laut.de-Kritik
Bei drei Nullen ist es im Endeffekt egal, wie man sie verquirlt.
Review von Max BrandlIch bin nicht besonders bibelfest, geschweige denn -treu und so sind mir die Lehren der Bergpredigt zwar so la la bekannt, aber kein Maß. Insofern okay, wenn ich hier nun Gleiches mit Gleichem vergelte. Denn wenn jemand so hörbar wenig Herzblut investiert, um einen brauchbaren Tonträger zu veröffentlichen, dann will ich auch nicht mit Lupe und Pinzette nach Pluspunkten fahnden.
"Berlins Most Wanted" – sowohl Gruppe als auch Platte – überspannt meinen Geduldsfaden dermaßen, dass diese Review mal ohne mehrmalig konzentriertes Hören der Scheibe entstehen muss. Schmerzen bin ich qua Gesetzgebung zu dulden nicht verpflichtet. Man wird vom ersten Track an das Gefühl nicht los, dass die Produktionszeit von "Berlins Most Wanted" kaum merklich über der reinen Spielzeit gelegen haben dürfte.
Derart eindimensionale Setzkasten-Texte, Dünnbrettbohrer-Beats und überflüssige Skits so hochkarätig anzupreisen, ist schlichtweg eine Frechheit. Dabei wurde im Vorfeld nicht mal behauptet, dass B.M.W. irgendwelcher 'Next level shit' wäre, sondern einfach nur den guten, alten Carlo-Cokxxx-Nutten-Style, ergänzt um ersdritterjunge Kay One zelebriert. Als vor ein paar Wochen dann das Video zum einigermaßen grimmigen Track "Berlins Most Wanted" veröffentlicht wurde, war ich zwar noch nicht schwer begeistert, hielt aber eine Einlösung dieses Versprechens auch nicht für ausgeschlossen.
Die Krux: Besagter Style liegt in ferner Vergangenheit und fand vor allem unter völlig anderen Bedingungen statt: Das Genre Gangster-Rap war in Deutschland noch ein glühend heißes Eisen, das Sonny Black und Frank White mit wenigen, aber donnernden und bis heute nachhallenden Paukenschlägen schmiedeten.
Dieser Nimbus ist nunmehr Fluch und Segen zugleich: Er hat seinen Dienst ein knappes Jahrzehnt später getan und die beiden etabliert, lässt aber per se auch keine Weiterentwicklung zu, was Fler zu betonen neuerdings nicht müde wird: "Frank bleibt Frank". Wobei dieser noch das geringste Problem darstellt: Er fährt auch hier wieder eisern seinen lyrisch überschaubaren, aber zumindest stylish genervten Proleten-Film und das ist schon okay so.
Kay One, der nicht zu Unrecht als bester Rapper gehandelt wird (im ersguterjunge-Kader wohlgemerkt), will mit seiner unbeschwerten Sunnyboy-Attitüde hingegen so gar nicht in das freudlose Milieu passen, das seine beiden Kollegen mit einer Heerschar an Demonstrativpronomen skizzieren. Seinen Eloquenz-Bonus verdankt der Wahlberliner daher am ehesten dem direkten Vergleich mit Fler und Bushido.
Letzterer bestreitet in seiner Rolle als latentes Oberhaupt des Krimi-Dreiers den schwersten Kampf: Bushido erzählt Dinge, die man ihm nicht abkauft, in einer Weise, die ob ihrer Einförmigkeit nur noch nervt. Er hat also weder ein integres Image, noch die nötigen Skills. Schlechte Karten für einen Gangsterboss – noch schlechtere für einen Rapper, möchte man meinen.
Wo andere Kollaborationen häufig mit "mehr als der Summe ihrer Teile" beschrieben werden, sollte hier eher von einer Differenz die Rede sein. Andererseits – und mathematisch böse ausgedrückt: Bei drei Nullen ist es im Endeffekt egal, wie man sie verquirlt.
