laut.de-Kritik

Über all die Jahre so gleich geblieben wie der Geschmack von Nutella.

Review von

Erinnert ihr euch noch an die britischen Artrocker Yes, die Anfang bis Mitte der 70er Jahre letzten Jahrhunderts von der musikalischen Fachwelt als eine der innovativsten Bands aller Zeiten gefeiert wurden? An Alben wie "Tales From Topographic Oceans", "Relayer", oder an eines der besten Live-Dokumente der Rockgeschichte, "Yessongs" aus dem Jahre 1973?

Nein? Zu jung dazu? Glück gehabt!

Denn diese Unkenntnis ist die einzige Chance, sich dem mittlerweile 31. Album von Yes ohne Erwartungshaltung nähern zu können. Mir fällt es zugegebenermaßen schwer, das neue Werk dieser Band, die einst zu Größen wie Genesis und King Crimson zählte, unvoreingenommen anzuhören, denn die letzte innovative Veröffentlichung der Band liegt nun schon 18 Jahre zurück. 1983 erschien das Album "90125" mit dem legendären und noch vielen Leuten bekannten Song "Owner Of A Lonely Heart", dem wohl größten Single-Erfolg von Yes. Es folgten noch einige Live-Alben, die immer wieder unmissverständlich deutlich machten, dass sie zu den großen Stars der Rockmusik zählen, die Studioaufnahmen jedoch zeichneten sich immer mehr durch zunehmenden Mangel an Innovation und Kreativität aus.

Also höre ich mit gemischten Gefühlen ins neue Album rein: "Magnification", zu deutsch Vergrößerung - das klingt erst mal nach alten gewohnten Konzept, nach der gewissen spirituellen, mittlerweile bibelfesten Haltung des Sängers Jon Anderson. Ein Titel, der gut gewählt ist, denn die Thematik seiner Texte ist über all die Jahre so gleich geblieben, wie der Geschmack von Nutella. Es könnte aber auch eine Andeutung auf die Vergrößerung der Band sein, denn erstmals legen Yes nun ein Album vor, dass auf opulente Keyboardeinlagen wie man sie von Rick Wakeman her kennt gänzlich verzichtet und statt dessen ein komplettes Orchester einsetzt, das sich teils in Filmmusikmanier teils bescheiden im Hintergrund präsentiert. Es gab in den letzten Jahren immer wieder Gruppen wie Metallica oder Portishead, die sich mit orchestralem Sound schmückten. Doch keiner dieser Bands ist es meines Erachtens überzeugend gelungen, zwischen Band und Orchester ein wirklich homogenes Klangbild zu erzeugen.

Gleich im ersten Track wird deutlich, dass Yes diese Hürde mit Bravour genommen haben, sie verstehen einfach ihr Handwerk. Sie sind eben schon über 30 Jahre im Geschäft. Doch wie schon auf den letzten Alben vermisse ich auch bei "Magnification" den einst so großen musikalischen Geist, der die Band so beeindruckend und stark gemacht hat. Das gesamte Album plätschert im Mainstream des Artrock-Genres dahin, so als wäre es den Herren auf ihre alten Tage hin zu mühselig, die Katze noch einmal aus dem Sack zu lassen und flirrende Sounds und Rhythmen zu produzieren, oder den Stücken Zeit zu geben, sich über einen längeren Zeitraum als sechs Minuten zu entwickeln. Von künstlerischem Ehrgeiz also kaum eine Spur, lediglich der Song "In The Presence of" deutet an, dass da irgendwann mal mehr gewesen sein muss. Wer sich "The Gates Of Delirium" auf dem Album "Relayer" von 1974 einmal anhört, der wird verstehen, was ich seit Jahren bei dieser Band schmerzlich vermisse.

"Magnification" vergrößert allenfalls das Archiv ewig treuer Yes Fans.

Trackliste

  1. 1. Magnification
  2. 2. Spirit Of Survival
  3. 3. Dont't Go
  4. 4. Give Love Each Day
  5. 5. Can You Imagine
  6. 6. We Agree
  7. 7. Soft As A Dove
  8. 8. Dreamtime
  9. 9. In The Presence Of
  10. 10. Time Is Time

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