laut.de-Kritik
Das Requiem für eine Jugend ohne Welt.
Review von Rinko HeidrichMeinungen über die Soziologie der spätmodernen Gesellschaft gibt es einige, doch erstaunlich schlecht kommt dabei gerade die Generation Z weg. Sie sind doch noch so jung und sollten leistungsfähig sein. Was einen nicht umbringt, erzeugt Resilienz. Auch nach Pandemie, Krieg in Europa, Inflation und Dauer-Krisenmodus. So ungefähr der Blick auf die Generation Weichei. Euch geht es doch gut, oder?, fragen die Älteren, ohne größeres Interesse an der Antwort. Recht machen können es die jungen eh nicht. Tanzen sie auf Tiktok, sind sie hirnlose Influencer. Erzählen sie uns wie Culk von ihren dunklen Momenten, sind sie jammerige Heulsusen im spätkapitalistischen Wunderland.
Dabei geht die Band aus Wien schon in "Willkommen in der Hedonie" mit einer weltfremden Spaßgesellschaft hart ins jüngste Gericht: "The Happy End Is Near". Größtmögliche Vermeidung der Realität, Nostalgie und andere Verdrängungsmechanismen bleiben nun mal en vogue. Doch das große Unbehagen, das irgendwo in dieser auseinander driftenden Gesellschaft jeden Tag spürbar ist, bekommt zum (Un)glück wieder eine Stimme. Schon Sophie Löw, mittlerweile auch als Sophia Blenda bekannt, reagierte auf "Die neue Heiterkeit" mit Unverständnis auf diese entkoppelte Scheinwelt, nun folgt mit ihrer Band Culk eine weitere Beschreibung einer verfahrenen Situation. Die neuerliche Beschwerde der Post-Punk-Wave-Band trägt den Namen "Generation Maximum". Maximal am Ende, Maximal frustriert.
Warum also nicht auch die Flucht in die Nostalgie antreten? "2000" legt erstmal nahe, dass sie nun auch der Y2K-Begeisterung frönen. Das Jahr 2000, der so furchteinflößende, aber auch euphorische Start in das neue Millennium. Nicht einmal Sekunden nach dem Start ins neue Jahrtausend lagen sich Menschen in den Armen und lachten über die Möglichkeit des "Y2K-Bugs", ein fataler Computerfehler, der praktisch die Zählung wieder auf Null setzte. Katastrophen-Szenarien beschrieben den Ausfall ganzer Systeme und als Folge der Zusammenbruch der alltäglichen Ordnung. Krise war also immer, aber vergleichsweise kurz und entgegen aller Prophezeiungen harmlos. Ein bisschen Nervenkitzel gleich zu Beginn, von dem die Gen Z noch gar nichts mitbekam, zumal vielleicht ein paar von ihnen genau in dieser Silvesternacht gezeugt wurden.
Glückliche Menschen starrten gebannt auf die Raketen. Wie sie nach oben schossen und von der Gravität angezogen wieder nach unten fielen. "Vor dreiundzwanzig Jahren erhob sich ein Feuerwerk / Entleert sich im dunkelsten Blau, in kristallener Luft / Vom Himmel her tobt es hinein in das Land / die Nacht in der sich die Welt vermeintlich neu erfand / Alles viel zu viel und alles zu wenig / Warum wären wir hier nicht für immer und ewig / Ein neues Jahrtausend bewundert durch ein Feuerwerk / Was ist uns die Erde wert / Ein Feuerball der in unsere Richtung treibt". Als ob wir in dieser Nacht doch noch das Portal in eine neue, absolut dunkle Zeit öffneten, in der Culk und ihre Altersstufe nun überleben müssen.
So steht die "Generation Maximum" am Limit des Erträglichen, endgültig vor oder schon im Absprung begriffen aus dem Real Life. Wir bekommen die bittere Abrechnung präsentiert: "Ihr sucht in uns die Revolution / Bürgt uns auf, was ihr nicht leisten wollt / Wer sich heute nicht mehr wehrt / Wird übrig bleiben". Sophie Löws Gesang klingt dabei so resigniert wie Kurt Cobain, der Säulenheilige der Entmutigten, den man auch stets für seine apathisch vorgelegte Mumble-Interpretation kritisierte. Er schaute genau so ratlos und wütend auf seine Zeit. Betäubt von dem Unvermögen, noch großartig etwas ändern zu können.
Bei Tocotronic in ihrer Teenage-Angst-Phase der Neunziger hieß es noch: "Sie wollen uns erzählen", als sie auf den Leistungsdruck und die Überforderung nur müde mit Schulterzucken reagierten. In dem Stakkato-Mollton von Culk findet man ebenso eine Über-Traurigkeit, die wahrscheinlich durch jede Generation in diesem Alter dringt, aber früher gab es immer einen Fortschrittsgedanken und eine vereinende Utopie. Schwermut und Pessimismus kommen gerade in Deutschland gut an. Hier, so bemerkt die Band, haben ihre Konzerte den größten Zulauf. Im Land der German Angst fällt diese Art der tiefen Melancholie tatsächlich auf einen fruchtbaren Boden wie Betterov, Jungstötter oder auch Stella Sommer beweisen.
Schaut man die anderen Kollegen aus den Alpenrepubliken an, sieht man wirklich einen ziemlichen Unterschied zu dem immer etwas humorvollen Unterton von Bilderbuch oder dem leiwanden Sarkasmus von Kreisky, die Schweizer Nachbarn kommen mit Dagobert auch mit einem großen Augenzwinkern daher. Culk wirken dagegen sehr ironisch und ernst. So ein freudloser Abgesang wie "Goldenes Ticket, aber immer noch schlaflos / Du und ich inmitten von Krisenchaos / Und ich falle in Gedankenleere / Allein sind wir überall / Vereinen uns im Raum und All" ("Flutlicht") wirkt natürlich gerade in dieser Jahreszeit, wo das Licht zunehmend entschwindet, noch mal mehr.
Generation Z, vielleicht ist der letzte Buchstabe des Alphabets wirklich auf eine bittere Art sehr passend. Nach Z kommt bekanntlich nichts mehr, und Culk haben für diese nahezu farblose Aussicht den passenden Post/Punk-Shoegaze-Score geschrieben. "Generation Maximum" ist das Requiem für eine Jugend ohne Welt.
1 Kommentar
Fantastisch, wirklich ein Album das unter die Haut geht. Die Texte brilliant und die Songs nahbar aber fern zugleich. Wer sich drauf einlassen will, findet hier eine Stimme, die ausspricht was der eigene Kopf vielleicht noch garnicht auszusprechen vermochte.
Fav vom Album: Ode an die Freude