laut.de-Kritik
Mit Discoschorle hinein ins schwierige zweite Album.
Review von Michael Schuh"Hallo, wer braucht hier eigentlich so lange?" wäre wohl die treffendere Frage beim Thema Anajo gewesen. Zumindest aus Fansicht. Drei lange Jahre sind seit dem Debüt der drei sympathischen Augsburger Indie-Youngsters vergangen, und so sehr ich dem Folgewerk auch entgegen fieberte, so bange war mir doch bei dem Gedanken, ob ihre eigentümliche Mischung aus liebreizendem Jungen-Charme und unverschämt eingängigem Gute-Laune-Pop wohl so einfach fortzusetzen ist.
Zumal nach diesem ganzen Theater hinter den Kulissen: Endlostourneen bis ins Hinterland der Ukraine, daraus resultierende Erschöpfungserscheinungen bei allen Beteiligten, Perfektionismus im Aufnahmestudio, geschobene Albumdeadlines und ein Hörsturz bei Drummer Ingolf. Da kann man schonmal durchdrehen als zuständiger Label-Ansprechpartner, aber da Anajo auch weiterhin brav bei Dirk Darmstädters Tapete Records veröffentlichen, wurden ihnen alle Mätzchen verziehen und der finalen Albumabgabe ebenso innig entgegen gefiebert wie es unsereiner tat.
Nun liegt es vor uns und schon nach vorsichtigem Abtasten der neuen Songs wird klar: Anajo sind unkopierbar. Das liegt natürlich in erster Linie an Sänger Olli Gottwald, dessen immer im richtigen Moment auftretendes, emphatisches Kieksen im deutschen Popgeschäft nach wie vor unerreicht ist, aber eben auch im gewohnt souveränen Umgang mit umwerfenden Hooklines. Jetzt bin ich mir durchaus darüber im Klaren, dass diejenigen von euch, die Anajo bei Stefan Raabs "Bundesvision Song Contest" zum ersten Mal gesehen haben, meine gerade geäußerten Ausführungen zumindest leise anzweifeln. Zu Recht, denn die dort präsentierte Single-Halbballade "Wenn Du Nur Wüsstest" liefert zwar einen starken Refrain (mit Klee-Sängerin Suzie Kerstgens), weist aber bedenklichen Schunkelcharakter auf und scheut sich auch nicht, die im Anajo-Kontext bekannte Nähe zum Kitsch ein Stück weiter auszuloten.
Ansonsten gibts praktisch nichts zu bemängeln. Die frischen Hit-Feger "Hallo Wer Kennt Hier Eigentlich Wen?" und "Mein Lieber Herr Gesangsverein" greifen thematisch das Verhältnis zwischen Künstler und Plattenfirma auf, dass bei Anajo offenbar ein leichtes, sonst aber gerne auch ein vertracktes ist. Wobei ich auch feststellen muss, dass gerade das Album-Highlight "Franzi +2" im Vergleich zur Demoversion aufgrund von massivem Handclaps-Einsatz und dieser Synthie-Fanfare im Refrain fast schon betont massentauglich klingt.
Aber jetzt mal Schluss mit dem neunmalklugen Besserwisser-Geschwätz, ich find mich ja schon selber scheiße. Nein, Anajo meistern die Hürde zweites Album bravourös, wissen ihren Melodien auch nach drei Jahren hartem Tour- und Studioalltag noch Energiestöße mitzugeben und lassen uns teilhaben an Geschichten über Hotelpagen, schöne Männer in Amsterdam oder die Vor- und Nachteile eines Konzert-Gästelistenplatzes. Auch an Single-Kandidaten herrscht wie gewohnt ein Überangebot, neben den erwähnten Highlights gehört hier sicher auch das wie für die Bühne geschriebene "Gleis 7, 16 Uhr 10" hinzu.
"Ich wette, das geht steil / da gibts kein Wenn und Aber und kein Nein". Nee, gibts nich, Anajo nehmen mir die Worte aus dem Mund, während ich immer noch debil vor mich hin grinse, dass endlich einmal eine Band dem schönen Wort "Discoschorle" zu Songtextehren verholfen hat. Wenns recht ist, bleibe ich trotzdem beim Weizen, da weiß ich, wann der Rausch kommt. Bei Anajo kanns einen mitunter schneller erwischen.
18 Kommentare, davon 5 auf Unterseiten
Spätestens seit Stefan Raabs Bundesvision Song Contest 2007, dürfte die Band „Anajo“ dem deutschen Volk nicht gänzlich unbekannt sein. Sie machen Gitarrenpop den ich als grenzwertig bezeichne - Frontsänger Oliver Gottwald trifft nicht alle Töne und trällert dabei seine Texte mit femininer Attitüde in die Welt hinaus. Entweder liebt man diese Band also, oder eben nicht. Ihr Vorgängeralbum „Nah bei mir“ war mein persönlicher Einstieg in diese bunt, poppige Musikwelt von Anajo. Dann mal sehen ob ihr neues Werk mit dieser Reise fortsetzt.
