laut.de-Kritik
Erwachsen und geerdet: Sascha Ring findet zur Gelassenheit.
Review von Toni HennigDas letzte Apparat-Werk "Krieg Und Frieden" liegt mittlerweile mehr als sechs Jahre zurück. Danach tat sich Sascha Ring, Kopf hinter dem Projekt, wieder einmal mit Gernot Bronsert und Sebastian Szary von Modeselektor als Moderat zusammen und nahm mit ihnen "III" auf. Das gemeinsame Baby pausiert aber vorerst. Dafür haben Modeselektor schon letzten Monat mit "Who Else" eine solide Platte vorgelegt. Nun kontern Apparat mit "LP5".
Statt fettem Bassgewummer und technoider Euphorie, wie man es von Modeselektor kennt, widmet sich der Wahl-Berliner lieber fragileren Tönen. Dabei kreisen seine versponnenen Electro-Pop-Texturen, zum Teil durch akustische Mittel aufgelockert, um seine brüchige Stimme.
So schmiegen sich kunstvolle Bläser in "Voi_Do" zärtlich an sein verfremdetes Organ an, während der Bass im Hintergrund unterschwellig brodelt und die Elektronik anmutige Pirouetten dreht. Am Ende kommt mit satten Downbeats etwas mehr Eingängigkeit ins Spiel. Ebenso profitieren die restlichen Tracks von Saschas sowohl verspielter als auch melodisch einprägsamer Handschrift als Producer.
Dementsprechend setzt sich "Dawan" mit kreisenden Breakbeats, akzentuierenden Gitarrenklängen und dunklen Synthies durchaus im Ohr fest, zumal sein Gesang sphärisch über allem schwebt. In "Laminar Flow" nimmt er eine deutlich wärmere, souligere Klangfarbe an, während sich tiefe Bässe und verhaltene Akustik behutsam nach vorne schieben, was Nähe und Intimität schafft.
Etwas Beseeltes zieht sich ebenfalls durch "Caronte", das mit stakkatoähnlichen Streichertönen und progressiven Saiteneinschüben zu Beginn etwas zurückhaltend daherkommt, aber zum Schluss unter Hinzunahme treibender Basssounds schon beinahe eine rituelle Atmosphäre heraufbeschwört. Dazu erinnert Rings Stimme an die Brüchigkeit James Blakes.
Trotzdem geizt die Scheibe nicht mit tanzbaren Momenten. Wenn in "Heroist" repetitive Dub-Texturen auf Saschas melancholisches Organ treffen, das hier nur mit wenigen Halleffekten auskommt, hätte das auch Moderat gut zu Gesicht gestanden. Zudem erweist sich "In Gravitas" mit druckvollen Bässen und eingängiger, springender Elektronik als euphorischer Tanzflächenfeger mit nachdenklichem Spoken-Word-Ausklang.
Dennoch strahlt das Album eine Gelassenheit aus, die man bei Apparat in der Form noch nicht vernommen hat. Es klingt größtenteils erwachsen und geerdet. In "Brandenburg" reichen Ring lediglich seine verzerrte Stimme, zaghafte Drums, Akustikgitarren und cineastische Streichereinschübe aus, um ein ganzes Landschaftspanorama zu entfalten. Würde auf jeden Fall eine würdige Hymne für dieses Bundesland abgeben.
In "Outlier" scheint der Wahl-Berliner mit seinem erhabenen Klargesang, der sich über sakrale Orgeltöne kraftvoll erhebt, endgültig bei sich selbst angekommen zu sein. Zum Schluss gleitet der Track mit dezenter Polyrhythmik und folkloristischen Akustikgitarrenklängen in eine naturbetonte Ambient-Welt über, die Lust auf mehr macht.
Im Grunde genommen klingt Sascha Ring alias Apparat auf "LP5" wie ein alter Freund, der über die Jahre immer noch so vertraut wie bei der letzten Begegnung anmutet. Nur bringt er ein Stück weit mehr Weisheit und Lebenserfahrung mit, was einen wohltuenden Kontrast zur Hyperaktivität Modeselektors bildet.
2 Kommentare
Das Album gefällt mir echt gut! Kann man sehr gut am Stück hören. Gefällt mir wesentlich besser, als das letzte Werk von Modeselektor.
Richtig gut, nachdem der Vorgänger mich nicht so begeistern konntem bin ich nach lange Zeit mal wieder richtig im Apparat fieber