laut.de-Kritik
Blaupause für ein Nu Metal-Revival.
Review von Mirco LeierBring Me The Horizon sind eine Band, deren einzigartige musikalische Entwicklung höchstens von einem Chamäleon-Projekt wie Ulver in den Schatten gestellt wird. Immer wieder sind Leute schockiert, wenn sie erfahren, dass die gleichen Pop-Rocker die mit "amo" die Chartspitze knackten, früher grenzdebilen Deathcore ins Mikro rülpsten. So sehr das Frühwerk der Briten aber zum Davonlaufen ist, so beeindruckend ist die anschließende Kehrtwende, für die "Sempiternal" 2013 die Weichen stellte.
Nach und nach entwuchs das Quintett seiner vor Teenage Angst triefenden Edgelord-Rolle, und mauserte sich mit "amo" und "Music To Listen To ..." endgültig zu einem versatilen und experimentierfreudigen Hybrid-Projekt, das andere Ansprüche hat, als Headliner auf der Warped-Tour zu sein. Wieso ich euch das alles erzähle? Weil "Post Human: Survival Horror" diese Entwicklung ein wenig auf den Kopf stellt.
"Dear Diary," lässt so unverblümt die Hosen runter, dass einem erstmal die Kinnlade runterklappt. Oli Sykes schreit nicht nur wieder, er schreit mit so viel Energie, wie er es seit gut und gerne zehn Jahren nicht mehr tat. Und das klingt erstaunlich gut. Nach "Music To ..." war mit wirklich allem zu rechnen, aber nicht mit einer so traditionellen Rückkehr zur ihren metallenen Wurzeln.
"Survival Horror" mag erstmal vor den Kopf stoßen. Dabei vereint das als EP getarnte Mini-Album aber alle Elemente, die BMTHs Musik in den letzten Jahren so interessant machten: Die Aggression und das catchy Songwriting von "Sempiternal" treffen auf die Melodik und die elektronischen Elemente ihrer letzten beider Alben. Das Ergebnis sind knappe 30 Minuten Material, die dem eingestaubten Nu Metal der 2000er ein zeitgerechtes Update verleihen und gleichzeitig das schaffen, woran Korn, Linkin Park und all die anderen Urväter des Genres in den letzten Jahren so sang- und klanglos gescheitert sind: Spaß machen.
Die Briten machen gar keinen Hehl daraus, dass sie von jenen Bands inspiriert sind. "Teardrops" klingt wie ein "Hybrid Theory"-Überbleibsel, und das Dubstep inspirierte "Itch For The Cure (When Will We Be Free)" zollt offensichtlich der darauf zu findenden "Cure For The Itch"-Interlude Tribut. Anstelle jedoch nur zu zitieren, drehen Bring Me The Horizon die kreativen Regler auf Anschlag und beweisen, dass diese Art von Metal sein Haltbarkeitsdatum keineswegs überschritten hat.
Das Pandemie-Epos "Parasite Eve" ist ein schönes Beispiel dafür. Schon direkt zu Beginn beschwört ein bulgarisches Chor-Sample eine verheißungsvolle Stimmung, die sich im apokalyptischen Sounddesign später weiter manifestiert. "Please remain calm, the end has arrived": Robotische Ansagen über den Klang von Sirenen führen zum Klimax, der sich in einem Breakdown in bester Chester Bennington-Marnier entlädt. Die infektiöse (haha) Hook und das düstere Songwriting bilden das grundsolide Gerüst des Song, es sind die Nuancen und die Liebe zum Detail, die ihm Charakter verleihen.
"Obey" und "1x1" bieten weniger tonale Spielereien, trumpfen stattdessen mit Melodien und starken Features - ich hätte ja niemals in meinem Leben gedacht, Yungblud zu loben, aber sein animierter Charakter funktioniert hier tatsächlich wunderbar. Selbst in seinen formelhaftesten Momenten steht "Survival Horror" seinen Vorbildern in nichts nach. Am besten ist die EP dennoch, wenn sie aus allen Rohren feuert. Was "Kingslayer" zum absoluten Highlight, und einem der besten Songs des Jahres macht.
Der Kontrast zwischen Babymetals zuckersüßer Hook und Sykes, der tollwütig um sich schreit, klingt, als hätte sich Hatsune Miku auf's Full Force Festival verirrt. Das Keyboard läuft Amok, die Gitarren spielen mit dem Drumpad um die Wette und am Ende versinkt alles in der tonalen Matrix. "This is your wake up call, We're going down the rabbit hole": Es glitcht, es singt, es kreischt, und es macht unfassbar viel Spaß.
