laut.de-Kritik

Alles auf Anfang, alles bleibt anders.

Review von

"Hello there Ladies and Gentlemen" sie sind zurück! Knapp sieben Jahre haben sich die Beatsteaks für ihren neuen, den mittlerweile neunten Longplayer Zeit gelassen. Ein Zeitraum, in dem sich die Welt natürlich weitergedreht hat und sich in einigen Punkten auch in eine völlig neue Richtung entwickeln musste. Die Berliner Großbühnenoffenbarung hat vor allem die Momente des Stillstandes während der großen Pandemie genutzt, um sich musikalisch, nicht aber konzeptionell in eine neue Richtung zu entfalten. Obwohl alles irgendwie völlig anders klingt, erkannt man doch augenblicklich die unverkennbaren Trademarks von Arnim und seinen Kollegen.

Bereits auf "Yours" hlrte man eine gewisse Kursänderung in Richtung Indie-Rock und Pop, die sich auf dem neuen Album noch wesentlich weiter gegen den meist kratzigen Punksound durchsetzte. Wurde man früher noch ohne mögliche Widerrede direkt und bestimmt aus dem Sessel geworfen, stimulieren die neuen Songs eher neckisch und verschmitzt den Bewegungsapparat der geneigten Hörerschaft. Unbeschwert und beschwingt kommen sie daher und wirken anfangs tatsächlich ein wenig beliebig und unspektakulär, teils auch etwas beladen und sehr experimentell. Es bedarf tatsächlich mehrerer Durchläufe, bis man sich endlich in der Mitte des Albums eingefunden und den Durchblick erlangt hat.

Das einleitende "Goodbye" lebt in allererste Linie vom vitalen, vorantreibenden Bassspiel und vom langsamen Spannungsaufbau. Hier und da schwirren eigenartige und leicht deplatziert wirkende Synthesizersounds durch den Raum, und kurz bevor die Aufmerksamkeit zu schwinden droht, rücken neue Facetten alles in den Focus. Irgendwo zwischen Post-Punk und Pop kommen Erinnerungen mittelalte The Cure oder Depeche Mode zum Vorschein. Geschickt gestreute Gitarrensprenkel schlagen die Brücke zum bekannten Terrain und neutralisieren Teile des vielleicht aufgrund der neuen Klänge eingetretenen Missmutes. So ganz vom Punk abgekommen ist man auch letztlich nicht, dafür gehen Stücke wie die Vorabsingle "Detractors", mit seiner gewissen Surfstimmung und den coolen Chören oder das pumpende "Against All Logic" viel zu sehr nach vorne. Der Vergleich mit The Clash wird seit wird seit jeher gezogen, und obwohl wir hier viel tiefer im Pop stecken als seinerzeit Strummer & Co., lässt sich die Nähe zueinander kaum verleugnen

Ganz neu sind gewisse 50s-Reminiszenzen in einigen der Songs, etwa in der leicht verträumten, wirklich schön komponierten Ballade "Love Like That" mit zusätzlich soulig-funkigen Anleihen und passender Falsettstimme und dem spacigen "Traumschiff". Hier passen die schwurbeligen Keyboardsounds und der dezente, tänzelnde Bass unfassbar gut zur sommerlichen Stimmung. Es klingt beinahe so, als seien alle Instrumente und Armins Stimme komplett in den Hintergrund gemischt worden, nichts sticht besonders hervor, was eine räumliche und schwebende Atmosphäre kreiert. Dieses Phänomen lässt sich am einfachsten damit erklären, dass "Please" komplett im Publikumsbereich des Berliner Columbia Theaters aufgenommen wurde, was den Klang hier wirklich besonders macht.

Nach dem mit Afrobeats unterlegten, zugegeben verzichtbaren Fun Boy Three-Cover von "The Lunatics (Have Taken Over The Asylum)", blühen zwei der stärksten Songs, nämlich "Magic Feel" und das abschließende "Tonight" nur doch deutlicher auf. Mit Bedacht eingesetzte Klavier- und Orgeltöne, leicht schräge, klimpernde Sounds, die klare Tanzbarkeit aber vor allem die feinen, runden Melodien bescheren ein angemessenes Finale.

Die Beatsteaks sind vor allem eine Live-Band, die Shows schon immer über alle Zweifel erhaben. Wie sich das neue Material in die kommenden Konzerte einfügt, bleibt abzuwarten, aber wie man die Herren kennt, wird ihnen das sicherlich mit Bravour gelingen. Wenn man "Please" die Zeit gibt, die es zur endgültigen Entfaltung braucht, darf man sich bald über wundervolles Indie-Rock Album freuen, das die Band von einer neuen, frischen und jugendlichen Seite zeigt.

