laut.de-Kritik

Brillant, ob Schrei oder Soul.

Review von

Solche Momente würden sich die meisten für die Zugabe aufsparen: einen Song a-capella inmitten der Publikumsreihen vortragen. Beth Hart startet ihr Konzert am 4. Mai in der Londoner Royal Albert Hall auf diese Weise. Keine Instrumente, nur ihre Stimme schallt während "As Long As I Have A Song" durch den Saal, kräftig, sauber, ausdrucksstark. Es besteht kein Zweifel, was im Zentrum des Abends stehen wird.

Über 23 Songs und gut zwei Stunden hinweg zeigt Hart ihre beeindruckende stimmliche Bandbreite: von Hardrock ("For My Friends") über heimeligen Blues ("Close To My Fire") und Powerballaden ("Sister Heroine", "Waterfalls"), Uptempo-Rock'n'Roll ("Saved"), Country ("Spiders In My Bed"), hie und da ein paar Gospel-Anleihen, Soul ("Take It Easy On Me", "Leave The Light On") bis zum gefühligen Dialog mit der Gitarre im Melody Gardot-Cover "Your Heart Is As Black As Night".

Man lauscht einer völlig gelösten Künstlerin, die bereits im dritten Song "Lifts You Up" verspielt, aber immer zielführend vor sich hin improvisiert und in "Baby Shot Me Down" Screams herauspresst, um die sie mancher Extreme-Metal-Sänger beneiden dürfte.

Die Setlist gerät zur Achterbahnfahrt durch verschiedene Gefühlszustände. Auf das vor Spiel- und Tanzfreude übersprühende Trio "Bang Bang Boom Boom", "Good As It Gets" und "Spirit Of God", in dem Hart das Publikum anfeuert, folgen zum Beispiel das schwere "Baddest Blues" und "Sister Heroine", ein Abschiedssong für Harts verstorbene Schwester.

Kurz vor Schluss wird es besonders intim, als ihre Band die Bühne verlässt und Beth sich für die Balladen "Take It Easy On Me", "Leave The Light On", "Mama This One's For You", und "My California" ans Klavier setzt. So stehen noch einmal einzig ihre Stimme und Texte im Mittelpunkt, bevor es im Zugabenblock um Publikumsinteraktion geht. Die mitsingende, klatschende Menge schafft es im schön austarierten Mix auch ins heimische Wohnzimmer. Schon bei "Waterfalls" funktioniert das hervorragend, als Hart einen Call-and-Response-Chor initiiert.

Trotz aller gesanglicher Zelebration bildet auch Harts Band - John Nichols (Gitarre), Bob Marinelli (Bass) und Bill Ranson (Schlagzeug) - ein wichtiges Puzzlestück für einen rundum gelungenen Abend. Ohne die perfekt eingespielte und in Jams herrlich aufeinander reagierende Truppe (kein Wunder, lässt Hart sie doch gerne um die 100 Songs für eine Tour vorbereiten, um flexibel Setlisten basteln zu können) wären dynamische Gänsehaut-Epen wie das abschließende "Caught In The Rain" schlicht nicht möglich. Besonders Nichols glänzt mehrfach auch selbst. Dank Gitarrensoli wie das in "For My Friends" verfliegt der Wunsch nach einem Gastauftritt von Harts Lieblingskollaborateur Joe Bonamassa beim Hören ganz schnell.

Hart liefert mit "Live At The Royal Albert Hall" einen Überblick über ihr vielseitiges Schaffen, dank tollem Klang und variantenreicher Performance mit deutlichem Mehrwert zu den Studioaufnahmen. Egal ob Coverversion oder Eigenkomposition: Beth Hart packt ihr gesamtes Herzblut in die Songs. Das hört man in jedem Moment dieses Livealbums. In der übrigens keinen Cent teureren DVD-Version (inklusive Interview und Behind-The-Scenes-Footage) sieht man es sicher auch.

Trackliste

CD I

  1. 1. As Long As I Have A Song
  2. 2. For My Friends
  3. 3. Lifts You Up
  4. 4. Close To My Fire
  5. 5. Bang Bang Boom Boom
  6. 6. Good As It Gets
  7. 7. Spirit Of God
  8. 8. Baddest Blues
  9. 9. Sister Heroine
  10. 10. Baby Shot Me Down
  11. 11. Waterfalls
  12. 12. Your Heart Is As Black As Night

CD II

  1. 1. Saved
  2. 2. The Ugliest House On The Block
  3. 3. Spiders In My Bed
  4. 4. Take It Easy On Me
  5. 5. Leave The Light On
  6. 6. Mama This One's For You
  7. 7. My California
  8. 8. Trouble
  9. 9. Love Is A Lie
  10. 10. Picture In A Frame
  11. 11. Caught In The Rain

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