laut.de-Kritik
Ein Schrei ins Schwarze.
Review von Mirco LeierEs ist kein Geheimnis, dass Black Metal selten politisch wird. Wenn doch, dann dann wandelt das Subgenre meist auf den Fährten Vargs und seinen antisemitischen und rassistischen Volkslehren. Bei vielen mag das unter der Flagge der Provokation geschehen, bei anderen mit wesentlich mehr Nachdruck und realen Folgen. So oder so ist es wenig verwunderlich, das sich die Szene weitgehend aus dem dieses Jahr wieder entfachen Rassismus-Diskurs raushält. Ein Aufschrei, wie er etwa im Hip Hop stattfand, blieb aus.
Doch nicht jeder kann sorgenfrei in seinem Elfenbeinturm verweilen, während Schwarze von der Polizei ermordet werden und die Straßen in Flammen stehen. Manuel Gagneux, Mastermind hinter dem Projekt Zeal & Ardor, ist zwar kein Amerikaner, aber schon alleine aufgrund seiner Hautfarbe teilt er den Schmerz und die Wut, die für große Teile der Bevölkerung in Übersee zum Alltag gehören. "Wake Of A Nation" ist das Produkt dieser Ohnmacht. Ein Projekt, das in einer gerechten Welt nicht existieren sollte, das aber in der Welt, in der wir Leben, traurigerweise kaum relevanter sein könnte.
Nicht nur, weil es in seinem Genre einem Aufschrei sondergleichen gleichkommt, es hält auch die Wut und Trauer am Leben, die fünf Monate nach George Floyds Ermordung für viele nur noch ferne Erinnerungen sind. Gagneux selbst sagt: "This record is for Michael Brown, Eric Garner, George Floyd and the countless untold and nameless killed. Stay viglant, stay loud!". Und genau das tut "Wake Of A Nation".
Die Mahnwache, die die EP eröffnet, erschüttert bis ins Mark. Statt schrillem Geschrei und rituellen Chören schlagen Zeal & Ardor mit "Vigil" die ganz leisen Töne an und evoziert Bilder von auf Hälsen knienden Polizisten, von niedergeknüppelten Zivilisten und von Gagneux der alleine mit einer Kerze in der Hand protestiert: "I can't breathe, it's a cellphone. Please don't shoot, I need to get home. I'm on my knees begging please." Bevor er seinen Marsch beenden kann, erlöschen seine Tränen das Kerzenlicht. "We won't take this quietly", singt er aufopfernd. Ein Versprechen, das "Tusgekee" kurze Zeit später zumindest musikalisch einhält.
Nach einem wenig elegischen Gitarrengezupfe zerschneiden die Schreie des Schweizer Sängers das Klangbild. "Tuskegee" ist der traditionellste Ausflug in die Gefilde des Black Metal, den "Wake Of A Nation" zu bieten hat, liefert gleichzeitig dennoch reichlich Melancholie und Grund zur Entrüstung. Angefangen beim scheußlichen Hintergrund des Titels - eine Studie, bei der Afroamerikanern, die sich mit Syphilis infizierten, als kostenlose Medikamente getarnte Placebos verabreicht wurden, um zu testen, was für Folgen die Krankheiten hat, wenn man sie nicht behandelt - bis hin zu den mit apokalyptischem Nachdruck gesungen Zeilen: "Run, father, they're killing you to help themselves/ Fly, mother, before long they'll want you as well": Gagneuxs Zorn und Verzweiflung machen nicht nur wundervolle Musik, sie sind auch enorm ansteckend, und das ist auch gut so.
"At The Seams", das Herzstück der EP, rückt vieles in eine noch trostlosere Perspektive. Die virtuose Kombination aus Black Metal, Piano-Ballade und Gospel erzählt von der generationenübergreifenden Machtlosigkeit, mit der sich Schwarze tagein tagaus konfrontiert sehen. Es ist eine Art Resignation, denn wie singt der Basler so schön: "We've seen this all before". Angesichts dessen, lässt er am Ende eine Sintflut an Emotionen freien Lauf. Er klagt in seiner Muttersprache an: "Er hat dir gesagt, dass er keine Luft bekommt, Acht Minuten lang" und schreit sich den Schmerz aus der Seele. Gänsehaut.
Diese Resignation schlägt, nachdem uns das Sludge-Monster "Trust No One" zumindest inhaltlich eine kurze Verschnaufpause gewährt, im Closer in eine Aufbruchstimmung um. Das klingt, als würde Trent Reznor Gospelchöre dirigieren. "We brought you up, we'll bring you down" singt Gagneux verheißungsvoll, während sich im Hintergrund klatschende Hände mit dröhnende Gitarren abwechseln. Es tönt wie ein moderner Worksong, der kurz vor der amerikanischen Präsidentschaftswahl einen blutroten Himmel über dem weißen Haus heraufbeschwört. "Dies Irae", den Zorn Gottes, nennen es Zeal & Ardor,
David Griffith feierte 1915 die Geburt einer fundamental rassistischen Nation und beschwor nichts als Gewalt herauf. 2020 trägt Manuel Gagneux sie zu Grabe und spuckt auf ihren Sarg. Der Kreis schließt sich, geändert hat sich nichts. Musik, die einem Schrei ins Schwarze gleichkommt: Voller Trauer, voller Wut, voller Resignation "The king is dead": Die Hoffnung stirbt zuletzt.
1 Kommentar
jetzt darf schon der 365femalemcs wigger über black metal schreiben na eddy? wie ist es von jemandem ersetzt zu werden, der noch dümmer und genrefremder ist als man selbst?