laut.de-Kritik
Subtiler Flirt mit neuen Ideen.
Review von Rinko HeidrichAn einem Sommerabend im August 2010: Beach House eröffnen im Spiegelzelt beim kleinen Halden Open Air ihr Set. Durch die Fenster schimmert orangenes Licht, der Nebel auf der Bühne lässt gerade einmal die Umrisse der Bandmitglieder erkennen, was der ganzen surrealen Szenerie endgültig die Atmosphäre eines entrückten französischen Kunstfilms gibt. Die Festivalbesucher schließen die Augen. Jeder möchte diesen besonderen Moment am liebsten für immer konservieren.
Doch für wie lange kann man einen Traum in den Alltag retten? Beach House haben es seit dem Durchbruch mit "Bloom" immer wieder versucht, doch so schön das Nachfolgealbum "Depression Cherry" schien, trat Stillstand ein. Das hastig nachgeschobene "Thank Your Lucky Stars" geriet spannender, ging aber bei seiner Erstveröffentlichung ins Form eines Downloads ein wenig unter.
"Lemon Glow", die erste Single vom neuen Album "7", sorgte erstmals nicht für nervöse Vorfreude auf den bekannten Musikseiten. Eher machte sich Enttäuschung breit. Beach House seien nun endgültig in der Komfortzone angekommen, so rauschte es mürrisch durch den Kritikerwald. Diese Gefahr sahen Victoria Legrand und Alex Sally selbst. Mit "7" vollführen sie den Spagat, ihre treu ergebene Fanbase nicht zu verprellen, aber auch wieder mehr Experimente zu wagen.
Die erste Veränderung fand in dem Ende der Zusammenarbeit mit dem langjährigen Produzenten Chris Cody statt, den nun Peter Kemper, besser bekannt als Sonic Boom, ersetzt. Die zweite Veränderung bemerkt man erst langsam: Beach House lassen den Hörer ungefähr drei Songs im Unklaren, wofür eigentlich hier eine solche Konstante wie Cody an den Reglern weichen musste, wenn es dann doch wieder bekannt klingt.
Die Dream-Popper hatten es in ihrem klanggewordenen Slo-Mo-Film noch nie besonders eilig gehabt. So verpasst man nach dem soliden Anfang fast den stärker fokussierten Klang und das zaghafte, aber doch häufige Spiel mit elektronischen Einflüssen. "Black Car" klingt in der Instrumental-Version nach Björk. Auch "Last Ride" ist flirrender Ambient, der erst einmal vom isländischen Feingeist-Künstler Ólafur Arnalds stammen könnte und sich erst später in ein dramatisches Epos verwandelt.
In diesen sieben Minuten findet mehr statt als auf den letzten beiden Alben zusammen. Überhaupt haben sich Beach House bemüht, die Songs nicht wieder entlang an einer Grundidee alle lang ausufern zu lassen. "L'Inconnue", komplett von Legrand auf Französisch eingesungen, beginnt mit Streichern und flicht tatsächlich in die sakrale Atmosphäre einen exotischen Vogelgesang ein: Exzentrik und wunderbare Schönheit in einem. In diesen Momenten fühlt man sich sogar an das Meisterwerk "Laughing Stock" von "Talk Talk" oder das Solo-Werk von Mark Hollis erinnert.
Beach House flirten also durchaus bereitwillig mit neuen Ideen, gehen dabei aber immer noch äußerst subtil vor. Die routinierte Introvertiertheit der vergangenen elf Jahre legt sich eben nicht komplett ab, aber es war die richtige Entscheidung, erst einmal einen Schritt aus dem Schneckenhaus zu wagen. Der Mut selbst wird noch kommen. Davon können wir nun träumen.
2 Kommentare mit 2 Antworten
Die vielleicht konstanteste, aber auch starrste Band der Welt. Bisher noch jedes ihrer Alben sehr gern gemocht, aber noch keines wirklich geliebt. Auch hier ändert sich nichts an dieser Sichtweise für mich nichts, irgendwie fehlt Beach House schon immer dieser letzte Funken sowohl textlich als auch instrumental wirklich "interessant" zu sein, wobei sie mit Bloom wohl noch am nähsten dran waren. Das Seltsame ist, dass ich trotz allem jedes Mal wieder Lust auf das nächste Album habe. Haben sie irgendeinen Algorithmus eingebaut? Mal wieder die obligatorischen 4 von 5, viel zu gut um Mittelmaß zu sein, zu uninteressant um in wirkliche Großartigkeit vorzudringen.
Die vielleicht konstanteste, aber auch starrste Band der Welt. Bisher noch jedes ihrer Alben sehr gern gemocht, aber noch keines wirklich geliebt. Auch hier ändert sich nichts an dieser Sichtweise für mich nichts, irgendwie fehlt Beach House schon immer dieser letzte Funken sowohl textlich als auch instrumental wirklich "interessant" zu sein, wobei sie mit Bloom wohl noch am nähsten dran waren. Das Seltsame ist, dass ich trotz allem jedes Mal wieder Lust auf das nächste Album habe. Haben sie irgendeinen Algorithmus eingebaut? Mal wieder die obligatorischen 4 von 5, viel zu gut um Mittelmaß zu sein, zu uninteressant um in wirkliche Großartigkeit vorzudringen.
Perfekt beschrieben, geht mir auch so mit der Platte.
Dito