laut.de-Kritik
Solider Deutschpop ohne große Überraschungen.
Review von Florian DükerDeutschsprachiger Pop genießt aktuell keinen allzu guten Ruf. Obwohl die Stars der hiesigen Poplandschaft wie Mark Forster, Nico Santos, Max Giesinger und Co. sich regelmäßig an der Spitze der Charts wiederfinden und ihre Musik auch in Radio und Fernsehen omnipräsent ist, bringt ihnen ein nicht unerheblicher Teil der hiesigen Bevölkerung so rein gar keine Sympathien entgegen.
Während sie auf ihrem Debüt vor fünf Jahren noch auf Englisch sang, macht nun auch Elen deutschsprachige Popmusik. Obwohl sie keinerlei Omnipräsenz im Fernsehen, im Radio und in den Charts aufweist und man natürlich nicht alle Mainstream-Popmusiker über einen Kamm scheren kann, finden sich auch auf ihrem neuen Album "Blind Über Rot" diese störenden Elemente, die womöglich mit zur starken Ablehnung deutschsprachiger Popmusik hierzulande führen.
Da ist zum einen diese Mut- und Ideenlosigkeit, mit der sich deutschsprachige Popmusiker kaum voneinander abheben. Hat schon mal jemand probiert, ein Album auf die Beine zu stellen, auf dem es nicht vorrangig um Liebe und Beziehungen geht? Elen jedenfalls versucht es nicht.
Hat schon mal jemand probiert, auf diese stumpfen "Ohh, ohh, ahh, ohoo"-Chöre zu verzichten? Auch auf Elens zweiten Album gehen sie gehörig auf die Nerven, zum Beispiel im Refrain von "Egal", im Refrain von "Hallo", im Hintergrund vom Refrain von "Blind über Rot" und im Hintergrund des Pre-Chorus von "Gut Werden". Apropos "Egal", "Hallo, "Gut werden": Wie uninspiriert klingen eigentlich diese Songtitel?
Diese die Popmusik wie ein Krebs befallenden "Ohh, ohh"-Chöre haben vielleicht in den Hymnen von Fußballvereinen ihre Daseinsberechtigung, und sich ernst nehmende Künstler dürfen sie ja gerne bei ihren Konzerten anstimmen, damit auch die nicht-textsicheren Fans Spaß beim Mitsingen haben. Doch auf Albumlänge und in jedem dritten Refrain sind diese plumpen Versuche, Melodien im Ohr einzupflanzen, einfach nur lästig.
Der mit Abstand erfolgreichste Song der ehemaligen Straßenmusikerin, die Marius Müller-Westernhagen 2015 auf seine MTV-Unplugged-Bühne holte, nachdem er die damals noch relativ unbekannte Sängerin auf der Straße gehört hatte, hört ebenfalls auf einen nicht besonders intelligent klingenden Namen: "Liegen ist Frieden" handelt von dem sehr nachvollziehbaren Gefühl, morgens einfach im warmen Bett liegen bleiben zu wollen und die Welt ihren Problemen zu überlassen.
Im darauffolgende Song "Egal" widerspricht die 30-Jährige dem aber vehement. Ziemlich selbstgefällig wirkend betont Elen, dass die Probleme der Welt ihr überhaupt nicht "egal" sind. Das wünschte sie sich zwar, damit sie "jede Woche Spitzen schneiden / Und tendenziell mehr Titten zeigen / Und in den neuen Heels ein bisschen leiden" könnte. In der Realität kann sie aber leider nicht darüber hinwegsehen, "dass eigentlich immer nur die Schwächeren leiden".
Von ihrer melancholischen Seite zeigt sich die Sängerin auf "Hallo", das lyrisch gleichzeitig an Adel Tawils "Ist Da Jemand" und "Gib Mir Sonne" von Rosenstolz erinnert, aber in beiden Fällen damals deutlich gekonnter rübergebracht wurde, und auf "Die Nacht", das Schlaflosigkeit thematisiert und mit einem wirklich gelungenen Refrain überzeugt.
Das rockige "5 Meter Mauern" hebt sich mit dem tiefen Bass im Refrain ein wenig von den anderen Titeln ab, genauso wie "Lass uns ja nicht drüber reden" - in diesem Fall aber mit dem Einsatz einer akustischen Gitarre, der dem Song einen Folk-Anstrich verpasst. Auch dieses Stück ist ein Beziehungs-Song, textlich allerdings etwas intelligenter verpackt.
Weitere Argumente für "Blind Über Rot" sind Elens angenehme Stimme, ihre solide gesangliche Leistung und die größtenteils stimmige Instrumentalisierung. Trotzdem lässt auch dieses Album zu wünschen übrig, deutsche Popmusiker würden sich endlich mal Überraschendes und Ungewohntes zutrauen und mal tiefer in die Deutschpop-Trickkiste zu greifen. Oder diese Trickkiste im hohen Bogen aus dem Fenster werfen.
2 Kommentare
Solider Pop ohne Überraschungen = 3/5
Deutschpop = 1/5
Macht insgesamt 2/5...okay, nachvollziehbar.
Werde morgen in einer edgy taz-Kolumne so hart Deutschpop abschaffen, dass in Horsts Heimatministerium die Jagdszenengemälde instant von der Wand schimmeln und der harte Kern der Stuttgarter Partyszene besoffen und wütend im Flixbus nach Mannheim fährt, um die Popakademie zu restrukturieren.