laut.de-Kritik

Vorsicht, zerbrechlich: Enthält fragile Männlichkeit.

Review von

Sebastian Kurz aalt sich zurück ins österreichische Kanzleramt, Andreas Gabalier geht mit seiner "Best Of Volks-Rock'n'Roller" auf die Eins. Die glatten Herren mit den klebrigen Frisuren eilen von Triumph zu Triumph, beziehungsweise, um in der Sprache Gabaliers zu bleiben, von eisernem Gipfelkreuz zu eisernem Gipfelkreuz. Beide sind sie Phänomene ihrer Zeit, bedingen einander nicht kausal, aber konvergieren ganz prächtig. Einer wie Kurz kann in einem Land, dessen größter Popstar ein Typ in Tracht ist, der wie ein Karnickel auf Speed mit einem Akkordeon über die Bühne springt und über "Schnitzel in der Pfann" singt, als wäre es der Weltfrieden, Kanzler werden. Zweimal in zwei Jahren.

Und ein Gabalier profitiert ganz prächtig von einer Klientel, die dem Festplattenschredderer Kurz seine ganze hanebüchene Opferstory im Kontext des Ibiza-Skandals nicht nur abkauft, sondern ihn auch noch dafür belohnt. Wahlergebnisse, Chartplatzierungen lügen nicht: Die wollen offensichtlich verarscht werden. Was auch den großen Erfolg von Gabalier trotz steirischer Sprachbarriere hierzulande erklärt: Musikalisch niedrigschwellig verpacktes Instant-"Volks"-Gefühl hat Konjunktur. Gabalier macht Musik für ein Publikum, hier wie dort, dass sich verfolgt sieht vom Genderwahn und der Überfremdung, sich von der bloßen Existenz von Diskursen über Identität massiv bedroht fühlt und deswegen großen Bedarf danach hat, sich auf die Schnelle eine eigene zusammenzuzimmern. Das funktioniert eben am Besten mit dem ollen Trick von der Vergangenheit, die es so nie gegeben hat.

Der Grafiker hat das im Cover gut auf den Punkt gebracht: Man nehme zu gleichen Teilen Volkstümelei und verfestigte Wahnvorstellungen. Gabalier, halb Mountain Man, halb Jet Pack, erhebt sich in Lederhosen und Messiaspose vor den Massen. Jemandem, der sich so inszeniert, kauft man auch ab, in der Angst zu leben, dass die versifften Grünen aus dem Ersten Bezirk bei ihm dahoam einreiten, den Beweis führen, dass sein plattes Wiener Schnitzel eigentlich eine Kugel ist und ihn hernach verschwulen, den armen Mann.

In den Anfängen der Karriere war die Musik noch betont heimatlich-betulich. Wer als Kind bei den Großeltern im Auto in den Genuss von reichlich Schlagerradio gekommen ist, hat eine Vorstellung davon, was den Klang des frühen Gabaliers ausmacht. Harmlos, zahnlos, das alles sind bodenlose Untertreibungen. "Steirerland" oder "So Liab Hob I Di" klingen so, wie ein Opel Baujahr 1980 von innen riecht. Es stößt sauer auf und ist gleichzeitig betäubend. Man kann sich dazu gut hirnlose Autobahnfahrten vorstellen oder wie man vor einem Alpenpass im Stau steht und einer übergewichtigen Kuh beim Grasen zusieht. Der fesche Andi sitzt vor ihr auf einem Schemel und klimpert ihr etwas auf der Quetschkommode vor, das österreichische Herz, das er, wie er auf einem Konzert verkündete, "in die Welt tragen" möchte, es lacht.

Es ist aber mit Gabalier wie bei allen Österreichern mit penetrantem Sendungsbewusstsein, die unter dem Jubel gerade deutscher Menschenmassen ein gewisses Lebensgefühl in die Welt tragen wollen: Der Stumpfsinn artet rasch aus. "Bergbauernbuam" exerziert die passiv-aggressive Haltung vor, die den Mann zu dem Phänomen gemacht hat, das er ist. Den Lyrics kann man entnehmen, dass es verdammt noch mal geil ist, Butterbrot mit Salz und Pfeffer zu futtern wie ein echter Mann, Schwein und Bier und die feschen Madln, mit denen es auf dem Heuboden zur Sache geht, so läuft das in der Steiermark. Ganz offensichtlich fühlt sich Andreas wohl mit seiner Geschlechtsidentität und muss das jetzt auch nicht überkompensieren oder so. Viel Jodeln, viel E-Gitarre ist die Devise.

