laut.de-Kritik
Einen Fuß auf der Straße, den anderen im Musikantenstadl.
Review von Mirco Leier"CB7" prangt in blutroter Schrift auf Billo-Marmor-Optik. Das Cover zeugt von fast schon unverschämter Gleichgültigkeit. Für den Vorgänger nahm sich Capital Bra wenigstens noch die fünf Minuten Zeit, um seine verqualmte Fratze ablichten zu lassen. Sein siebtes Solo-Album stellt nun vollends die Marke in den Mittelpunkt, und zu der scheint die Visage des gebürtigen Ukrainers schon gar nicht mehr dazuzugehören.
"CB7" ist das musikalische Äquivalent eines neuen iPhones, die dazugehörige Promo-Phase vergleichbar mit einer Apple Key-Note. Es ist vollkommen egal, mit welchen Neuerungen Apple und Capital Bra um die Ecke kommen, letzten Endes genügt die schiere Existenz ihrer Produkte, um Groß und Klein (vor allem Klein) die Socken auszuziehen.
Dabei könnte man eingangs sogar meinen, dass der Bratan sich auf alte Stärken besinne. "Makarov Komplex II", die namentliche Fortsetzung seines zweites Studioalbums, hat aber nicht mehr wirklich viel mit dem hungrigen Newcomer von einst gemein. Trotz bewährt aggressiven Flows fehlen dem Berliner der Hunger und die lyrische Finesse. Zeilen wie "Ich bin zugekokst mit Nutten im Hotel und lass' mir ein'n blasen. Du musst mit 'ner Nutte einschlafen" stehen stellvertretend für ein Album, dessen Autor einen Fuß auf der Straße und einen im Musikantenstadl hat.
Man hört nicht nur dem Opener an, dass Capital fünf Songs pro Nacht aufnimmt, wie er selbst behauptet. Wie satt er tatsächlich ist, wird einem aber erst bewusst, wenn man sich dem ganzen Album-Erlebnis hingibt. 21 Songs, knapp eine Stunde Laufzeit, und absolut nichts, das hängen bleibt. Vladislav Balovatsky scheut nicht davor zurück, sich an neuen Sounds auszuprobieren, was zur Folge hat, dass ein Karriere-Tiefpunkt den nächsten jagt.
Die Feature-Liste liest sich wie das Who-Is-Who des schlechten Geschmacks. Capital versammelt den Bodensatz der deutschen Musikwelt und drückt ihnen allen seinen einzigartigen Bratan-Stempel auf. Es ist erschreckend, welche Bandbreite der Berliner hier abdeckt, ohne auch nur einmal wirklich seine Komfortzone zu verlassen. Das ist sicherlich auch einem Stück weit Beatzarre und Djorkaeff geschuldet, die jede noch so interessante Idee bis zur Unkenntlichkeit verwässern.
Das hat zur Folge, dass der der ehemalige "Rap Am Mittwoch"-Battler vermehrt wie ein Fremdkörper in seinen eigenen Songs klingt. Irgendwo in "Andere Welt", "Frühstück in Paris" oder "Virus" stecken halbwegs akzeptable Pop-Songs, die aber spätestens nach der zweiten Hook alle von Capital höchstpersönlich den Gnadenstoß versetzt bekommen.
Selbst "Gestört Aber Geil", ein Song, der spaßigen Rummelbums verspricht, kommt nicht über komatöses Großraumdisco-Niveau hinaus. EDM ist von Natur ein wenig aufregendes Genre, aber ich kann micht nicht erinnern, wann es je so leblos und blutleer vorgetragen hörte wie hier.
Den absoluten Nullpunkt markiert allerdings "Ich Weiß Nicht Mal Wie Sie Heißt". Das Bozza-Duett, klingt nach Modus Mio auf dem Dorffest, nach Bierbank-Surfen mit Bauchtasche und reichlich Tilidin im Blut. Es ist einer dieser Songs, bei denen einmaliges Hören genügt, um einen bleibenden Schaden zu hinterlassen.
Tritt Capi solo in Erscheinung, gibts entweder Liebesgesülze, bis die Ohren bluten, oder Straßenrap, der zahnloser nicht sein könnte. Das Ganze formt am Ende der 60 Minuten einen solch uniformen Brei aus "Lelele" und "Bang Bang", dass es schwerfällt, sich überhaupt an einen Song im Detail zu erinnern. Das kann man angesichts der Abgründe, die sich bei genaueren Hinhören auftun, fast schon positiv werten.
"Komm Komm", das einzige wirkliche Highlight, geht inmitten dieses wirren Potpourris sang- und klanglos unter. Der Song hat nicht nur den besten Beat der gesamten LP, er liefert auch ein Paradebeispiel, wozu ein Capital Bra fähig ist, wenn er nicht mit beiden Augen Richtung Chartspitze schielt. Da "CB7" diese allerdings erneut problemlos erklommen hat, wird sich der Fokus des Bratans mit großer Sicherheit auch zukünftig nicht ändern, zum Leidwesen der deutschen Musiklandschaft.
"CB6", das immer noch als Mahnmal über der Modus Mio-Playlist thront, öffnete letztes Jahr die Tür für die Marke Capital Bra, seitdem nimmt deren Omnipräsenz fast schon beängstigende Züge an. Selbst aus der Kühltruhe lacht einem der Berliner mittlerweile entgegen. Sicherlich ist es zu einfach, den Patienten Zero des "Lelele"-Bazillus für alles verantwortlich zu machen, das im Deutschrap falsch läuft. Aber spätestens seit "CB7" stehen seine Initialen synonym für einen Arbeitsethos der Übersättigung, der im deutschen Sprechgesang gerade Hochkonjunktur hat.