Trackliste

  1. 1. Goodbye
  2. 2. Detractors
  3. 3. Dead Man
  4. 4. Katharina
  5. 5. Traumschiff
  6. 6. Against All Logic
  7. 7. Love Like That
  8. 8. The Lunatics (Have Taken Over the Asylum)
  9. 9. Why & Because
  10. 10. Magic Feel
  11. 11. Tonight

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7 Kommentare mit 23 Antworten

  • Vor 5 Monaten

    Himmel, klingt das mittlerweile ziellos und nichtssagend.
    Irgendwie haben die nach limbo messiah (immer noch großartig!) versucht in neue Richtungen zu gehen, aber sidn auch vier (?) Alben später nirgends so richtig angekommen.

    • Vor 5 Monaten

      Einspruch:
      Es geht teilweise immer noch streng nach vorne (zugebenermaßen abwechslungsreicher, was aber kein Nachteil ist), die Jungs bleiben live eine Offenbarung und Ihnen scheint dabei die Sonne aus dem A…!
      Das Album passt ins Bild und vier Sterne passen! Viel Spaß

    • Vor 5 Monaten

      Für mich ging es schon nach Living Targets in die falsche Richtung.

    • Vor 5 Monaten

      Für mich ging es von Anfang an in die falsche Richtung. ;-)

    • Vor 5 Monaten

      Ich hingegen finde sie erst ab dem nächsten Album gut.

    • Vor 5 Monaten

      Pfff, Remoob!

    • Vor 5 Monaten

      Ich finde sie immer ein Release später gut als Gleepi.

    • Vor 5 Monaten

      Lief schon vor der ersten Platte völlig schief Insider wissen das

    • Vor 5 Monaten

      Die Beatsteaks waren, sind und werden ihrer Zeit immer weit voraus sein. Das werden wir alle erst in Ionen oder vielleicht auch nie völlig erfassen können :(

    • Vor 5 Monaten

      Please, come on!

    • Vor 5 Monaten

      Ich widerspreche Duri und werfe ein, dass man die Beatsteaks innerhalb 5 Sekunden Hörens geschnallt hat und jede weitere Hörerfahrung nur schmerzhafte Nachwehen dessen sind, was die Musik sein könnte, aber nicht ist...

    • Vor 5 Monaten

      Einspruch, Schwingster:
      Es geht zeitweise immer streng nach voraus (zugebenermaßen ohne, dass sie es selbst merken, was aber kein Nachteil ist), die Jungs verlassen vor allem live regelmäßig das uns bekannte Raum-Zeit-Gefüge und flüstern sich dabei dann selbst von hinten neue Songideen und Albumkonzepte in den A…!
      Das Album lässt jegliches Bild verwischen und vier Sterne passieren die time-travelling-bassbuletten quasi schon vor dem Frühstück im Gleitflug! Viel Spaß

    • Vor 5 Monaten

      "Es geht zeitweise immer streng nach voraus (zugebenermaßen ohne, dass sie es selbst merken, was aber kein Nachteil ist),"

      Ich habe das nun mehrfach gelesen, aber ich verstehe nach wie vor kein Wort.

    • Vor 5 Monaten

      So wie ich das verstehe könnte man "voraus" sinnerhaltend durch "vorne" ersetzen, was es vielleicht etwas verständlicher macht. Oder auch "geht" durch "riecht".

    • Vor 5 Monaten

      @Funk-Robert:
      Ganz lieben Dank dir, ich bin richtig gerührt :)

      Gleep hat das ja schon gut unterstrichen nochmal:
      Das Riechhirn ist bekanntermaßen die vornehmste aller Hirnregionen (das ist bekannt) und eine künftige Synth-Rock-Urgewalt wie die Beatsteaks tut gut daran, vorausschauend jedem Trend hinterherzulaufen, der einstmals selbst begründet wurde. Ihre wegweisenden Einflüsse auf 70er-Rock, Cloud-Rap, den arabischen Frühling und die besten Arten, eine schmackhafte Linsensuppe mit Bratkartoffeln zuzubereiten, sind jedenfalls wirklich nicht von der Hand zu weisen.

    • Vor 5 Monaten

      Danke. Mit "es riecht zeitweise/immer streng" ist das Album treffend beschrieben. Chapeau!

    • Vor 5 Monaten

      Gern geschehen :)

  • Vor 5 Monaten

    Wenn es das Ziel war, eine Platte aufzunehmen, die nicht mehr nach den Beatsteaks klingt, dann ist das natürlich eine super Scheibe.
    Weiterentwicklung hin oder her, aber das ist glattproduzierte, nichtssagende Popgrütze. Müsste wirklich überlegen, warum ich mir das Teil ein zweites Mal anhören sollte.

