, bis nur noch Karens hauchende Zeilen den Song tragen.

Zum Glück bleiben die ruhigeren Stücke auf "Mosquito" rar gesät. Der gleichnamige Song interpretiert das Album-Cover, wenn Karen mit schriller Stimme wiederholt singt: "I'll suck your blood", und sich dabei im Hintergrund derbe Gitarren mit treibenden Percussions vereinen. Die Sängerin als dominante Moskito – das passt ja.

"These Paths" klingt dank filigraner Beats aus der Drum-Machine nach seinem Ursprung: Es wurde in der Wüste von Texas aufgenommen und versetzt den Hörer gefühlsmäßig dorthin zurück.

Ihre Fans an die unmöglichsten Orte zu bringen, darin sah das Trio wohl ein großes Ziel. Nicht umsonst wurde der Longplayer in sechs verschiedenen Studios aufgenommen. Schließlich landet man nach U-Bahn und Wüste auch noch in der Area 52. In Anlehnung an Gitarrist Nick Zinners Besuch bei der fast gleichnamigen Militärbasis in Nevada (Area 51) wartet der Song mit Garage-rockigen E-Gitarren-Intro auf. Schließlich meint man sogar, im Hintergrund Sirenen zu erkennen. Auch das typische Yeah Yeah Yeahs-Merkmal, Karens durch ein Mikrofon verzerrte und dumpf hallende Stimme, kommt hier wieder zum Vorschein.

Einen Gastkünstler hat sich die Band ebenfalls ins Studio geholt. Der amerikanische Rapper Kool Keith, respektive sein Alter Ego Dr. Octagon, liefert den Rap-Part zu "Buried Alive". Verantwortlich dafür zeichnet Ex-LCD Soundsystem-Kopf James Murphy.

Außerdem unternehmen die Yeah Yeah Yeahs auf "Mosquito" einen Abstecher in Reggae-Gefilde. Das sagt zumindest Karen O. Über "Under The Earth", wobei sie von der Reggae-Band Dadawa beeinflusst wurde. Auch wenn der Song relativ wenig nach Reggae klingt, gehört er dennoch zu den eingängigsten auf dem ganzen Album.

Ebenfalls behält Karen O. Recht, wenn sie über "Mosquito" sagt: "Da ist für jeden was dabei!" Natürlich muss man sich grundsätzlich mit Indie-Rock identifizieren können, doch die drei New Yorker tun ihr Bestes, um möglichst viel Variation in die elf Songs zu bringen.

Neben den üblichen ekstatischen stimmlichen Ausbrüchen von Karen O. ist auch wieder großer textlicher Interpretationsspielraum vorhanden. Die Reduktion der Instrumente hauptsächlich auf Keyboard, eine alte Drum-Machine und surrende Gitarren tut der reichen Vielfalt der Platte keinen Abbruch. Die Zeit, die investiert wurde, hört man. Das Warten hat sich gelohnt.

Trackliste

  1. 1. Sacrilege
  2. 2. Subway
  3. 3. Mosquito
  4. 4. Under The Earth
  5. 5. Slave
  6. 6. These Paths
  7. 7. Area 52
  8. 8. Buried Alive (Featuring Dr. Octagon)
  9. 9. Always
  10. 10. Despair
  11. 11. Wedding Song

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