laut.de-Kritik
Texte fürs Formatradio, Sounds für Liebhaber.
Review von Anastasia HartleibNach gut vier Jahren Sendepause spielt sich Cro mit seinem vierten Studioalbum "Trip" erneut auf die Bildfläche der deutschen Musiklandschaft. Und es wirkt so, als würde er mit dem Doppelalbum eine Weile dort bleiben. Das Absurde daran: Man könnte fast meinen, das wäre nur bedingt gewollt.
Wie das Cover andeutet, besteht "Trip" aus zwei Hälften. Der erste Teil des Albums, der unter dem Namen "Solo" läuft, erfüllt das Stigma des Cro-Sounds bis zur letzten Note. "Alles Dope", alles "Nice!" und "Good Vibes" wo man nur hinhört. "Babe" ist am Start, die Anglizismen ebenfalls, und dazu kommen Hooks, die ihrem Namen mehr als nur gerecht werden. Eigentlich jeder Song auf "Solo" hat das Potenzial dazu, den Sommer heavy zu rotieren. (Außer vielleicht "Hör Nicht Auf", auf dem Featuregast Teesy gleich zu Beginn seines Parts die Blaupause für bedeutungsschwangere Inhaltsleere im Deutschen Pop/Rap liefert: "Ich meditier und schlaf und ich rauche nicht mehr / Produkte sind Müll nein ich kauf sie nicht mehr." Die Line versaut einem glatt sämtliche Good Vibes - und das will was heißen, in Anbetracht des Albums. Aber dazu gleich mehr.)
Musikalisch gesehen wäre diese Dauerbeschallung gar nicht mal so übel. "Solo" ist klar durch Daft Punk geprägt - auch darauf gibt das Cover einen Hinweis. Mit warmen Synths und organischen Basslines vereinnahmt das Album den Sound der erst kürzlich aufgelösten Kultband - Elektronisch, funky und verdammt catchy - ohne dabei anbiedernd zu wirken.
Eigentlich muss man feststellen, dass das uneingeschränkt für das gesamte instrumentale Portfolio Cros gilt. Seine Stücke bieten Verweise über Verweise auf die Wegweiser der musikalischen Pop-Kultur - quer durch alle Genres. Die Beats bieten den Tiefgang, den nur ein passionierter Musiknerd liefern kann. Dazu kommen eingängige Singsang-Melodien, die mit dem Instrumental arbeiten, sich wie eine weitere Tonspur naht- und mühelos in das Gesamtbild einfügen. Vermutlich liegt hierin das Geheimnis der Cro-Rezeptur: Texte fürs Formatradio, Sounds für Liebhaber.
Auch wenn "Trip" eine musikalische 180°-Drehung hinlegt, bleibt die Rezeptur erhalten. Der zweite Teil des Doppelalbums ist deutlich roher, wilder. Weg von Daft Punk, hin zu Tame Impala. Das leidende Herz des Psychedelic Rock wird freigelegt und darf sich austoben. Cro geht dabei ziemlich clever vor, gibt seinen Hörern mit dem titelgebenden Track eine Art Übergangsphase, in der sie sich zunächst einmal in die neue Umgebung einfühlen können. "Endless Summer" macht den Übergang leichter, zeigt sich mit einer Khruangbin-ähnlichen Leichtigkeit, bevor die spirituelle Psychedelik die Narration übernimmt. Das Soundbild steht Cro überraschend gut, auch weil er nicht den Anfängerfehler begeht, es in die klassischen Popsong-Strukturen von Strophe-Bridge-Hook zu zwängen. Er lässt die Musik atmen, sing wo es passt und hält dort die Klappe, wo es nötig ist.
Der inhaltliche Flachgang schmälert den wirklich guten Eindruck des "Trip"-Teils, allerdings nicht so stark wie bei "Solo". Dass der Negativ-Effekt sich nicht ganz so intensiv auswirkt, liegt vor allem an drei Songs: "LMF2", "Hoch" und "Letzter Song". Die offenbaren nämlich, was das Doppelalbum auch ist - ein Konzeptalbum. Denn "Trip" verarbeitet den Werdegang einer Beziehung. Vom rosaroten Anfang, über das Sichtbarwerdens eines problematischen Gefälles zwischen den Beteiligten, hin zur Trennung und der Schwierigkeit, sich selbst nach einer kräftezehrenden Beziehung wiederzufinden - und zu lieben.
Dabei brechen die letzten beiden Songs mit dem Psych-Soundbild und verströmen eher Sido mit Mark Forster- als Woodstock-Flair, aber auch das macht inhaltlich Sinn: Der Selbstfindungstrip ist beendet, am Ende steht ein anderer Mensch. Eine spannende Reise, die sich erst mit seinen Ausläufern als solche zu erkennen gibt.