  • Vor 5 Monaten

    Purer Wahnsinn und eine Frechheit. Auch vom Toco-Bassisten Jan Müller , der in seinem Arnim-Interview bereits vor Monaten ein richtiges Schleimer-Feedback gegeben hat. Ganz schlimm alles und quasi drauf gepisst was Sie so alles schon geschaffen haben.

  • Vor 5 Monaten

    Tja, was soll ich dazu sagen. Bis jetzt standen die Beatsteaks bei mir auf Nummer 1 meiner Lieblingsbands, zusammen mit Tool (klingt nach einer komischen Mischung, aber die Liebe fällt dahin, wo sie eben hinfällt). Jetzt aber muss ich aber sagen: Als eingefleischtem Fan gefällt mir die Scheibe nicht. Sie ist zwar melodisch schön, aber sie ist mir die meiste Zeit zu lahm. Sie ist einfach zu lahm. Ja, Weiterentwicklung einer Band ist wichtig und richtig, aber leider hat sich die Band an meinem Geschmack vorbeientwickelt. Limbo Messiah ist eine unglaublich gute Scheibe und ein absoluter Evergreen, aber auf Please findet sich kein einziger Song, der für mich ein Highlight wäre, sondern eher Songs, die ein Album neben den Highlights ausschmücken sollten. Es gibt immer noch schöne Ideen und manches klingt cool, aber es reicht mir einfach nicht. Die Aggressivität fehlt. Wie schon mal gesagt wurde: "Nach Limbo Messiah wurde die Bands anders", aber bisher waren immer noch Songs dabei, die nach vorne gingen und meine Fan-Liebe hielten. Yours hielt ich gerade für die extreme Abwechslung für ein seeeeeehr gutes Album... aber auf Please findet sich nichts. Es tut mir in der Seele weh, ich liebe diese Bands, wirklich, Live immer noch eine absolute Macht, aber wie ich schon sagte: Mit dem Album haben sie sich an mir vorbeientwickelt. Ich hoffe ja immer noch auf ein Back-to-the-Roots, weil auch das für eine Entwicklung wichtig sein kann. Metallica hat es definitiv nach St. Anger nicht geschadet wieder Musik zu machen, wie in den mittleren 80ern und frühen 90ern. Aber zurück zu den knüppelharten Beachbouletten: Auf meiner 1 sind sie nach dem Album nicht mehr.

    • Vor 5 Monaten

      Ich glaube, ein Back-to-the-roots Album wird es bei den Beatsteaks nicht geben und das liegt zumindest teilweise an Arnims Stimme. Eine Zeit lang hat er sich beim zweiten Konzert jeder Tour die Stimme komplett zerschossen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Stilwechsel auch daran liegt. Merkt man auch daran, dass er live die ganz lauten, hohen Töne entweder vom Publikum oder vom Rest der Band singen lässt.

    • Vor 5 Monaten

      Deutsche und Gesang ist halt auch so n Ding. Will das nicht als Diss verstanden wissen. Aber es wird hierzulande sehr wenig gesunden, also gibt es auch wenige gute deutsche Sänger. Und ich kann mir sehr gut vorstellen, wie in irgendnem Berliner Keller so ein Arnim vor 20 Jahren mal so kratzig zu belten versuchte, das für die anderen Jungs ganz geil klang, und sich niemand mehr so richtig darum scherte, wie belten eigentlich geht. Gaaaaanz zu schweigen von Stimmtraining.

      Ist absolut nachvollziehbar, wie so ein Organ ohne das geringste Bissl Liebe fürs Singen oder Rücksicht, jedes Jahr nur wenige Shows mitmacht.

    • Vor 5 Monaten

      Hier bitte auch "geht" durch "riecht" ersetzen

    • Vor 5 Monaten

      hahahahah

  • Vor 5 Monaten

    Die einen werden kritisiert, weil sie seit Jahrzehnten immer die gleiche Mucke machen, die anderen, weil sie sich weiterentwickeln und nicht mehr die gleiche Mucke machen…

  • Vor 5 Monaten

    Kackwurst! Das ist keine Kritik, aber früher war da Druck und jetzt ist’s experimentelles Geseier! Kann man ja machen, aber wenn ich Bier den Alkohol nehme, nenne ich’s auch nicht mehr Bier! Aber ich danke den Jungs immernoch für Limbo Messiah und vor allem für Demons Galore.
    Vermutlich ist’s wie überall. Party bis in die Morgenstunden kann auch nicht mehr jeder. Prost!