Beschämenderweise erfuhr ich erst durch TV Total vom neuen Projekt „Hallo, wer kennt hier eigentlich wen?“ und ihrer Teilnahme bei Raabs Musikantenstadel. Gemeinsam mit Klee-Frontsängerin Suzie Kerstgens traten sie dort mit „Wenn du nur wüsstest“ für das Bundesland Bayern auf. Ein radiokompatibler, klarer und durchdachter Song über eine heimliche Schwärmerei setzt dort an, wo Anajo vor drei Jahren aufgehört haben. Noch einmal: Entweder gefällt einem der Stil, oder eben nicht. Während die einen aufgrund des Kitsches und der Wortbetonungen das Weite suchen, beginnen andere Menschen die Dauerrotation des Lieds zu aktivieren. Ich gehöre zu Letzteren.
Anajo machen positive, frische und peppige Musik bei der es meistens um Sehnsüchte, Liebe und Veränderungen geht. Diese Inhalte sind eingebettet in eingängige Melodien, Gitarrenzupferei und Schlagzeugklängen. Manchmal frech und witzig wie bei „Streuner“ und „Hotelboy“, mal melancholisch wie „Am Anfang“ oder mal total verrückt wie „Stadt der Frisuren“. Anajo schaffen es ihren Stil weiterhin auszubauen. Beim Hören singt ein guter Freund zu mir, jemand den ich schon seit Jahren kenne und dem ich gerne beim Reden lausche. Dieser eigene Stil entführt mich in eine unbeschwerte, lockere, farbenfrohe und positive Welt voller Leichtigkeit. Warum das so ist? Keine Ahnung, ich weiß schließlich auch nicht Alles.
Ich hüte mich davor diese CD in Einzelstücke zu zerlegen. Lieder wie „Spätsommersonne“ und „Gleis 7, 16 Uhr 10“ will ich mir am liebsten den ganzen Tag anhören… Ach was rede ich: Da gibt’s noch fünf andere Lieder von denen ich nicht genug bekommen kann. Vom Anfang bis zum Ende ist keinerlei Langeweile ersichtlich. Alle Titel gehen ohne an Ehrlichkeit zu verlieren, in den Gehörgang der Fans und die Repeat-Taste wird wohl noch einige Male herhalten müssen. Bevor ich es vergesse… Anajo haben meinen Namen sogar in einem Titel verewigt: „Franzi plus 2“ ist Nummer Acht auf „Hallo, wer kennt hier eigentlich wen?“ und wohl auch einer der partytauglichsten Liedern auf dem Album.
Eine bessere Jahreszeit für den Release dieses Werkes hätte man denke ich auch nicht wählen können: Der Frühling klopf bereits an die Haustür und mit diesen 13 Titeln bringt man sich bereits in passende Stimmung. Keine Euphorie, kein Gebrüll sondern einfach nur grinsend beim Autofahren am Lenkrad zum Takt klopfen. Jaaa, das ist Anajo. Diese Band wird leider niemals kommerziellen Erfolg, wie beispielsweise „Juli“, erlangen – Einfach weil Olivers Stimme bei vielen Menschen Brechreiz auslöst. Vielleicht auch gut so, denn auf diese Art und Weise bleiben die drei Augsburger eine Band die man nicht mit seinem Nachbarn teilen muss. Verstanden? „Hallo, wer kennt hier eigentlich wen?“ ist für mich das beste Album dieses jungen Jahres und ich freue mich schon jetzt auf Weitere. Bleibt so wie ihr seid Jungs: Ehrlich, Natürlich, Positiv und Verrückt. Verdammt - Wenn Freak sein, „Anajo Hören“ heißt, dann bin ich es. Jawohl!!
9 / 10
http://franz-dumfart.com/blog/anajo-hallo-…
Gruß Gruß
MESH-i, der sich auf Flames wie früher freut
schön langer beitrag. mir hätte das "9/10" genügt.
auf myspace kann man übrigens das ganze ding durchhören...
Ja kann Dir voll zustimmen. War vorgestern auf einem Konzert der Band. Hat viel Spass gemacht, bis mir auf Grund der echt üblen Räumlichkeit schlecht geworden ist...
Finde aber "Wenn Du nur wüsstest" nach wie vor als den schlechtesten Track auf der Platte...
@Yoless (« Finde aber "Wenn Du nur wüsstest" nach wie vor als den schlechtesten Track auf der Platte... »):
dem kann ich zustimmen. irgendwie sind sie mir da ausnahmsweise zu nah am kitsch, wobei ich das sonst immer sehr spannend finde. naja, review kommt auch demnächst
juhu, und nächsten WE darf ich Anajo auf nem Festival bewundern, das is einfach musik die Spaß macht