laut.de-Kritik
Schwyzerdütscher Offbeat-Sommerspaß
Review von Philipp KauseDie deutschsprachige Schweiz hat sowohl eine lebendige Szene an Reggae und Dancehall als auch speziell mit Texten auf Schwyzerdütsch. Während manche Acts dieser interessanten Sprach-Beat-Kombination mehr auf echte Instrumente setzen, andere auf glatte Laptop- und Synthie-Beats, balanciert Collie Herb zwischen diesen beiden Klangfarben. "Zum Reggae i drr Schwyz bin i scho Veteran" meint der 33-jährige Sänger im Song "Moves" und empfiehlt: "Diskutier net mit mir über Autotune und Trap!" In seinem "Collieversum" toastet der Künstler aus dem Kanton Solothurn in der Nordwestschweiz zu harten Riddims, wie in "Raggamuffin Flow", setzt aber auch weiche Bläser-Akzente ein, so zum Beispiel im Soul-Reggae "Ready". Weibliche Gaststimmen kommen nicht zu kurz auf diesem Album, sorgen für eine bunte Kulisse und laszive Momente.
"Ready" zählt so auch zu den Liebesliedern, während einige Nummern sich lyrisch auf den Lebensstil der Fremdbestimmung im Kapitalismus der Social Media-Ära beziehen. Gegen Selbstdarstellung setzt das "Collieversum" auf Selbstachtung, Glauben an die eigenen Talente ("Forever") und darauf, dass sonnengespeistes "Vitamin D" einfach mehr Lebensqualität bringt als ein fett gefülltes Bankkonto ("Es Lauft") oder gar Gier und Neid ("187 Uf Mis Ego") oder das alltägliche Hamsterrad ("Optione"). Ein Klassiker der Rasta-Philosophie: Die besten Dinge im Leben sind demnach gratis erhältlich. Der karibisch groovende Rocksteady "Nice Try" pflegt hohe Tastentöne, dominantes Schlagzeug, 60er-Harmonien und den Stimmenkontrast zwischen Patrick a.k.a. Collie Herb und Lea, einer Sängerin aus dem Jazz-Milieu.
Tanzbar heben sich "Moves" und das ganz dezent dubsteppige, electrosphärische, Grime-Flair saugende "187 Uf Mis Ego" hervor. Hierzu trägt Gaststimme La Nefera einige Parts auf Spanisch bei. (Die Rapperin ist zwar im Raum Basel aufgewachsen, stammt aber ursprünglich aus der Dominikanischen Republik.) In die Afrobeats-verwandte Elektronik, wie sie heute in Nigeria üblich ist, steigt dann "Es Lauft" ein und stellt die neo-liberale Ideologie der Selbstregulierung des Marktes in Frage. Daran, dass Hip Hop mal geschichtlich sowohl von Funk und jamaikanischen Soundsystems profitierte, erinnert "Optione". Das Schlussstück sprüht vor Latin-Funk-Vibes und kombiniert Sing-Jaying mit souligen Background-Vocals und bläserversetzten funky Bass-Grooves. Collie Herb zieht mit in sein eigenes Universum, das die Offbeats so frisch, fröhlich und farbenfroh wie möglich malt und im Mid- und Uptempo-Sog auf Balladen und Gejammer verzichtet. "Collieversum" macht Spaß, weil es Verschiedenes ausprobiert, in den kurzen Stücken schnell auf den Punkt kommt und, auch wenn man mal nicht jedes Wort verstehen sollte, schnell ins Ohr geht.
1 Kommentar
Wicked, was für ein Album! Warum hatte ich den noch nicht auf dem Schirm? Danke für den Tip! ????