laut.de-Kritik

Rammstein und Roxette tanzen um die Wette.

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Die Heavy Metal-Branche ist längst keine geschlossene Gesellschaft mehr. Schickte man Mitte der Achtziger noch jedem ansatzweise Genre-fremden Ansatz die Leibgarde Lucifers auf den Hals, empfängt man mittlerweile gar das komplett Gegenteil mit offenen Armen. Hip Hop, Elektro, Jazz oder Klassik: Alles ist erlaubt. Ein Hoch auf den Siegeszug des Crossovers.

Auch das schwedisch-dänische Sextett Amaranthe steht auf das Mischen der Extreme. Dabei führen die Skandinavier klassische Power Metal-Roots und poppig aufbereitete Eurodance-Einschübe ganz oben auf der Liste. Was für einige nach einem verstörenden Wacken-goes-Ibiza-Scherz klingt, sorgt bei anderen seit sechs Jahren für Begeisterung.

Zwei Alben und unzählige Shows weltweit, unter anderem als Support von Hammerfall und Stratovarius, stehen auf der Habenseite der Band mit dem dreigefächerten Lead-Gesang. "Massive Addictive" ist bereits das vierte Studioalbum innerhalb von drei Jahren.

Die Band hatte im Vorfeld angekündigt, dem bisherigen musikalischen Kurs weiterhin folgen zu wollen. Sprich: Harte Gitarren-Riffs im Verbund mit treibenden Power-Drums treffen auf zackige Synthie-Akzente und drei völlig unterschiedliche Stimmen. Soweit so gut. Es wäre noch der kleine Nachtrag von Gitarrist Olof Mörck zu erwähnen, der da lautete: "Das Album wird trotzdem für ein paar verwunderte Gesichter sorgen". Stimmt. Wobei die Verwunderung irgendwann nicht in Begeisterung sondern eher in Entsetzen umschlägt.

Denn Amaranthe gehen anno 2014 einen großen Schritt weiter - allerdings in die bekannte Richtung. Neues sucht man auf "Massive Addictive" vergebens, vielmehr drehen die Nordlichter verstärkt an altbewährten Zeigern. Und das bisweilen dermaßen exzessiv, dass man des Öfteren die Hände vors Gesicht schlägt.

Bereits beim Opener "Dynamite" prügeln sich halsbrecherische Rammstein-Riffs und quiekende Beyoncé-Erinnerungen im Verbund mit hibbeligen Synthie-Querschlägern gegenseitig windelweich. Zu abgehackt und zu gegensätzlich präsentieren sich die Arrangement-Bauklötze, die so lieblos übereinander gestapelt nur eines können: umfallen.

Mit Songs wie "Drop Dead Cynical", "Trinity" oder "Unreal" legen die Verantwortlichen gar noch ein paar Schippen nach. Marilyn Manson, Him, Five Finger Death Punch, Rammstein: Kaum ein Song kommt ohne Anleihen aus. Es ist nicht die Tatsache, dass sich die Band ohne mit der Wimper zu zucken bei einer Vielzahl von Kollegen bedient, sondern die Art und Weise wie sie damit umgeht.

Man nehme nur den Album-Vorboten "Drop Dead Cynical", der im Grunde das komplette Dilemma in drei Minuten zusammenfasst: Ehe der mit Eurodance-Synthies geschwängerte "Beautiful People"-Einstieg so richtig Fahrt aufnimmt, dreht Sängerin Elize Ryd alle Regler nach links und präsentiert sich im effektverschleierten Britney Spears-Modus. Nach nicht mal zehn Sekunden wird der Staffelstab an vorderster Front weitergereicht: Statt Britney gibts jetzt Gutturales à la FFDP auf die Ohren, gefolgt von einem opulent inszenierten Refrain, den man ohne Gitarren auch problemlos durch die Boxen jeder Großraumdisko jagen könnte. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, lässt der dritte Barde im Bunde zuweilen Roxette aufleben. Nach drei Minuten ist der Ofen aus. Übrig bleibt ein musikalischer Aschehaufen, den man so schnell wie möglich entsorgen möchte.

Ähnlich präsentiert sich der Rest des Albums. Mal poppiger ("Massive Addictive"), mal elektronischer ("Digital World"), mal mit angezogener Handbremse ("True"). So bleibt am Ende ein durchgehend Ohrwurm-befreites Bombast-Spektakel ohne Rückgrat, das demnächst sicher die eine oder andere Enttäuschung-des-Jahres-Liste anführen dürfte.

Trackliste

  1. 1. Dynamite
  2. 2. Drop Dead Cynical
  3. 3. Trinity
  4. 4. Massive Addictive
  5. 5. Digital World
  6. 6. True
  7. 7. Unreal
  8. 8. Over And Done
  9. 9. Danger Zone
  10. 10. Skyline
  11. 11. An Ordinary Abnormality
  12. 12. Exhale

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3 Kommentare

  • Vor 9 Jahren

    Wat jetzt, 2 Alben und unzählige Shows weltweit...massive addictive ist bereits das vierte Studioalbum innerhalb 3 Jahren...wikipedia zählt 3 Alben,ist das nun das vierte oder dritte Album? Zugegeben, eine Band,die Pop und Metal mixt, hat in Rezensionen immer mit einem Verriss zu rechnen, Dead by April ergeht es da nicht besser.... es ist ein nettes Album für zwischendurch, klar,wer das Xte Occult Retro Hard Rock Album abfeiert oder hardline nur zu NWOBHM Sounds im Takt seine Unterhosen anzieht,ist mit so einem Album falsch beraten! Was ist so schlimm an Crossover, ansonsten dürfte ein Metaller nur Black Sabbath hören, alles andere wäre Verwässerung der originären Substanz! Juckt mich aber wenig, jeder hat dazu seine Meinung,zwischen der neuen Obituary und der Deserted Fear macht dieses Album echt Laune. Nette Mucke mit ein wenig bumms,wobei ich das Debüt erfrischender fand,aber nach Nexus besser zugänglich,lieber so was, als elendig Radiomucke hören... Wie müsste gemäß der Laut.de Redaktion ein Pop/Metal Album denn klingen,damit es 5 Sterne bekommt? Die zweite Aufgabe: rezensiert doch mal das Debüt von Babymetal, aber da kapituliert Ihr eher,ganz einfach,es ist überragend!! Ist doch alles nur Musik und subjektiv im Empfinden des Hörers!

  • Vor 9 Jahren

    Für mich ebenfalls ein gutes Album!
    Hat leider durch die hohe Anzahl an popigen Tracks eine relativ geringe Halbwertszeit, aber neben den aktuell dauerrotierenden Maschine Head und Treshold Platte, sowie der Porcupine Tree BluRay eine wahrlich willkommene Abwechslung.

  • Vor 9 Jahren

    Man könnte jetzt natürlich Lobesarien auf die Vielfalt des Metals anstimmen und einfach sagen, Metal kann man mit allem kreuzen, es kommt immer etwas Hörbares dabei heraus. Auf der anderen Seite: alles zu ficken, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, kann auch in solch netten Inzestgestalten wie im Film "Wrong Turn" enden. Und Amaranthes Mucke HAT definitiv irgendwo mal die falsche Abzweigung genommen.