Es drängen sich Parallelen zu einer anderen gewissen notorischen Figur der Zeitgeschichte auf. Dazu passt auch, dass er einen Song namens "Pump It Up – The Motivation Song" zusammen mit Arnold Schwarzenegger gemacht hat, der auf dem besten Weg ist, sich seine nostalgischen Neunziger-Sympathien aber sowas von zu verspielen. Und "Go For Gold" ist auch nur ein "Das ist Alpha"-Ruf von Gabalier, dem Adler aus der Steiermark, wie er auf Skiern durch die Lüfte segelt und die Massen zur Skiweltmeisterschaft einpeitscht. Hier wird es dann auch schön konkret, nimm das, Andreas Bourani, so geht Leitkultur: "Du stehst da oben wie ein Kraftsymbol / für ewige Zeiten Nationsidol / Tribünen beben im Sportlerleben / Adler, die durch die Lüfte schweben / Leistung bringen, Schanzenspringen / Fahnen schwingen und alle singen / Triumph des Willens." Den allerletzten Teil habe ich spontan herbeiassoziiert, aber im Ernst, Leni Riefenstahl hätte ihre helle Freude gehabt. Da kann man schon nicht mehr von irgendwelchen Dog Whistles reden, dass ist ein großes hakenkreuzförmiges Alphorn.

"A Meinung Haben" ist in diesem Kontext noch hervorzuheben, nur sind hier nicht die Olympischen Spiele 1936 der ästhetische Bezugspunkt, sondern die Onlinekommentarspalten der Republik. "Is des der Sinn einer Demokratie / dass ana wos sogt und die andern san still?" Fragen, laut gestellt vor einem regelmäßig fünfstelligen Publikum. Das könnte vielleicht schon die Antwort auf seine Frage sein, die sich eigentlich nicht stellt, denn er darf offensichtlich nicht nur Sachen sagen, er kann dafür auch noch Eintritt verlangen. Er kann dabei sogar Lederhosen tragen, die will ihm auch niemand nehmen, die Grünen aus dem Ersten nicht, der Feminismus nicht, das 21. Jahrhundert reicht dir die Flosse in Frieden, Bruder. So etwas wie "Hulapalu" tut bei Lichte betrachtet auch niemandem weh außer der Leber, ist zumindest zu hoffen, nüchtern wäre das nämlich doch wieder sehr übel. Aber die Flosse kann er von einem Bruder nicht annehmen, das wäre ja schwul.

Außerdem zieht es einen Künstler vom Schlage eines Andreas Gabalier eben immer wieder hin zum Grotesken, Stichwort "Zuckerpuppen": Das ist wirklich ganz erstaunlich, wie auf einmal alle deplatzierten Dubstep-Breaks der letzten zehn Jahre wirken wie aus einem Guss, verglichen damit, was in der Mitte dieses Songs passiert. Der Text beschreibt offensichtlich einen Trip, auf dem Andi ein paar mal falsch abgebogen ist, er halluziniert von Frauen auf Rollschuhen im Dirndl oder Petticoat oder beides und beginnt, englisch zu sprechen.

Zusammenfassend lässt sich über diese Werkschau sagen, dass sie sich eines stabilen Absatzes erfreut und das sicherlich auch weiterhin tun wird. So es Gabalier vor lauter Angst, dass ihm auf der Straße eine Lesbe über den Weg läuft, überhaupt noch aus dem Haus schafft, wird er weiter ausverkaufte Touren spielen. Man kann sie auch gut an einen Freund mit Schusswaffe verschenken, von dem man sich immer schon gefragt hat, ob er oder sie in der Lage wäre, die Waffe gegen einen Menschen zu richten, und schauen, was passiert. Wenn man das überlebt hat, könnte man darüber sinnieren, wie ein Land gleichzeitig Bilderbuch und Andreas Gabalier hervorbringen kann und höchstwahrscheinlich keine Antwort finden. Der völkische Rock'n'Roll hallt unterdessen durch von Sebastian Kurz beherrschte Täler und Städte und erinnert die Anti-Gabaliers dieser Welt daran, dass Andreas sie fürchtet. Immerhin.

Trackliste

  1. 1. Verdammt Lang Her
  2. 2. Steirerland
  3. 3. So Liab Hob I Di
  4. 4. I Sing A Liad Für Di
  5. 5. Bergbauernbuam
  6. 6. Dahoam
  7. 7. VolksRock'n'Roller
  8. 8. Sie
  9. 9. Vergiss Die Heimat Nie
  10. 10. Go For Gold
  11. 11. Zuckerpuppen
  12. 12. Kleiner Schmetterling
  13. 13. Verliebt Verliebt
  14. 14. Hulapalu
  15. 15. A Meinung Haben
  16. 16. Vergiss Mein Nicht
  17. 17. Hallihallo
  18. 18. Kaiserjodler
  19. 19. Pump It Up - The Motivation Song
  20. 20. Amoi Seg' Ma Uns Wieder

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