laut.de-Kritik
"Stille Nacht"? "Jingle Bells"? Clapton liefert.
Review von Yan VogelSüßer die Kassen nie klingeln als zur Weihnachtszeit. Wenn die Menschen in Scharen ausströmen, um in den Sparkassen-Gotteshäusern ihren sauer verdienten Zaster abzuheben, um diesen dann in den Konsumtempeln zu Ehren des heiligen BIP auf den Kopf zu hauen, leuchten die Euro-Zeichen in den Augen derer, die für die Gaben verantwortlich zeichnen.
Was haben unterschiedliche Künstler wie Rob Halford, Helene Fischer, Wolfgang Petry, Elvis Presley, Trans-Siberian Orchestra, Rod Stewart oder Bad Religion gemeinsam? Sie haben allesamt schon ein Weihnachtsalbum in ihrem Backkatalog stehen. Auch wenn die Qualität durchaus Schwankungen unterworfen ist. Kalkül steckt in jedem Fall dahinter.
Nein, hier soll nicht über die unbestrittenen Qualitäten von Eric Clapton gestritten werden. Doch auch bei einer Bluesrock-Ikone muss der Rubel rollen. Die Platte erfüllt alle Erwartungen an eine Weihnachts-CD. Inflationärer Gebrauch des Wortes Christmas? Check. Kompatibel für jede Schwiegermutter-Tupperparty? Check. Balladeske, austauschbare Klangtupfereien? Check. Todgenudelte Klassiker wie "Stille Nacht" und "Jingle Bells"? Check.
Der Tisch gedeckt, der Baum geschmückt, das alljährliche Rührstück beginnt. Derweilen klimpert im CD-Spieler gefällige Weihnachtsmusik. Mister Slow Hand bleibt seiner Rolle als Interpret treu, von der Eigenkomposition "For Love On Christmas Day" einmal abgesehen. Claptomanie wohin das Auge reicht. Die Gitarre erhebt sich zu einer bluesigen Einlage in "White Christmas". Dem Klimawandel sei Dank, stirbt auch dieses Lied bald aus. Die schwülstige Orgel schmust sich zu Beginn von "Away In The Manger" in die Gehörgänge und setzt den Fußwippmechanismus in Gang.
Der in einer Tiefpreisaktion im Sommer gekaufte Spekulatius liegt bei "For Love On Christmas" schwer im Magen. Das akustische Gepräge der Ballade zieht einen aber auch runter. Jeder Tag wie ein Feiertag lautet die Message des nächsten Tracks, der wie die Faust aufs Auge zur überspannten wie Highlight orientierten Festtagsgesellschaft passt.
In "Christmas Tears" dudelt Clapton, der mit "Tears In Heaven" eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat, für Emotionen zu sorgen, lustlos die Pentatonik rauf und runter und trübt mit der ein oder anderen Blue Note das grinsende Gemüt. Die rauchig brüchige Stimme veredelt hingegen "Home For The Holidays". "Lonesome Christmas" ist ein Lehrstück in Sachen Twelve Bars.
Tiefpunkt: Der loungige Ambient-Ramsch in Form von "Jingle Bells" bringt jeden Fahrstuhl zum Absturz. Das eignet sich für die Kinderdisco, steht einem zigfachen Grammygewinner aber nicht gut zu Gesicht. In der Stille-Nacht-Adaption wünscht sich der gepeinigte Hörer, Clapton hielte sich an die Bedeutung des ersten Titelwortes. Dieser Mann hat mit "Layla" sowohl akustisch als auch elektrisch zwei Klassikerversionen geschaffen und dann das hier.
An der Produktion und am Handwerk ist nichts auszusetzen. Die Gospel-Chöre sorgen ein ums andere Mal für wohlige Schauer. Dass sich der Erneuerer und die leibhaftigen Widerlegungen des Slogans "White Men Can't Play The Blues" so krakelig und klapprig wie das Cover präsentiert, stimmt hingegen schon ein bisschen traurig.
5 Kommentare mit 2 Antworten
Und wieder einer dieser überflüssigen Newcomer.
Bisschen spät. Lebkuchen gibt's schon seit ein paar Wochen!
Das Lied heisst „Tears in Heaven“ nicht OF heaven.
Jeder ist halt mal mit einem Weihnachtsalbum in seiner Karriere dran, da kommt wohl keiner vorbei.
Leute, was ihr auch schwätzt, was der Herr Clapton in die Hand nimmt, wird zu Gold. Auch musikalisch. Und Herr Kritiker: warum erwartet ihr, dass man jedes Mal, auch noch mit siebzig, die Musik neu erfindet? Recht es nicht, dass man einfach gute Musik macht?
richtig. Das Album ist echt klasse! Ihr Kommentar ist auf den Punkt
Einmal-Poster "bredchen" von vor zwei Jahren wird sich über diesen späten Segen freuen. Danke Bernhard, dass du dich eigens angemeldet hast, um ein Weihnachts-Album von Eric "Snooze" Clapton zu kommentieren.