laut.de-Kritik

Yvonne ist jetzt eigenständig und verwendet Scratches.

Review von

Mit einem ordentlichen Scratcher beginnt das erste Instrumental von "Aura". Was soll das denn? Sicher, heute darf jeder jeden Sound in seine Programmierung einbauen, das ist mehr als legitim. Aber bitte, hören wir hier die Platte straßengestählter Hip Hopper oder etwa einer harten Crossover-Band? Lächerlich (auch wenn Mousse T. hinter den Reglern saß)!

Ähnlich lächerlich erscheint der Versuch, Catterfelds viertes Studioalbum als Debüt darzustellen. Endlich sei sie eine "absolut vollständige Person". Was heißen soll: Yvonne ist jetzt an fast allen Songs kreativ beteiligt. Was war sie dann bisher? Doch nur ein willenloses Püppchen? Oder schämt sich plötzlich jemand für das sinnlose Geschwafel in den Promo-Sheets zu den drei Vorgänger-Alben?

Dazu gibt es keinen Grund, denn natürlich bleibt alles beim Alten: Poppig moderner R'n'B, mal tanzbar, mal als klassische Ballade angelegt. Den Sound dominieren leise Hip Hop-Beats, weiche Bässe, Streicher, dezentes Gitarrenspiel - und wo es nötig ist, Percussion, Bläser und dergleichen. Was soll man sagen? Yvonne steht einfach drauf und tausende Mädels träumen von ihrer Karriere: Nummer eins-Hits, Auftritte in öffentlich-rechtlichen TV-Abendshows, von VIVA ganz zu schweigen.

Zumal der Background der immer besser aussehenden Sängerin mittlerweile bekannt sein dürfte. Nein, sie ist kein RTL-Produkt, sondern eine ausgebildete und preisgekrönte Sängerin. Textlich geht es besonders um die Tatsache, dass Liebe einfach passiert und nicht zu kalkulieren ist ("Liebe Muss Reichen"). Man muss sich halt fallen lassen können, sonst wird das nix.

Andererseits geht es einem ohne Partner besser ("Erinner Mich, Dich Zu Vergessen"). Ja, es schlagen zwei Seelen in ihrer Brust. Den Tiefpunkt bildet der schmalzverzerrte 6/8-Takt-Bombast "Neben Dir", in dem Yvonne jeden Ozean mit ihrem Lover durchschwimmt. Ein musikalisches Weltmeer liegt zwischen dieser Nummer und dem melancholischen "Ain't No Sunshine". Bill Withers' Stück besticht durch die schnörkellose Komposition ohne Effekt-Hascherei. Das fällt sogar bei der Cover-Version auf, die Yvonne auf deutsch intoniert.

Viel unpeinlicher als "Neben Dir" oder "Du Lässt Dich gehen" (Zitat: "Du wirst bequem / man kann's schon sehen") gelingt "Sonnenschein" (eine Kollabo mit Laith Al-Deen und Götz von Sydow), ein geradlinig schönes Stück. "Kenn Ich Dich" gibt sich elektronisch und "Alles Was Du Dir Erträumst" (mit Max Herre und Joy Denalane) soulig tradionsbewusst. International will das abschließend Latin-angehauchte "Where Does The Love Go" mit US-Crooner Eric Benét klingen.

Yvonne hat sich also endlich emanzipiert, hat sich weiter entwickelt, sich selbst gefunden, ist gereift, erwachsen geworden - was weiß ich. Fragt ihren Freund oder die zehn Blindgänger vor ihm, die sie in "Ich Will Nur Dich" besingt. Hmm, ich sollte mich beizeiten vielleicht bewerben, ihr das fünfte Promo-Sheet zu verfassen.

Trackliste

  1. 1. Die Zeit Ist Reif
  2. 2. Ich Will Nur Dich
  3. 3. Liebe Muss Reichen
  4. 4. Erinner' Mich Dich Zu Vergessen
  5. 5. Hier Bin Ich
  6. 6. Neben Dir
  7. 7. Mein Tag Mein Licht
  8. 8. Sonnenschein
  9. 9. Ich Lauf Einfach Los
  10. 10. Diebe Der Liebe
  11. 11. Kenn Ich Dich
  12. 12. Du Lässt Dich Gehen
  13. 13. Schicksal
  14. 14. Alles Was Du Dir Erträumst
  15. 15. Where Does The Love Go?

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