laut.de-Kritik
Wer Pommes erfindet, weiß eben auch, wie man debütiert.
Review von Laura WeinertIn Frischhaltefolie eingewickelt sind die barocken Figürchen auf dem Cover. Ähnlich wie Balthazar selbst: Ihre Musik klingt wie in einer ebensolchen Folie aus längst vergangener Zeit konserviert, etwas verstaubt und nostalgisch beim Auspacken. Wie eine Schatzkiste, die man auf dem Dachboden findet, gespannt den Muff der Zeit abpustet und Omis wunderschöne alte Spieluhr findet.
In ihrer Heimat Belgien eroberte Balthazars Indierock-Bluespop schon im Frühjahr 2010 die Herzen der Hörer und erhielt den heimischen Music Industry Award für das Album des Jahres. Tatsächlich klang ein Erstling lange nicht mehr so abgeklärt. Vielleicht ist die Lässigkeit ein Ding des belgischen Bluts, zeigte die Black Box Revelation mit "Set Your Head On Fire" schon 2009, wie man in die Welt der Longplayer einzusteigen hat. Wer Pommes erfindet, weiß eben auch, wie man debütiert.
Dennoch haben beide belgischen Jungspunde sonst nicht viel gemein. Wo die beiden dreckigen Rocker auf garagige Drum- und Gitarrensounds setzen, bleiben Balthazar bei catchy Indiepop und schweren Beats, wie sie den frühen Kasabian gefallen könnten. Sich stets im entspannten Midtempo-Bereich bewegend, lassen Balthazar sich von windigen Rock-Momenten ("Hunger At The Door") zu knackendem Lo-Fi-Pop ("More Ways") treiben.
Das Gerüst ihrer Tracks bleibt konstant: Lockerer Basslauf trifft auf einen schicken Rhythmus trifft auf starke Stimmen. Alles trifft aufeinander, und Balthazar vor allem den Gehörgang. Ein Paradebeispiel: "Morning". Dieses mächtige Intro verschwindet vermutlich niemals wieder aus dem Ohr.
Mademoiselle Patricia, die im Quintett für Geige und Synthies zuständig ist, darf in "Blues For Rosann" glänzen. Der oft zwischen laszivem, beinahe abschätzigen Sprechgesang und melodischem Leiden wandelnde Maarten lässt seine Gitarre aufheulen und uns gleich mit, so getragen ist die im Blues verkleidete Ballade. Das würde fast die Stimmung drücken, käme danach nicht mit "Throwing A Ball" ein verschrobener Pop-Brecher. "Now they're throwing a ball and we're all invited!" Juhu!
Es ist ein Wohlklang, ein Indie-Debüt fernab von nervösen Gitarrenpopfrickeleien oder hibbeligen Elektro-Ergüssen zu hören. Omis verstaubte alte Spieluhr klingt so unverbraucht wie lange nicht mehr. Den Applaus haben sich Balthazar wahrlich verdient.
3 Kommentare
Irgendwie Hot Hot Heat trifft Beck. Klingt gut. Ich hör mal weiter ...
"ein Indie-Debüt fernab von nervösen Gitarrenpopfrickeleien oder hibbeligen Elektro-Ergüssen"
Endlich kann ich das, was mir an 80% der hochgelobten Indie-Alben so auf den Sack geht in Worte fassen. Dankeschön!
Werde ich mal reinhören -
hab sie auf dem Dockville gesehen und fand's zumindest live sehr unterhaltsam. Und grooooovy!