laut.de-Kritik
Melodischer Storytelling-Rock auf einer neuen Reifestufe.
Review von Alexander Kroll"Forever Young" wollten Alphaville sein. T. Rex sahen sich als "Children Of The Revolution". Sogar Peter Maffay gesteht beständig: "Irgendwo tief in mir bin ich ein Kind geblieben".
All die ewigen Rock'n'Roll-Kinder sitzen indirekt mit im Boot, wenn das kalifornische Folkrock-Quartett Dawes den kraftvollen Opener "Still Feel Like A Kid" präsentiert. Auch auf ihrem siebten Album holen sie also wieder die Rockgeschichte ins Hier und Jetzt. Eingespielt im berühmten RCA Studio A in Nashville, Tennessee, in dem auch The Beach Boys und The Monkees aufgenommen haben, hebt "Good Luck With Whatever" den melodischen Storytelling-Rock der elfjährigen Band aus Los Angeles auf eine neue Reifestufe.
Zusammen mit Star-Produzent und sechsfachem Grammy-Gewinner Dave Cobb, der 2018 u.a. am "A Star Is Born"-Soundtrack beteiligt war, erproben Dawes auf neun Songs eine eindrucksvolle Fokussierung der Bandessenz, bei der verwendete Muster in den Hintergrund rücken und verstärkt meisterliche Momente zum Vorschein kommen.
Im Titeltrack renovieren sie die Formel vom Streben nach Glück zu einem Plädoyer für mehr Lockerheit. Mit Taylor Goldsmiths klarer Stimme, melancholischen Keyboardklängen, drückendem Bass und surrendem Gitarrensolo entsteht eine mitreißende Hymne, wie sie Band of Horses neidisch machen sollte.
Parallel entzaubert auch der Wahrsagerbesuch "Between The Zero And The One" idealisierte Lebensentwürfe. Beschwingt relativiert der Track die Wunschvorstellungen von Paukenschlägen und Liebesgeflüster, kommt musikalisch aber doch nicht ganz ohne aus. Diese Gleichmut-Agenda mündet in den Blues-Rock-Stampfer "None Of My Business". Befreit vom philosophischen Anstrich des vorausgegangenen Song-Paars groovt die Gruppe, als wollte sie das "Get Back"-Ende der Beatles auf dem Londoner Apple-Dach rückgängig machen.
Die Gelassenheit, die das Album umkreist, sammelt sich zielgenau in der Mitte: Über das Bild von Floridas Küstenstadt St. Augustine, der ältesten Stadt der USA, entwirft die minimalistisch eindringliche Folkballade "St. Augustine At Night" einen nostalgischen Zufluchtsort, der genau den Glücksmoment zu bieten scheint, den das Album sucht.
Doch auch Probleme klingen bei den Dawes gut. Die Erstauskopplung "Who Do You Think You're Talking To?" stellt die Frage nach der Bewältigung vergangener Liebesbeziehungen mit einer explosiven Soul-Crooner-Akrobatik, wie sie neben Spoon nicht viele Indierocker beherrschen. Zwar streift das Album zuletzt ein paar unausgereifte Musterübungen, feiert aber letztlich ein rühmliches Finale. Anknüpfend an die Qualität der großen Dawes-Balladen "If I Wanted Someone" und "Right On Time" lässt "Me Especially" mit knarzender Bluesgitarre und torkelndem Keyboard die Jugend wieder aufleben, im bittersüßen Bewusstsein über ihre Vergänglichkeit.
"Why am I still the youngest guy my age?", fragt Goldsmith abschließend. So knüpft das Album zirkulär an den Anfang und den Opener "Still Feel Like A Kid". "Good Luck With Whatever" ist ein überzeugendes Album, dem vielleicht nur noch ein paar Brüche fehlen, ein paar Wagnisse, damit Dawes noch größer werden. Ja, vielleicht sogar erwachsen.
2 Kommentare
Verstehe einige der Referenzen hier nicht ganz, bzw. finde ich sie irreführend. Hier ist mehr Springsteen, Petty und anderes Americana angesagt. Jeder Song hat aber einen Instrumenteneffekt oder eine schöne Progression, die ihn etwas abheben. Kann man sich anhören.
Sehr gutes Album. Dawes wird immer besser.