laut.de-Kritik
Nach vorne, zurück oder einfach nur zur Seite? Ein bisschen von allem.
Review von Michael EdeleDer mentale Grundstein zum Soloalbum des ehemaligen Onkelz-Bassers, -Denkers, -Texters usw. wurde eigentlich schon 1996 gelegt. Doch wie das so ist, es fehlt die Zeit. 2005 sind die Böhsen Onkelz dann Geschichte und auf einmal geht es recht schnell. Ein Mann wie Stephan Weidner hat mit den Onkelz noch lange nicht alles gesagt und auch musikalisch war noch nicht jeder Ton gespielt. So ist es 2008 an der Zeit, dass Der W. mal wieder Tacheles redet und die Gefühle und Gedanken von Tausenden in Worte kleidet.
So sehr ich die Onkelz geliebt habe, aber mit Stephans Gesangsversuch bei "Der Regen" konnte ich auf "E.I.N.S." nicht wirklich viel anfangen. So hielt sich meine Begeisterung zunächst ein wenig in Grenzen, als klar war, dass Stephan auf seiner Soloscheibe den Gesang selbst übernehmen würde. Doch jegliche Befürchtungen waren vollkommen unnötig, denn er besitzt auf "Schneller, Höher, Weidner" eine verdammt charismatische Stimme, die mal angenehm rau, dann einfach nur markant klingt, aber immer mit dem notwendigen Schuss Melodie versehen ist.
In Sachen Lyrik war ohnehin klar, was auf einem zukommt, wenngleich das Sticheln gegen die Presse und das Pathos mit dem Ableben der Onkelz vorerst außen vor bleiben. Dass der Mann mir und wohl auch unzähligen anderen auch dieses Mal aus der Seele spricht, steht hingegen außer Frage. Doch wie sieht es mit der Musik aus? Bleibt er beim Stil der Onkelz? Gibt es Experimente? Geht der Schritt nach vorne, zurück oder einfach nur zur Seite? Ein bisschen von allem. Auf jeden Fall hat er sich ein paar Musiker an die Seite geholt, die auch mit versierterem Material umgehen können.
Zum Beispiel wären da Pro Pain, die zum Opener "Der W. Zwo Drei" (und drei weiteren Songs) ihren Teil beigetragen haben. Die Nummer rockt recht hart und direkt und lässt natürlich manche Parallele zur alten Band zu. Mit der Vorabsingle "Geschichtenhasser" ist ihm ein richtig guter Rocksong mit einer tollen Melodie gelungen, die sofort ins Langzeitgedächtnis zischt. Musikalisch hat das etwas sehr Positives, Fröhliches, das in seiner Unbefangenheit an einen besseren Die Happy-Track erinnert.
Experimenteller wird es mit dem sehr düster rockenden "Waffen & Neurosen". Wie gewohnt brilliert Der W. mit ein paar griffigen Zeilen, die in ihrer Art oft genauso simpel wie genial sind. Vom musikalischen Standpunkt geht allein "Tränenmeer" mit noch mehr Mut zum Experiment zur Sache. Die Nummer überrascht mit Trip Hop-artiger Rhythmik und vermeintlicher Elektronik - die sich letztendlich aber doch als handgemachte Gitarrenmusik herausstellt - und interessant eingesetzten Streichern. Dass einem hier textlich aber gar nicht zum Heulen zumute ist, steht außer Frage.
Dazwischen hören wir mit "Asche Zu Asche" noch den Abgesang auf die Onkelz, der so etwas wie Stephans eigenes Mahnmal darstellt, nie eine Reunion zu starten. Sowohl textlich als auch musikalisch ist der Song mit seinen akustischen Klängen sehr wehmütig gehalten. Dazu tragen auch die gegen Ende einsetzenden und perfekt passenden Streicher bei. Wenn das kein Single ist, weiß ich auch nicht ... Aber auch das fast schon poppige "Mein Bester Feind" besitzt deutliches Singlepotential. Dabei handelt es sich um eine typische weidnersche Abrechnung mit allen Neidern und Unbelehrbaren, die immer noch versuchen, Scheiße zu verbreiten.
