laut.de-Kritik
Intergalaktische Reinkarnation aus Vater, Sohn und Heiligem Geist.
Review von Anastasia HartleibYugen Blakrok ist keine Rapperin. Sie ist Königin, Anführerin, Göttin, Cyber-Soldat und Stimme der Unterwelt. Ihre lyrischen Pfeile haben bereits ihr Ziel erreicht, bevor ihr Gegner sie auch nur gesichtet hat.
Den Eindruck zumindest hinterlässt "Anima Mysterium". Fünf Jahre nach "Return Of The Astro-Groth" landet Blakrok ihren Zweitling auf unserer Welt und scheint bereit zu sein, die hiesigen Untoten endlich zum Leben zu erwecken. Wieder mit dabei: Kanif The Jhatmaster, ihr Haus- und Hofproduzent. Gemeinsam wirken die beiden wie eine mit Narben und Metallorganen versehene Inkarnation aus Vater, Sohn und Heiligem Geist, die definitiv nicht aus diesem Universum stammen.
Kanifs Beats durchziehen unzählige Ebenen. Definitiv im Boombap angesiedelt, findet sich in seinen Produktionen eine bizarre Mischung aus leidendem Blues, bedrohlichen Gitarren, driftenden Synthetik-Sphären und wirren Dialog-Schnipseln. Sie schaffen eine sehr einsame Atmosphäre, die in ihrer Einsamkeit allerdings gleichzeitig etwas Warmes und Tröstendes, gar Einladendes hat. Kanif scheint getrieben von Tüftelei und der Perfektion, einen Sound so lange zu entstellen, bis er sich wie ein Zahnrädchen im Uhrwerk in seine musikalische Vision einfügt.
Und Yugen weiß diese Vision zu nutzen. Sie trägt ihre tiefe, leicht rauchige Stimme über die Beats, die manchmal ob der großen Worte und Bedeutungen ihrer Texte schwer und behäbig klingt. Man sollte sich jedoch nicht der Täuschung hingeben: Mit messerscharfen Klingen ist sie jederzeit bereit für einen blitzschnellen Angriff. Oder in einer ultravioletten Staubwolke zu verschwinden.
"360 spiral the neck like a vulture godess / milky way patterns in the energy I harness / In my mindset, I'm high as the sky gets, multiple sunsets / capturing thoughts with a butterfly net." Bereits im Opener "Gorgon Madonna" zeigt Yugen ihre unnachahmliche Lyrik. Tiefe Spiritualität vermischt sich hier mit Mythen afrikanischer Sagen und Religionen und der Exotik einer fernen Galaxie. In einer "Obsidian Night" sieht sie nicht nur "time in three aspects", sondern lässt auch noch die Battle-MC raus: "My rap-style rhymes circles around the god."
Yugens Texte haben weniger mit dem klassischen 16er gemein, als mit vielschichtigen lyrischen Epen, die selbst nach dem dritten Mal hören noch nicht ihre ganze Magie entfaltet haben. "Diana with a bow, the protectress of all thieves / steal beating hearts from chests, leave static on the screen / I live in frequences where strange school of sorcery meet." Gewaltige Bilder wie dieses in "Picture Box" treffen auf klassischere Battle-Ansagen wie in "Morbid Abakus": "I'm silent-bomb-type, exit like Houdini / you couldn't see me with a microchip and a tracker in each knee.".
Hin und wieder finden sich auch Verweise auf die kaputte Realität, der sich selbst eine göttlich-magische Kriegerin nicht entziehen kann, so wie in "Mars Attacks": "The bipedal steps into the future, entranced by the burglar, dancing on the killing fields / babies blast bazookas." Sogar Selbstzweifel schimmern durch die stählerne Rüstung: "At times, it seems that I'm chained to all the trouble that I struggle with / My shadows huddle in the mist / 'cause the blueprint of life has hidden meanings and deep within them applied contradictions - angels interbreed with demons."
Gerade wegen den unzähligen Verweisen in die surrealen Welten führt "Anima Mysterium" auch manchmal in die Verwirrung. Die Beschreibungen erscheinen zu gewaltig, um sie mit einem Hören erfassen zu können. Auch fehlt Yugens Zweitling hin und wieder die Leichtigkeit von "Return Of The Astro-Goth". Zum Glück steht hier oft Kanif zur Seite, fängt die angeschlagenen Hörer auf und wiegt sie in einen sanften Schlaf, der sie immer tiefer in die Unterwelt begleitet.
Zum Schluss liefert Yugen in "Land Of Gray" noch ein letztes, perfektes Bild, das ihre Lyrik, ihre Spiritualität und ihre Perspektive wie kein anderes zusammenfasst. Und beweist, dass sie diese unsere Welt wie keine Zweite versteht. "So I wear this cloak of raven feathers, holding a sceptre / As letters from the ether fall like rain on arid deserts / Welcome to the land of gray, where troubles never cease / And Man's awakening is accompanied by grief."
3 Kommentare mit 6 Antworten
Fantastisches Album. Geht als Trip-Hop durch. Erinnert mich ein bisschen an den alten Tricky.
Dufte. Mag ich.
Hab ich mir wegen dem Kommentar unter der Little Simz Review gegeben. Gefällt mir ausgezeichnet, erinnert mich von der Stimmung stark an Company Flow.
schon wieder richtig.
Deine Wahl war weise! Dann hör aber auch gleich in die "Return Of The Astro-Goth" rein. Gefällt mir fast noch besser.
Ich hab einen run heute!
@Alex: Wird erledigt!
User des Tages
♥