laut.de-Kritik
Was für Charlie Watts der Jazz, ist für Wyman Rhythm'n'Blues.
Review von Philipp KauseBill Wyman gründete die Rolling Stones nicht, er stieß zwei Monate später zur Band. Dann blieb er 31 Jahre. Er war im fünften Dienstjahr, da wurde ihm ein einziges Mal die Ehre zuteil, einen selbst geschriebenen Song auf einer Stones-LP zu singen. "Their Satanic Majesties Request" enthält "In Another Land", Wyman spielt Klavier, Nicky Hopkins Cembalo, Watts trommelt, Jagger/Richards bescheiden sich mit dem Hintergrundgesang. "Drive My Car" ist nun ein Spätwerk, das zwölf Mal Wymans Lead-Vocals enthält und ein Werk, auf dem er sich definitiv nicht dezent im Hintergrund versteckt.
Der Rhythm King, Fotograf, Hobby-Archäologe, Erfinder, Kneipen-Wirt und Blues-Wissenschaftler (freilich ohne akademischen Grad) ist jetzt 87. Er muss niemandem irgendwas, aber er könnte vieles beweisen. Zum Beispiel kennt man ihn gemeinhin als Bassgitarrist. In dieser Rolle benötigten ihn die Stones, fügte er sich ins Team. Dass er mal Cello und Vibraphon gelernt hat und früh mit Elektro-Orgeln experimentierte, als Synthies langsam auf den Markt kamen, das weiß man eher nicht. Für "Drive My Car" nutzt er diese Kompetenzen auch nicht. Er hält es absolut schlicht.
Das Album klingt sehr gleichförmig, reduziert und altmodisch Americana-like. Der Senior geht alles gemächlich und konventionell im Sinne seines Buchs und seiner DVD "Blues Odyssee" an. Die Wurzeln bei Big Bill Broonzy und Konsorten in den 1920ern können demnach niemals out sein, die Altvorderen wie Mississippi John Hurt niemals irren: Rhythm and Blues handelt von der Einfachheit, und es ist eine eher schroffe als schöne Angelegenheit.
Die Kollektion "Drive My Car" umfasst Cover von beispielsweise Taj Mahals "Light Rain", aber auch Genre-fremder Stücke wie Bob Dylans "Thunder On The Mountain" und John Prines "Ain't Hurting Nobody". Obwohl sie also recht verschiedenen Kontexten zugehören, klingen sie bei dem Ex-Stone alle gleich. Da juckt es ihn auch nicht, dass gerade Taj Mahal viel modernisierte und Stil-Grenzen bis zum Reggae ausdehnte, nein, hier herrscht der blanke Anachronismus. Nicht, dass er es nicht moderner könnte, höre man sein Erscheinen auf "Hackney Diamonds", wo er einmal den E-Bass anschmeißt - er will nicht.
Auch nicht auf den Nummern, die er selbst verfasst hat. Hört man alles zusammen, bekommt man den Eindruck vermittelt, die ganze Zeit demselben Stück zu lauschen. Highlights, Unterschiede oder einzelne Facetten? Mitreißende Hooks gar? - Fehlanzeige! Der Londoner Südstaaten-Chronist bürstet also alles, Fremdes und Eigenes, selbstbewusst und sehr selbstverständlich auf die gleiche Linie.
Die Art, wie er scheinbar Geheimnisse in vertraulicher Stimme im kleinen Kreise teilt und mit heller, rauer Stimme zum schlichten Rhythmusspiel heraus lässt, erinnert stark an den Southern Rock J.J. Cales. Ihn coverte er früher mit den Rhythm Kings ganz gerne. Insbesondere das rhythmische Treiben ähnelt J.J.s Gesamtwerk zum Verwechseln. Hier beim spröden Tulsa-Sound aus Oakland und später dem Westcoast-Wohnwagen, wo J.J. ohne Telefon lebte, hat Bill seine musikalische Heimat gefunden, bei Charlie Watts war's der Jazz Charlie Parkers. Erstaunlich, dass diese aus der Zeit gefallenen Herren den Glimmer Twins für so viele bestverkaufende Alben als rhythmisches Rückgrat dienten.
Dieses ereignis-, zugleich mühelose Wyman-Album entspannt in einem eigentümlichen laid-back- und leise-Stil und verpflichtet sich so sehr dem Understatement wie auch dem Acoustic-Play. Viele Tracks fließen ins Fade-Out, wirken wie Skizzen, um Stimmungen zu testen, blasen aber alle ins gleiche Horn. Wyman hat hier eine stille und unauffällige Reminiszenz ans Handwerk des Rhythm'n'Blues geschaffen. Das Album kann man gut nebenher laufen lassen. Mehr Ausbeute bietet es nicht, aber es ist luftig, lässig und leichtfüßig.
1 Kommentar mit 2 Antworten
und genauso durchschnittlich wie bei Watts der Jazz, wird von Wyman der R&B dargebracht.
Zudem -wenn man sich bewusst wird, wer die coolen Passparts bei den Stones gespielt hat.... das war idR Ronnie Wood.
Ich bin mir unsicher was die Passparts anbelangt, aber wenn es um Bassläufe geht die nicht der Bassist eingespielt hat, dann was das mehrheitlich Keith und nicht Ronnie.
zB auf der Emotional Rescue; auf dem Hammer Opener -welches er mitkomponiert hat und auf dem Titelstück zB spielt er Bass. Aber es stimmt. Keith spielt auf nahezu jedem Album auch Bass.