Nachdenklich und auch ein wenig ruhiger geht es anschließend "Angst" an. Dennoch baut der Song eine ständige Spannung auf, die voran treibt, und die, trotz vereinzelt platzierter Streicher, kaum Platz für Melancholie lässt. Den gibt es bei "Stille Tage Im Klischee" eh nicht, handelt es sich dabei doch um eine Art Funsong mit einem verdammt guten Drive. Würde mich nicht wundern, wenn hier wieder die Jungs von Pro Pain am Werk waren und dem selbstironischen Stephan einen fetten Groove unter den Arsch legen.
Mit "Schatten" folgt ein sehr reduzierter und auch etwas unauffälliger Song, der erst im Refrain Fahrt aufnimmt, aber eher textlich, denn musikalisch interessant ist. Das sieht bei "Bitte Töte Mich" schon wieder anders aus, hat sich Der W. doch mit Nina C. Alice von Skew Siskin eine Gastsängerin ins Studio geholt. Nina setzt ihre Stimme aber ein wenig anders als bei ihrer eigenen Combo ein und trägt ihren Teil dazu bei, dass der Track so richtig schön abrockt.
Zeit für wahre Melancholie ist schließlich mit "Zwischen Traum Und Paralyse", dem traurigsten Song der Scheibe gekommen. Vielleicht mag Stephan nicht der begnadetste Sänger sein, doch der Track ist mit Sicherheit ein Stütze für jeden, der gerade einen Menschen verloren hat, der ihm viel bedeutet. Einfach nur groß! Bevor es aber zu schwermütig werden kann, geht es mit "Liebesbrief" schon wieder deutlich rockiger zur Sache. Denn: "Was du hier liest, ist kein Liebesbrief - Ein Buch mit sieben Siegeln, mit Wut geschrieben", und genauso geht es auch ab.
Dennoch gehört das Ende der Scheibe eher den leisen Tönen. Zunächst wäre da mit "Ein Lied Für Meinen Sohn" ein weitgehend ruhiger Song, der seinem Sohn gewidmet ist und ihm irgendwann einmal bestimmt Hoffnung und Zuversicht geben wird. Dem folgt das musikalisch sehr reduzierte Finale "Pass Gut Auf Dich Auf". Ein wenig fühlt man sich an Radiohead erinnert. Einmal mehr ein Beweis, dass beendete Beziehungen einfach geniale Antriebsfedern für besondere Texte sind.
Alte Onkelz-Fans werden sich "Schneller, Höher, Weidner" ohnehin ins Regal stellen und dabei Melancholie aber bestimmt keine Trauer verspüren. Wer sonst die Eier hat, sich dem Debüt von Der W. unvoreingenommen zu begegnen, wird mit einem verdammt guten Alternative/Rock-Album belohnt, in dem man sich auch in 10 oder 20 Jahren noch wiederfinden wird.
24 Kommentare
gähn. musikalisch so schlecht wie die onkelz.
@Stöf (« gähn. musikalisch so schlecht wie die onkelz. »):
Ahnungsloses Schaf -.-
@Stöf (« gähn. musikalisch so schlecht wie die onkelz. »):
pfff man kann die musik von den onkelz nicht mögen das ist klar aber behaupten sie seien musikalisch schlecht xD is einfach nur lächerlich!
Für mich persönliches ist es die beste Deutsche Rockband überhaupt!
so genug offtopic
Also ich finde dieses Album richtig gut da sieht man wieder was für ein hervorragender Musiker Stephan ist,er schafft es immer wieder richtig prägende Melodienen einzubauen und textlich sowie so immer richtig klasse! Meine fav. asche zu asche,mein bester feind,bitte töte mich,zwischen traum und paralyse,geschichtenhasse
Dieser Kommentar wurde vor 7 Jahren durch den Autor entfernt.
super geil wie erwartet gute texte mit sinn
Eine Platte wo der einzige Tiefpunkt der unüberschreitbare eigene Horizont ist an den man stößt. Das Ding wird der liebe Stephan nicht mehr übertreffen.