laut.de-Kritik

Perfekter Flow, geschwängert mit lyrischem Tiefgang.

Review von

Es regnet "Cats & Dogs", so der Weatherman. Soll heißen: "Starker Regen. Es ist ein britischer Ausdruck dafür. Der Titel gestattete mir, schwer verdauliche Themen anzusprechen, aber auch, diese hier und da mit etwas Ignoranz zu sprenkeln", so Evidence im Interview.

Der Regenmacher aus L.A. ließ sich für diesen Wolkenbruch eine ganze Menge Zeit. Gut Ding will Weile haben. Sehr gut bis absolut überragend Ding dann auch mal vier Jahre. Der Plan sah vor, schon zu den Hochzeiten der Dilated Peoples, nach wu-tang'schem Vorbild, eine Solokarriere anzustreben. Das Debüt "The Weatherman LP" schaffte es aber erst 2007 in die Plattenregale und der Erfolg, den Evidence damit redlich verdient gehabt hätte, blieb aus. Dann soll es eben der zweite Versuch richten. Rhymesayers bietet EV ein neues Label-Zuhause, auch wenn dieses etwa 3000 Kilometer entfernt in Minneapolis residiert.

Mit der Zeile "One shot away from fame" bringt es der Mann mit italienischen und russisch-amerikanischen Wurzeln auf den Punkt. So ganz geschafft hat er es immer noch nicht. Warum? Vollkommen unverständlich. Das vorliegende Werk bietet wieder wahres Hörvergnügen. Dilated Peoples verbanden schon immer die kalifornische Leichtigkeit mit den eher finsteren Beats der Ost-Küste. Nach diesem Muster ist auch die neue Scheibe von Evidence gestrickt.

Mr. Slow Flow reimt und rappt sich mit seinem unverwechselbaren Stil vom Zwiespalt zwischen Untergrund und Mainstream ("Fame") bis hin zu sehr persönlichen und tragischen Momenten ("I Don't Need Love"). In letzterem lässt er in das Innere eines höchst emotionalen Menschen blicken.

Doch was nützt ein perfekter Flow, geschwängert mit lyrischem Tiefgang, ohne eine mindestens ebenso geniale Beatfabrik in der Hinterhand? Herzlich wenig! Deshalb fühlt sich der langjährige Busenfreund The Alchemist für die musikalische Begleitung Michael Perrettas zuständig. Von einem verträumten, leicht melancholischen Streicher-Sample im Opener ("The Liner Notes") über in Perfektion getränkte Boom Bap-Granaten bis hin zu einem bestens passenden, unruhigen und aufrührenden Beat in "Crash" beweist sich der Mann aus Beverly Hills wieder einmal selbst, dass er zu den ganz Großen gehört.

A propos umwerfend: Der wahr gewordene Traum eines Beatbastlers und Produzenten, der mittlerweile Legenden-Status genießende DJ Premier, kommt mit einem Mavis Staples-Sample um die Ecke, das für einen Hör-Orgasmus sorgt: "You" bildet die vollkommene Symbiose aus der Schönheit von Gospel und Soul, dazu noch die Bissigkeit der Lyrics, ausgedrückt in einer Art und Weise, die ihresgleichen sucht. Der zweite Streich von Premo, im letzten Track "The Epilogue" zu genießen, toppt dies sogar noch. Unmögliches möglich machen scheinen, das sich die beiden auf die Fahnen geschrieben zu haben.

"Same Folks" geht als Vorzeige-Single durch. Zwar nicht direkt mit "Worst Comes To Worst" vergleichbar, aber doch mit einer ähnlichen Leichtigkeit überzeugt der Bonustrack mit einem Gastbeitrag Fashawn. DJ Babu zaubert das sonnig-unbeschwerte Lebensgefühl der Kalifornier in die Kopfhörer und veredelt damit meinen persönlichen Lieblings-Track der Platte. Ganz großartiges Ding mit Suchtpotenzial! "'Same Folks' ist für diejenigen, die genau verfolgen, was ich tue, nicht für Publikum, das ab und an mal vorbeischaut."

Irgendwie beschleicht mich das Gefühl, dass dieses qualitativ hochwertige Material hier wieder nicht voll durchstarten wird. Den Massen wirds nicht taugen, was aber wahre Hip Hop-Fans nicht stören sollte. Die halten hier in jedem Falle eine wahre Perle des Rap-Jahres Zwanzigelf in den Händen.

Trackliste

  1. 1. The Liner Notes feat. Aloe Blacc
  2. 2. Strangers
  3. 3. The Red Carpet feat. Raekwon & Ras Kass
  4. 4. It Wasn't Me
  5. 5. I Don't Need Love
  6. 6. You
  7. 7. God Bless That Man
  8. 8. Fame feat. Roc Marciano & Prodigy
  9. 9. James Hendrix (Stepbrothers)
  10. 10. Late For The Sky feat. Slug & Aesop Rock
  11. 11. Crash
  12. 12. Where You Come From? feat. Rakaa, Lil Fame & Termanology
  13. 13. ...
  14. 14. To Be Continued...
  15. 15. Falling Down
  16. 16. Well Runs Dry feat. Krondon
  17. 17. The Epilogue

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