Bei all der Lobhudelei darf man allerdings nicht vergessen, dass inhaltlich doch nicht so viel passiert, wie die letzten beiden Songs den Anschein erwecken. Hinzu kommt, dass Cro weiterhin ein Weltbild zum Besten gibt, das ein ziemlich gestriges und durchaus problematisches Geschlechterbild propagiert. Zwar macht es im Kontext des Beziehungsalbums Sinn, dass sich 95% der Songs an das Du-Babe richten, allerdings ist es auch nicht so, als wäre das eine völlig neue Narrative für den Rapper/Sänger.
Cros fiktives Publikum ist immer weiblich, immer ein "Babe", das sich vor allem durch passives Schönsein auszeichnet. Babe lächelt, verdreht ihm den Kopf, Babe tanzt und macht ihn high, Babe sieht gut aus und sorgt so für Cros Glück. Das klingt aktiv - ist es aber nicht. Denn Babe MACHT genauso wenig glücklich, wie ein neuer Schuh oder ein neues Auto aktiv Freude bereitet. Wir machen uns glücklich, weil wir es kaufen und besitzen. Genauso verhält es sich mit Cros Babe. Weil Babe Cros Babe ist, ist er glücklich.
Das ändert sich, sobald Babe versucht, sich aus dieser beklemmenden Rolle eines Objekts zu befreien. Dann treibt sie manipulative Spielchen, spielt mit den Emotionen des armen Mannes, der seinem Babe doch einfach nur die Welt zu Füßen legen will und einfach nicht versteht, warum sie sich darüber nicht freuen kann. Siehe "Diamonds": "Ich begrab dich unter Diamonds und dein Atem wird schwer / doch lass ich dich schleifen kommst du an und willst mehr / dann sagst du mir ich lieb' dich und ich mag dich nicht mehr / erklär' mir dieses Spiel, bevor ich wahnsinnig werd'."
Die Befreiung aus der wortwörtlichen Atemnot wird zum Vorwurf, die männliche Gegenreaktion heißt Ignorieren und Erbostheit darüber, dass der Wechsel vom einen Extrem in das andere nicht als richtig empfunden wird. Böse Zungen könnten behaupten, dass hieran gut ersichtlich wird, woran die Beziehung scheiterte. Das Problem sind allerdings nicht die Worte selbst, sondern die Unbewusstheit, mit der sie in die Welt geschossen werden. Songs über und für, aber nie mit Babes, vorgetragen mit vermeintlich harmloser Lausbubelei, verpackt in einem wirklich tollen musikalischen Paket. Ein trojanisches Pferd mit künstlerisch wertvoller Außenhülle.
9 Kommentare mit 6 Antworten
Gute Review
Dieser Kommentar wurde vor 3 Jahren durch den Autor entfernt.
Joa. Dasselbe Problem wie schon auf "tru". Der Kerl hat musikalisch übelst Talent, aber leider ein komplett banales Leben zum drüber texten. Schade eigentlich.
Talent? Wenn es Talent ist immer das zu produzieren, was gerade in ist. Und damit meine ich eher als Mitläufer.
Klar ist das ein Talent. Schnelle Kohle mit Massenmanipulation, wer würde das nicht tun?
"Wir machen uns glücklich, weil wir es kaufen und besitzen. Genauso verhält es sich mit Cros Babe. Weil Babe Cros Babe ist, ist er glücklich."
Tatsächlich kam das Wort Babe oder Baby nervig häufig vor, ein asymmetrisches Geschlechterverhältnis würde ich da auch sehen, aber als problematisch würde ich es jetzt nicht bezeichnen. Am Ende spricht Cro aus der Ich-Perspektive und erhebt auch keinen universellen Anspruch darauf, was insgesamt positiv ist. Da würde ich ihn in Schutz nehmen und sagen, er nennt einfach nur seine Präferenzen.
Ansonsten gibt es nur ein Wort, was dieses Album beschreibt: Langweilig. Ehrlich gesagt sind mir nur der Song im Gedächtnis blieben, der Daft Punk ein wenig stärker abkupfert und sogar die Melodie von Digital Love stark entlehnt. Und der mit Friedberg. Cro kann ziemlich viel, aber seine Gesangsstimme ist bei weitem nicht so gut oder für die Indie-Sachen auf der zweiten Hälfte gemacht, wie er das glaubt. Um es übertrieben auszudrücken, es klingt für mich wie Helge Schneider, der mit seiner Knarz-Stimme versucht ein Metallica-Lied zu spielen. Und weswegen so viel Füll-Material auf der Platte ist, aber das einigermaßen gute "Fall Auf" nicht, erschließt sich mir auch nicht.
ah, der Künstler mit dem Kreuz auf dem Kopf, auf dem Kopf, auf dem ....
Endlich frischer visionärer, nobelpreisverdächtiger Raop vom Vorbild Kevin Parkers. Alles andere als 5/5 ist ein no-cro.