laut.de-Kritik

Unfassbar schön, todtraurig und doch angenehm.

Review von

Also ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich könnte mich an den Release-Rhytmus bei Anathema durchaus gewöhnen. 2010 "We're Here Because We're Here", 2011 "Falling Deeper" und nun 2012 "Weather Systems". Und jede Veröffentlichung der Briten ist einfach nur unfassbar schön.

Dass die akustische Gitarre das federführende Instrument im Hause Cavanagh geworden ist, sollte sich mittlerweile rumgesprochen haben, und so setzt auch "Untouchable Part 1" zunächst nur auf akustische Klänge und Vincents Stimme, ehe nach und nach Drums, Lee Douglas Stimme und - siehe da - sogar eine elektrische Gitarre ihren Platz im Songgefüge finden. Was die dynamische Songentwicklung angeht, zeigen sich Anathema auf der Scheibe von ihrer ganz großen Seite.

"Untouchable Part 2" wird von Klaviertönen getragen, die allerdings nicht mehr von Les Smith stammen, sondern von Daniel Cardoso (Head Control System), und bietet Vincent und Lee eine hervorragende Grundlage für ein herzzerreißendes Duett, das man gern auch kitschig finden darf - großartig ist es dennoch. Treibende, akustische Gitarren bilden im anschließenden "The Gathering Of Clouds" die perfekt Untermalung für eine Szene, in der sich jemand auf dem Land vor dem dräuenden Regen in Sicherheit bringen will.

Immer wieder blitzen ein paar Streicher auf, untermalen die Songs meist aber nur, anstatt das melodieführende Heft an sich zu reißen, und gehen stattdessen nahtlos in den "Lightning Song" über. Lee darf sich hier zu einem der ausgiebigeren Streichereinsätze ausleben, ehe zum zweiten Mal verzerrte Gitarren auftauchen, ohne aber das im Titel angedeutet Gewitter niedergehen zu lassen.

Das spürt man durch den dominanten Bass und die dynamische Steigerung eher in "Sunlight" über sich herein brechen. Bislang war alles noch träumerisch schön und natürlich auf seine Art und Weise todtraurig, aber warm und angenehm. Das endet mit dem elektronischen und spürbar kälteren "The Storm Before The Calm". Knappe fünf Minuten zeigen sich Anathema von dieser Seite, eher wieder die Melancholie zurückkehrt und den Song mit über neun Minuten zu Ende bringt.

"The Lost Child" ist eigentlich nur ein Synonym für klanggewordene Melancholie, die zwar zwischenzeitlich den Pulsschlag auf beinahe 80 hochtreibt, doch letztendlich die warme Geborgenheit ausstrahlt, die auch das finale "Internal Landscapes" verbreitet. Ohne Sarkasmus oder Ironie: dieser Song sollte Sterbenden vorgespielt werden, ich bin fest davon überzeugt, dass viele darin Trost finden werden und möglicherweise leichter loslassen können. Enough said.

Trackliste

  1. 1. Untouchable Part 1
  2. 2. Untouchable Part 2
  3. 3. The Gathering Of The Clouds
  4. 4. Lightning Song
  5. 5. Sunlight
  6. 6. The Storm Before The Calm
  7. 7. The Beginning And The End
  8. 8. The Lost Child
  9. 9. Internal Landscapes

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LAUT.DE-PORTRÄT Anathema

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18 Kommentare

  • Vor 12 Jahren

    unpassend bei diesem schönen sommerwetter

  • Vor 12 Jahren

    Ich höre es schon eine ganze Weile. Kommt natürlich niemals an "Alternative 4" vor ran, aber ist für mich ihr bestes seit diesem Meisterwerk. Leider ist es auch etwas zu "schwülstig". Es klingt mir fast schon zu brav nach "Antimatter". Ziemlich eingängig und radiofreundlich das Material, aber dennoch noch interessant genug. Album beginnt stark (Untouchable I+II), schleicht dann bis zu "The Storm Before the Calm" . Ab da gewinnt es wieder Qualität. 4 Punkte. Key Track: das Ulver-Versatzstück "The Storm Before the Calm", dass hätte auf Perdition City auch zu hören sein können.

  • Vor 12 Jahren

    Internal Landscape erinnert mich auch an ein Stück von Crippled Black Phoenix (kommt mir nur gerade nicht welches).

  • Vor 12 Jahren

    Der beste Soundtrack für Nachmittags-Vampire. Gähn. Eine Steigerung nach der anderen, keine Überraschungsmomente mehr, wie beispielsweise bei Alternative 4. Und wie es Anathema immer wieder schaffen, trotz hoch qualifizierter Produzenten so einen Sound-Misch-Masch zu erzeugen, schleierhaft. Kein einziges Instrument ist wirklich klar zu hören. Beste Voraussetzungen für die heutige MP3 Generation...Qualität???...eh wurscht, ich krieg das U-Bahn Geräusch eh nicht weg. Sorry, aber ich bin echt anderes von Anathema gewöhnt. Da ist der Song "Release" vom "A fine day to exit" alleine schon besser, als dieses Album. Schade.

  • Vor 12 Jahren

    Sehr schöne Review, vor allem dem letzte Abschnitt ist klasse !
    Wunderschöne Melodien und Arrangements, große Spannungsbögen und an der Grenze zum leicht Kitschigen aber immer wohl dosiert.
    Für mich ganz weit vorne bei den besten Alben 2012 !

  • Vor 11 Jahren

    Für mich eines der schönsten Alben, die überhaupt je gemacht wurden. Fragil, filigran, hypersphärisch und absolut melancholisch. Atemberaubend. Und die letzten beiden Sätze dieser Review sollten ebenfalls ausgezeichnet werden.