laut.de-Kritik
Tränen verwischen Fat Mikes Clownschminke.
Review von Stefan MertlikDie mit Abstand tragischste Figur im Zirkus ist der Clown: Ein zum gutgelaunt sein verdammter Harlekin, dessen Make-Up von Tränen verwischt wird. NoFX-Frontmann Fat Mike schlüpfte per Alter-Ego Cokie The Clown erstmals 2010 in diese Rolle. Geschminkt saß er auf der Bühne des South by Southwest Festivals und erzählte traurige Geschichten von der Beerdigung seines Vaters, vom Todeswunsch seiner Mutter und von einer Vergewaltigung, die er sich als Jugendlicher nicht traute zu verhindern. Das zog er trotz respektloser Zwischenrufe mit viel Geduld und Alkohol durch.
Neun Jahre später erscheint mit "You‘re Welcome" das erste Soloalbum als Cokie The Clown. Bereits das Cover verrät, dass es darauf nicht weniger freudlos zugeht. Mit seinen eigenen Händen erhängt sich der Protagonist und schwebt dadurch im Raum. "You're Welcome" taucht tief in die Psyche eines Mannes ein, der mit seinen 52 Jahren zu viel erlebt hat, um nicht upgefuckt zu sein. Diese Platte ist Schocker und Vergangenheitsbewältigung zugleich.
"Ethics turned to instinct, and prim into respect / I grinded 20 Oxy’s and 30 Percocet, I was told that would be more than enough", singt Fat Mike auf "That Time I Killed My Mom" über die Sterbehilfe für seine Mutter. Geigen und Klavier verwandeln dieses und den Großteil der restlichen Lieder in schwer verdauliche Musik, die sich weder für die Hintergrundbeschallung noch für den bevorstehenden Festival-Sommer eignet.
Bereits der Opener "Bathtub" gibt eine inhaltliche Marschrichtung vor. Darin singt Mike über die Vorstellung, aufzuwachen und die eigene Frau mit einer Drogenüberdosis in der Badewanne vorzufinden. Um drei Uhr in der Nacht nahm er den Song alleine in seiner Küche auf. Und so intim klingt er auch. Mikes Stimme ist brüchig, schmerzerfüllt und alles andere als eine Tutorenbewerbung für eine Gesangs-Masterclass. Die beschränkten Fähigkeiten seiner Stimme funktionieren auf lauten Punkrocksongs, klingen auf den bedrückenden Stücken aber häufig ungewollt komisch.
Fat Mike verzichtet fast gänzlich auf den Bierbong-Sound seiner Hauptband. Stattdessen stülpt er seinen traurigen Geschichten das passend theatralische Klanggewand über. Zwar darf Travis Barker hier und da trommeln und Dizzy Reed von Guns N' Roses in die Tasten drücken, doch den musikalischen Hauptteil übernimmt der französische Musiker Baz. Auf Mikes Radar erschien dieser 2015 durch eine Symphonie-Version des NoFX-Songs "The Decline".
Mit "Fuck You All" und "Punk Rock Saved My Life" enthält die Platte dennoch zwei Stücke, die mit Schlagzeug und Gitarre NoFX-Luft schnuppern. Mike sagte schon vor Veröffentlichung, dass die Leute "You‘re Welcome" trotzdem hassen werden. Die Sorge muss er nicht haben, denn dafür ist das Album ein zu faszinierender Seelenstriptease, bei dem man sich nicht entscheiden kann, ob man gafft oder betroffen ist.
1 Kommentar
Die Scheibe bekommt überall Bestnoten. Ich muss gestehen, dass ich NoFx nicht kenne. Dementsprechend unvorbereitet habe ich das Album angehört. Bis heute habe ich es nicht geschafft, dass Album komplett durch zu hören. Was zum Einen an den krassen Texten hängt und zum Anderen am Gesang, welchen man nicht als solchen bezeichnen kann. Die Mucke ist definitiv ein harter Brocken.