laut.de-Kritik
Unkonventionelle Vocals und lässige Gitarren.
Review von Patrick BinderDry Cleaning. Wäsche waschen. Manchmal sind es die alltäglichen Dinge des Alltags, die die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. So hat mir mein jüngster Kleinanzeigen-Deal zu einem 70er Jahre DDR-Toaster der Marke VEB Acosta Elektromechanik Thüringen verholfen, der zwar durch astreines Edelstahl-Industriedesign und langlebige stabile Bauweise besticht, dessen kuriose Toastmechanik jedoch ungeheuer viel Krach erzeugt.
So kommen wir von den kleinen Dingen des Alltags zum neuesten Indie-Hype aus dem Süden der britischen Hauptstadt. South London hat jüngst bereits einige hochgelobte Gitarren-Acts wie etwa HMLTD, Goat Girl, Black Midi, Squid, Sorry oder Shame hervorgebracht – und nun eben Dry Cleaning und ihr erstes Album "New Long Leg".
Kennengelernt hat sich die Band anno 2017 in einer Karaokebar. Kurios, da Florence Shaw eigenen Angaben zufolge davor noch nie gesungen hatte und wenig später Sängerin der Band werden sollte. Wobei Gesang hier etwas falsch formuliert ist. Genauer gesagt handelt es sich um stoischen Sprechgesang, wie man ihn etwa von Anne Clark oder den Pet Shop Boys kennt. Zusammen mit der musikalischen Lässigkeit kommt das erstaunlich gut und unkonventionell daher.
In fast gleichgültig wirkender, kühler Manier beleuchtet die hauptberufliche Kunstdozentin die kleinen Dinge des Alltags, wie etwa Butterbrotpapier und Bröselschublade in "More Big Birds": "Trapped inside a head / In control in the kitchen area / I run a tight ship Spatula pot and crumb tray / A wipeable place / A greaseproof type of thing".
Generell überwiegen kryptische, assoziative Wortketten, deren Sinn sich nicht eindeutig erschließt und die doch stets irgendwie bekannt wirken. "What are the things that you have to clear out? / Baking powder / Big jar of mayonnaise / What about all the uneaten sausages? / Clean the fat out of the grill pan / This is the hardest thing I've ever had to do now". ("Leafy).
Musikalisch bewegt sich "New Long Leg" irgendwo zwischen extrem lässig und unermüdlich treibend gespieltem Bass, der teilweise gar an Peter Hook von Joy Division in fröhlich erinnert, und schrammeliger Lo-Fi Gitarre mit Sonic Youth Anleihen. Teilweise mit etwas härterer Gangart wie etwa in "Unsmart Lady", das sich mit seinen dreckigen Riffs im Grunge bedient, oder im in Richtung Noise gehenden "Every Day Carry". Das steht den vier Londonern auch eindeutig besser als die teils schlaff und lame dahergespielten Tracks wie etwa "Strong Feelings" oder "A.L.C.".
Alles in allem wirkt das Debüt von Dry Cleaning aber durchaus in sich stimmig, frisch und eben extrem lässig. Die ideale Begleitung zum Frühlingsputz.
2 Kommentare
schöne Platte!
Netter Postpunk...kein Fan vom Spoken Word-Vortrag.