laut.de-Kritik

Der African Giant wächst noch ein Stück.

Review von

Burna Boys letztes Album "African Giant" wurde Anfang 2020 für den Grammy als Bestes Weltmusik-Album nominiert. Der Preis ging schlußendlich an die beninische Afropop-Sängerin Angélique Kidjo, was in zwei Aspekten einen Einschnitt bedeutet. Zum einen zeigte sich Burna Boy schwer enttäuscht, dass ihm diese Anerkennung verwehrt blieb. Zum anderen verdeutlicht die Kategorisierung, wie Musik aus Afrika auch 2020 noch über einen Kamm geschert wird, wie alles nicht-europäisch-amerikanische gerne in der pittoresken Kategorie "Weltmusik" gesammelt wird. Der Afrofusion des Nigerianers ist schwer zu fassen, vereint aber eindeutig Elemente des Hip Hop, Reggae und Pop, um in den Kategorien der Grammys zu bleiben.

Dabei etablieren sich afrikanische Musiker seit Jahrzehnten, auch in der westlichen Hemisphäre. Fela Kutis Leistung als musikalischer Visionär wird allgemein anerkannt, ganz aktuell ist der ghanaische Dancehall-König Shatta Wale auf einem Lied mit Beyoncé und Major Lazer vertreten, vor einiger Zeit hat Davido mit Chris Brown zusammengearbeitet. Diese Szene löst sich dabei mehr und mehr von amerikanischen Vorbildern und definiert sich selbst. Auf dem afrikanischen Kontinent und in der Diaspora haben sich längst eigene Strukturen gebildet, eigene Stile, eigene Labels. Das fünfte Album von Burna Boy führt diese Entwicklung logisch fort und ist an keiner Stelle anbiedernd, gemäß seinem Anspruch als Riese begegnen sich Künstler auf Augenhöhe, wenn Burna Boy mit Chris Martin, Stormzy oder Naughty by Nature kollaboriert.

Dieser Anspruch des alle überragenden Riesen verdeutlicht auch der erste Titel "Level Up (Twice As Tall)". Über Pat Boone geht der Song in reduzierten Rap über, zusammengehalten durch eine Souleinlage von Youssou N'Dour. Beginnt Burna Boy noch mit Erzählungen seiner Fehlschläge, schließt er seinen Vers mit "If you think it's over, then you must be drowsy. I'm a motherfucking legend and I say it proudly". Co-Produzent Diddy spannt durch eindringliche Worte den Bogen zu "Alarm Clock". Der Afrobeat-Song soll die Hörerschaft für alles aufrütteln, was Damini Ogulu noch zu erzählen hat.

Und das ist einiges. Burna Boy transzendiert fließend zwischen eigener Größe und dem Kampf gegen die Zustände, die ihm und schwarzen Menschen weltweit diese absprechen wollen. "Monsters You Made" findet deutliche Worte gegen Ausbeutung, gegen koloniale Kontinuitäten, ohne dabei in Ohnmacht zu verfallen.

"It's like the heads of the state
Ain't comprehending the hate
That the oppressed generate
When they've been working like slaves
"

As Ahnherr des Afrobeat, Panafrikanist und Sozialist kann niemand dieses Thema so gut einläuten wie Fela Kuti. Seine Rede, die dem Stück vorangestellt ist, greift die Aussage von Burna Boy vor. Ungerechtigkeit und Marginalisierung führe zu Radikalisierung, jeder Tritt nach unten ende mit Widerstand. Auf dem Song selbst überrascht dann jedoch ein anderes Feature: Chris Martin. Der Stadion-Pomp von Coldplay soll die Botschaft einem breiten Publikum erschließen, gibt Burna Boy offen zu. Die Balance zwischen Eingängigkeit und radikaler Botschaft könne nur Chris Martin liefern. Tatsächlich hat der Song Pop-Appeal, allerdings nimmt Martins "That there's only so much that you can take
La-di-da-da-do-di-da-da-do-day
" dem Ganzen ein wenig die Ernsthaftigkeit.

Neben Englisch für das Weltpublikum setzt Burna Boy auf Yoruba und nigerianisches Pidgin. "No Fit Vex" bedeutet "Kein Böses Blut", auf einer Mischung aus Dancehall und Hip Hop besingt er hier die großen und kleinen Hürden des Alltags. Ein seichterer Titel, der an Ogulus Frühwerk erinnert. Immerhin war sein erster Hit "Like To Party".

Auch "23" mischt die drei Sprachen, die einmal die Internationalität, aber immer auch den Spagat aufzeigen, den Burna Boy hier meistert. Der Titel ist eine Hommage an Michael Jordan, der wieder das Thema des Riesen aufbringt. "The music make me feel I be Jordan" vergleicht sich der Musiker bezeichnend unbescheiden. Ruhig sind dagegen die Klavierbegleitung und die Percussions, die Ogulus Stimme viel Raum geben.

Die panafrikanische Party feiert "Time Flies" mit den Kenianern Sauti Sol. Zum westafrikanischen Afrobeat gesellen sich ostafrikanische Rumba-Rhythmen und Swahili-Verse. Burna Boy lädt zum Tanz und man muss schon arg verkopft sein, diese Einladung auszuschlagen.

Auf dem Closer "Bank On It" offenbart der Gigant noch mal seine verletzliche Seite und macht sich damit nur größer. Der moderne Gospel-Dancehall reminisziert Ogulus eigene Verletzlichkeit und erinnert an Pop Smoke. Ogulu war nur wenige Straßen entfernt, als der Rapper in Los Angeles erschossen wurde, was ihm die Unwägbarkeiten des Lebens vor Augen geführt habe.

"Twice As Tall" glänzt, wenn Burna Boy sich voll seinem Experimentiergeist hingibt. Die klassischeren Nummern wie "Onyeka (Baby)" und "Bebo" funktionieren, haben aber wenig Charakter. Somit bleibt neben der grandiosen Eröffnung vor allem die zweite Hälfte des Albums im Kopf, die sehr viele positive Überraschungen beschert. Burna Boy jongliert hier zwischen Einflüssen und Kontinenten, ohne sich anzubiedern oder eine Seite zu vernachlässigen. Das Album zeigt die kreative Reise eines selbsternannten Riesen, der immer weiter wächst.

Trackliste

  1. 1. Level Up (Twice As Tall) (feat. Youssou N'Dour)
  2. 2. Alarm Clock
  3. 3. Way Too Big
  4. 4. Bebo
  5. 5. Wonderful
  6. 6. Onyeka (Baby)
  7. 7. Naughty by Nature (feat. Naughty by Nature)
  8. 8. Comma
  9. 9. No Fit Vex
  10. 10. 23
  11. 11. Time Flies (feat. Sauti Sol)
  12. 12. Monsters You Made (feat. Chris Martin)
  13. 13. Wetin Dey Sup
  14. 14. Real Life (feat. Stormzy)
  15. 15. Bank On It

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