Dass Capital Bra ein hervorragender Unternehmer ist, steht außer Frage. Aber von einem Steve Jobs ist er dann noch meilenweit entfernt. Der sagte einmal: "Quality is more important than quantity. One home run is much better than two doubles." Bei aller Liebe, wer drei Alben von solcher Qualität in einem Jahr veröffentlicht, der wird, Verkaufszahlen beiseite, Schwierigkeiten haben, jemals einen Home-Run zu landen. Daran werden auch "CB8", "CB9" und "CB10" nichts ändern.
14 Kommentare mit 41 Antworten
Alter Schwede...wenn Cro und Clueso noch die respektabelsten Features sind - uff! Hoffentlich hat es sich bald ausgebrat.
Wundert mich, dass Du da jetzt nicht Sido genannt hast.
Aber das wird leider Wunschdenken bleiben. Dieser Trottel wird uns wohl noch einige Zeit mit seiner Sonderschul-Kunst "begeistern".
Sein Teledin-Interview war aber ne gute Sache, das muss man ihm zu Gute halten, da hat er sich richtig nackt und angreifbar gemacht.
Aber ansonsten halt unerträglich in seiner Gesamtheit.
Teledin-Interview...lösch Dich bitte, lautuser!
Für den Fall, dass Du nur mal wieder unwissend geochst hast, das hier ist gemeint:
https://www.youtube.com/watch?v=Rga-eJD3HyI
Manchmal frage ich mich wirklich...NIEMAND ochst hier, lern Du einfach mal Dinge richtig zu schreiben, du Spargen!
Bitte nicht aufregen, woher soll ein unbedarfter August wie ich wissen, wie sich dieses Schmerzmittel schreibt.
Naja, du hast dir ja anscheinend das Video angeschaut und es auch hier nochmal verlinkt, da könnte man ja davon ausgehen, dass Du Dich - zumindest oberflächlich - damit auseinandergesetzt hast.
Ja. Aber auf die Schreibweise habe ich halt nicht geachtet. Haste mich erwischt, Alde! Dennoch Augenkuss für Bruder Ochse, sollte klar sein.
Nach dieser Tour de Ochs bleibt MannIn jetzt eigentlich nur noch die Selbstlöschung übrig.
Gleep, Du Intelligenz-Bestie! Neulich mein Sonderlob für Dich mitbekommen?
Sei bitte nachsichtig mit good old Ochs, er ist doch Teil von laut.de und seiner Geschichte!
Ja, schon, Danke für die Blumen.
Und der Ochse sollte natürlich nur ein bisschen gestichelt werden, damit er es sich nicht allzu gemütlich macht.
Wie schon bei Fabio: 1/5 für Deutschrap Sondermüll!
Für mich läuft das gar nicht mehr unter Rap, das ist eher moderne Popmusik, so wie Hayiti etc. ... Radiopop im schlimmsten Sinne. Und weil dieser immer schon scheiße war, isses halt auch scheiße
Schwanke bis jetzt zwischen CB7 und Tattle Tales als schlechtestem Album 2020.
Bratans aus Favelas 2?
Hab ich mir noch nicht angehört, kommt noch
Ich würde es an CB7 geben, Tattle Talez hatte wenigstens ein paar okaye Lieder, die gut klingen. Der Bratan versaut mit seinem Nicht-Flow und der komischen Stimme mittlerweile jeden Beat.
dieses schöne Gefühl, wenn man Tattle Tales erst googlen muss, weil man keine Ahnung hat, wovon ihr "redet"...
der titel "brantans aus favelas" ohne worte.
Der einflussreichster Sänger seit Kevin Russell. Beide hatten Erfolg, eine wahre Message, prägten eine ganze Generation und waren bei Neidern verhasst.
Kevin Russell kennt manch einer aber auch nur flüchtig...
Und zum OP: Löschung augenblicklich einleiten.
Sehr sehr schlechte Ausrichtung.
... und beide haben schonmal ihre Fahrerlaubnis verloren...
Und was ist des Bratans Message?
Wohl eher vergleichbar mit der Tokio Hotel- und LaFee-Welle. Das war vor zehn Jahren noch auf dem Schulhof in. Und dass ich mir diese Zeiten sehnlichst zurückwünsche, spricht wirklich Bände. Manche glauben ja noch immer, alles was in die Charts kommt, ist mega. *hust hust Dieter Bohlen hust*. Mittlerweile ist eigentlich nahezu alles, was in die Charts kommt, Schrott und der Rest ... besser.
CB7 ist das letzte Album, was Capital Bra während seiner Hypezeit veröffentlich hat. Die Single "Frühstück in Paris" ist bis dato sein letzter Song, der Platz 1 in den deutschen Charts belegte.
Wie so viele der letzten Capital Bra- Alben scheitert es an dem Prinzip "Quantität vor Qualität"- würde man das Album auf 12 Songs reduzieren und sich auf düstere, teils aggressiv gerappte (z.B. Makarov Komplex II) und teils melancholisch performte Songs (z.B. Seitdem ich klein bin) beschränken, hätten wir es hier mit einem soliden Album zu tun.
Stattdessen besteht es zur Hälfte aus überflüssigen, repetetiven, sommerlichen Xylophon-Sounds. Schade!