laut.de-Kritik
Zwischen Pearl Jam, Miles Davis, Trip Hop und Beethoven.
Review von Sven KabelitzHupsala! Da hat sich doch glatt mal wieder ein Jazz-Album auf laut.de verirrt. Wie konnte das passieren? Warum ausgerechnet dieses? Vielleicht, weil sich Massive Attacks "Teardrop" in die Songliste von "Big Vicious" gemogelt hat? Oder weil jemand den Trompeter Avishai Cohen mit dem bereits weitaus länger umtriebigen Bassisten mit demselben Namen verwechselt hat? Oder wollen wir jetzt mal wieder zehn Minuten einen auf seriös machen? Das würde uns nun wirklich keiner abnehmen.
Diese vermeidliche Ehre hätte aber weitaus schlimmere Longplayer als Cohens vierten treffen können. Mit seiner vor sechs Jahren gegründeten Band Big Vicious geht es diesmal weitaus leichtfüßiger zu als auf seinen letzten Alben "Into the Silence" oder "Cross My Palm with Silver". Gemeinsam mit Uzi Ramirez (Gitarre), Yonatan Albalak (Gitarre, Bass) und den beiden Schlagzeugern Aviv Cohen und Ziv Ravitzsie mischt er seinem Genre Indierock, Trip Hop, Ambient, Electronica und alles, was halt noch so an Einflüssen bei dieser gut befreundeten Clique zu Hause herum lag, unter. Der Jazz dient lediglich als Leitfaden. "Wir kommen alle aus dem Jazz, aber einige von uns haben ihn früher verlassen", erklärt Cohen. "Jeder bringt seine Hintergründe ein, und das wird Teil des Sounds der Band."
"King Kutner" hätte beispielsweise in Sachen Dynamik und Komposition keine großen Probleme, ebenso einen Part auf dem zeitgleich erscheindem Pearl Jam-Album "Gigaton" zu spielen. Zumindest dann nicht, wenn Vedder mal die Gosch halten würde und eine Trompete sprechen ließ. Vieles, was die Band aus Israel in diesem Stück macht, erinnert an die Liveimprovisationen der Band aus Seattle.
Im sorglos mit Trip Hop flirtenden "The Cow & The Calf" wird dann auch mal munter mitgepfiffen, während im melancholischen "The Things You Tell Me" die Gitarren die meiste Zeit über klar im Vordergrund stehen. "Fractals" erinnert an Miles Davis' Fusion Jazz der späten 1960er, das finale "Intent" am ehesten an Cohens bisherige Arbeiten.
Letztendlich vereint eine allgegenwärtige nächtliche Stimmung die einzelnen doch so unterschiedlichen Songs der Platte. Nur logisch also, dass man in diesem Ambiente zu Beethovens "Moonlight Sonata" greift. Dabei stellt sich als das Faszinierendste an dieser Version heraus, dass man auch fast 220 Jahre nach der Veröffentlichung des Werks noch neue Ideen aus ihm heraus kitzeln kann. Die Musiker zerlegen es, fügen es neu zusammen, und nie klingt es ausgelatscht.
Avishai Cohen & Big Vicious finden auf "Big Vicious" eine eigene Spielweise des Jazz. Ebenso melodieverliebt wie groovebezogen gelingt ihnen ein zeitweise herrlich kurzweiliges Album, an dessen Sound sich manche Fans des Trompeters wohl erst einmal gewöhnen müssen.
2 Kommentare
Welcher Leser auch immer diese Platte mit nur einem Punkt für 'absoluter Schrott' bewertet hat, kann nur als destruktiver Spaßbewerter durchgehen.
fantastisches Album!