laut.de-Kritik
Der New Yorker veredelt das Hip Hop-Jahr.
Review von Dani Fromm"Doujah who?
Doujah what?"
Fragen, die man sich schon mal stellen darf, landet ein Mixtape eines New Yorker MCs, von dem man im Leben noch nichts gehört hat, auf dem Schreibtisch. Na gut, rein damit, in den CD-Player. Rrrrrumms. Aua. Was war das denn? Bei all der gelassenen Smoothness, die aus den Boxen strömt, braucht es ein paar Minuten, bis ich realisiere, dass soeben mein Unterkiefer auf der Tischplatte aufgeschlagen ist. Gut, dass das niemand gesehen hat; man macht sich ja auch so schon lächerlich genug. "The Pre-Fix II: Second Wetting" verdient Beachtung und die Höchstnote - doch werden wir kein Mixtape besprechen, wenn das Album auf dem Fuße folgt: Doujah Razes selbstbetitelte Debüt-LP liegt schon parat.
Warum um den heißen Brei schleichen: Doujah Raze veredelt dieses ohnehin phantastische Hip Hop-Jahr durch ein weiteres Juwel, dem ein Platz im Lieblingsplattenschrank gebührt: Zwischen Madlibs "Shades Of Blue" und Gurus "Jazzmatazz" ist es bestens aufgehoben. Luftige Klaviermelodien zu fetten Bässen: wahrhaft "A Proper Introduction" von Disko Dave, der neben etlichen Beats auch handwerklich astreine Cuts beisteuert. Unter seinen Reglern entstehen entspannte, zuweilen leicht melancholische Instrumentals, die bei aller Filigranität doch stets erhebliche Wucht mitbringen. In "Back To You" liegt über dem vollen Bass lediglich eine spanisch anmutende Akustikgitarrenmelodie sowie sparsam dosierter weiblicher Backgroundgesang. "Virginia" und "Irish Cream" begeistern ebenfalls mit schlanker, in keinster Weise überfrachteter Produktion, die einem talentierten MC die perfekte Bühne schaffen.
Der Großteil der Beats stammt allerdings nicht aus New York oder sonstwo in den Staaten, sondern (und spätestens jetzt fallen mir vollends die Augen aus dem Kopf) aus der Metropole des Spundekäs: Als Doujah Razes Haupt-Beat-Lieferant fungiert der junge Rapper und Produzent Shuko aus Mainz. Shuko benutzt zwar auch gerne und oft hochgepitchte Vokal-Samples, wie man sie in den letzten Jahren an jeder Ecke hören musste, setzt diese aber in einer Weise dezent ein, dass sie nicht auf die Nerven fallen, sondern den Tracks - ganz im Gegenteil - eine ganz gehörige Portion Soul einhauchen. Diese verbinden sich, kombiniert mit wuchtigen Bässen und verhaltener Instrumentalisierung, zu zeitlosen Charme, wie ihn sonst Klassiker von Gang Starr oder A Tribe Called Quest versprühen. Unter den Händen Shukos wird selbst ein schnödes Zwischenspiel zu einem kleinen Kunstwerk: Zu rauhem Bass schwirren stimmungsvoll Flöten- und Klavierklänge durch "Walk This Beat" - habe ich schon erwähnt, dass ich begeistert bin?
The Double-J liefert zu kräftigen Bässen melodiöse Jazzpiano- und Streichereinlagen. Die Cuts in "Ghost Of Mars" sind vom Allerfeinsten, was nicht weiter wundert, steht doch Turntablist-Champion Mr. Sinista an den Decks und zelebriert hohe Handwerkskunst. Über all diese unglaublich angenehmen Instrumentals flowt ein vollkommen relaxter MC, dass es eine Freude ist. Doujah Raze erzählt von den großen und kleinen Dingen, vom Leben und vom Sterben, "from the womb to the tomb". Er packt Geschichten über persönliche Verluste ("Raze") ebenso in geschliffene Worte wie eine Liebeserklärung an seine Heimat ("Virginia"), berichtet zu einem schnelleren Shuko-Beat über das Leben in der Großstadt ("New York City"), und beschert jedem Plattenaufleger der Welt mit "Spinmata", einer trägen Beatminerz-Produktion, einen verzweifelten Lacher: "Can you play some Hip Hop? / You know, like Britney Spears? / Something Famous! / I can't dance to this." Tröstlich (aber auch erschreckend) zu sehen, dass Partymäuschen mit Wünschen dieser Art offenbar ein weltweit verbreitetes Übel sind.
Doujah Raze, "coming with the mic", rappt gelassen, mühelos und technisch versiert und erweist sich dabei als erstaunlich vielseitig. Er singt mit leicht heiserer Stimme catchy Refrains ("Little More Time", "Clear", "Hard Time"), rollt nachdrücklich und passgenau die Beats entlang ("Irish Cream"), das Ganze auch mal doubletime ("Take A Chance"). In "Virginia" unterstützen ihn (als einzige Featureparts) Thad Reid und Born Unique mit merklich härteren Styles. Zudem beweist Doujah erhebliches Talent als Beat-Bastler: Seine Eigenproduktion tönt im Vergleich zum Rest des Albums wesentlich massiver; mächtig und dunkel gerät "Raze" zu einem echten Gänsehaut-Track.
Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis das debile Grinsen mein Gesicht wieder verlassen mag. "Please keep your system bumping", eine wahrhaft überflüssige Aufforderung.
2 Kommentare
in der tat eine der besten hiphop cds die ich kenne!!!
@Peterstaler (« in der tat eine der besten hiphop cds die ich kenne!!! »):
Stimme da nur zu