Wer die Fusion BMTHs musikalischer Qualitäten auf knappe fünf Minuten konzentriert hören will, der ist mit "Ludens" bestens bedient. Von "There's A Hell, Believe Me I've Seen It, There’s A Heaven Let's Keep It A Secret" bis "Music To Listen To ..." finden sich einzelne Versatzstücke, die wie so oft größer und besser als die Summe ihrer Teile sind. Es ist gewissermaßen die Blaupause für "Survival Horror": Eine Killer-Hook, ein knochenberstender Breakdown und experimentierfreudige Instrumentation.
Nur ganz am Ende greift diese Erfolgsformel nicht mehr. Der Amy Lee assistierte Closer versinkt über große Strecken im Pathos und scheitert am Versuch, die EP in einem balladesken Grande Finale enden zu lassen. Bring Me The Horizon haben mit "Post Human: Survial Horror" einiges geleistet, aber Evanescence 2020 cool klingen zu lassen, war dann wohl doch eine Nummer zu groß.
16 Kommentare mit 39 Antworten
Gott, ist das scheiße. Das ist die Art von Nu Metal, die ihn en gros zurecht zur musica non grata hat werden lassen.
Definitiv. Ich glaube, wir werden seit Jahren von der Redaktion getrollt.
Oder Laut.de setzt auf Kinderarbeit, wie es sich heutzutage für ein deutsches Unternehmen gehört.
Was hörst du eigentlich so, Chris? Sehe dich hier immer nur meckern. ????
Kool G Rap , Bambataa und Kool Herc, alles Andere ist ihm zu newscholl.
+o -l
Du hast Rappers Deutsch vergessen Und den "Charlies Laden Rap" von GZSZ
"[...], alles Andere ist ihm zu newscholl."
...denn der alte Mehmet, also wahrscheinlich der er vor seinem Ausflug in die Königinnendisziplin der Kommentarspalten-Kommentator*innen - dem deutschen öffentlich-rechtlichen TV - war, soll ja nicht zuletzt pseudokredibilen Quellen wie Moritz Bleibtreu zufolge großer Popkenner und Neue-VÖ-Checker sein...
Ja, aber "it's not unnewscholl to be loved by anyone"... deshalb verstehe ich die Kritik nicht
...aus dieser Kritik spricht ja lediglich unsere Sorge, du könntest dich vielleicht auf deinem Pappteller wundliegen, wenn du dich nicht ab und an mal ein bisschen zur Seite bewegst und über den Rand desselben hinausblickst
...mal abgesehen davon: Dass diese Variante des Nu Metal ein Schmerz im Ohr ist, siehst du ähnlich, oder?
Ich noch nie (bewusst) ein Stück von BMTH gehört und dachte eigentlich immer, die machen (nur) Metalcore.
Ist doch hier eingebettet. Viel Vergnügen und eine fixe Regeneration
Ich finde das gar nicht scheiße.
Ich bin absoluter Fan dieses (Mini-)Albums. So erfrischend klang "Metal" für mich schon lange nicht mehr. Ich feire auch den Abschluss mit Amy Lee, weil die Idee dahinter einfach richtig gut ist (Ballade zwischen Natur und Menschheit). Läuft bei mir auf Heavy Rotation. Ps: In meinen Teenie-Jahren war ich ein BMTH-Hasser... Wie sich die Zeiten doch ändern...
Aufgepasst, Schwinger. Eine neue copy-paste-Geschichte für dich
pflichtgemäß berücksichtigt
Halt irgendwo noch Koks einfügen.
Finde das Album eig. ziemlich geil. Natürlich vor allem Ludens von Death Stranding.
Das album hat mir dieses jahr am meisten spaß gemacht. Einfach nur spaß, Musik kann doch toll sein
"Musik kann doch toll sein"
Echt? wowser
Ja
Gefällt mir auch ziemlich gut, vor allem die offensichtliche Linkin Park Hommage.
Ich frage mich nur, warum das auch die Kritiker, die sonst in den langweiligen Nu Metal-Bashkanon einsteigen, jetzt so abfeiern. Was machen BMTH so großartig anders, dass die jetzt als die Zukunft des Rock betitelt während ähnlich klingende Bands weiterhin diffamiert werden?
Ok ich glaube ich kenne kaum eine abwechslungsreichere EP wo sowohl echt heftige Bretter wie "Kingslayer" oder "Dear Diary" drauf sind als auch Linkin Park Referenzen wie "Teardrops" oder "1x1" dazu kommt noch die emotionale Ballade "One day the only butterflies left will be in your Chest as your march towards your Death" kurz gesagt ich finde diese EP geil und sie bekommt von mir 10/10 Punkte