Natürlich chartet B.M.W. nicht zuletzt dank Bushido trotzdem. Kay One nennt uns in seinem Solo "Ich Hatte Einen Traum" auch den Grund: "Vorbei sind die Zeiten von Samy und Kool Savas – Teenies wollen einen Star zum Anfassen." Derart entwaffnende Ehrlichkeit bleibt am besten unkommentiert.
Ein erstes Mal Aufhorchen ließ mich übrigens "Sie Wissen, Wer Wir Sind": Das Drum-Pattern, das Bushido hierfür nebst all dem Magerstufe-Quark gebastelt hat, gibt schlagartig Grund zur Annahme, dass ihm demnächst wieder Post vom Fachanwalt für Urheberrechtsklagen ins Haus steht. Betreff: Grindin'. Gezeichnet: The Clipse und die Neptunes. Lediglich die beiden der Premium-Edition vorbehaltenen Solo-Nummern, die Beatzarre und Djorkaeff musikalisch in Szene setzen, erreichen in punkto Produktion endlich ein gewisses Niveau.
Dieses verwandelt Fler zunächst mit seiner gruselig-schönen Autotune-Zeitlupen-Einlage "Keiner Hält Mich Auf" zum nervlichen Drahtseilakt: Vom Cher- zum Fler-Effekt.
Die größte Überraschung erwartet einen dann ganz am Schluss: Für sein Solo "9 Millimeter, Koks und Geld" zieht Bushido nämlich urplötzlich den Stock aus dem Arsch und flext in bester "Bordstein"-Manier, als wäre es nie anders gewesen: Fabelhaft akzentuierter Unterwelt-Argot ohne das übliche, pseudo-deepe Lamento auf einem grandiosen Fundament aus bedrohlich dicker Baseline, nervöser Geige, zuckenden Lasern und all dem atmosphärischen Brimborium, den ein waschechter Ganoven-Bombast braucht. Yeah. Das ist most wanted.
Werter Herr Ferchichi: Begeben Sie sich mit exakt jenem Flow bitte umgehend in die Booth, lassen sie die Finger von der Produktion und rappen Sie ein komplettes Album in diesem Stil ein. Sie verewigen sich womöglich ein zweites Mal in den Deutschrap-Annalen – auch wenn das am vorliegenden Werk nichts mehr beschönigt. "B.M.W. bedeutet kriminelle Organisation"? Nein. "B.M.W." bedeutet "Bayerische Motoren Werke" und daran ändert diese Platte genau gar nichts. Umfirmierung sensationell gescheitert.
66 Kommentare
Als ich noch jung und in der Pubertät war, habe ich mir VBbzS reingezogen und gefeiert. Was sich die heutigen Teenies reinziehen, ist mir schlichtweg unbegreiflich. Selbst Hgichts lyrische Ergüsse ergeben mehr Sinn als das Gebrabbel dieser drei Vorstadtgangster.
In den für die Kiddies zugänglichen Teilen Gangstarapdeutschlands gibts zurzeit eben nichts in ähnlicher Qualität (wie VBbzS) - musikalische Leichen aus der Pubertät hat denk ich (fast) jeder im Keller...
Das mit Grindin ist mir auch gleich beim ersten Mal aufgefallen. Natürlich ist das Album nicht toll aber 3* hätte es bestimmt verdient, natürlich kein Vergleich gegen CCN 2. Die Beats sind auch voll Opfa
3,5/5 gibts hierfür. Nach einigen Durchgängen können die Bu-Beats überzeugen, ein paar Überraschungen gibt's ebenfalls, insgesamt solide. Kay eindeutig bester da abwechslungsreichster Rapper der 3, Bushido folgt knapp dahinter. Fler zieht sein Ding durch, ist ok so. Kritik kann ich nur teilweise nachvollziehen.
ich bin grosser egj fan aber bis auf `` Berlins Most Wanted ´´ und `` weg eines kriegers `´ ist dieses album schrott
die drei sind im laufe der jahre abgestumpft und machen immer dasselbe dieses alben ist genau wie die lezten 3 egj alben - langweillig und Commerzgeil !!!
Also ich fande es früher ganz okay, wunderlich ...