laut.de-Kritik
Unterhaltsam, reflektiert, tot produziert.
Review von Anastasia HartleibIn "Wunderbare Welt", seinem erstem Solo-Album seit sechs Jahren, zeigt sich ein erwachsenerer Fatoni, der sich erstmals nicht hinter Selbstironie versteckt, zumindest nicht die ganze Zeit. Zunächst hört man ihn jedoch unbeschwerte Freudentänze aufführen: "Ich bin so fröhlich, guck ich tanz durch die Straßen".
Fatoni wäre aber natürlich nicht Fatoni, wenn er sich hier nicht auch hier noch tagespolitisch äußern würde: "Als wäre ein Hans-Georg Maaßen nicht bei Markus Lanz eingeladen / Als wär kein Mensch mehr hungrig und auch keiner Milliadär." Subtile Gesellschaftskritik, die er ja eigentlich schon immer ganz gut konnte, vermischt sich mit einer guten Portion gesundem, selbstreflektivem Abstand. "So viel zu dem man eine Meinung haben kann / aber ich möchte lieber nicht", lässt er uns bereits im titelgebenden Intro wissen.
Inhaltlich legt Fatoni den Finger konstant auf die richtige Wunde. Egal ob es um gesellschaftspolitische oder Fragen der Persönlichkeitsentwicklung geht - man möchte ihm eigentlich immer zustimmen, oder zumindest anerkennend nicken. "Damals in der Schule schon hat jeder dir gesagt: 'Du lernst nicht für die Schule, sondern für das Leben danach' / Und dann kam das Leben danach und hatte ein Leben danach / Man legte dir nahe, dass du besser mal ein paar Karrierepläne machst [...] / Und jetzt hast du ein' Beruf, dem gehst du nach, jeden Tag / jeden Morgen stehst du auf, für dein' Lebensabend", heißt es beispielsweise in "Du Wartest".
Auch finden sich auf "Wunderbare Welt" ein paar sehr persönliche Momente, die völlig ohne (Selbst-)Ironie auskommen. "Danke Dass Du Mich Verlassen Hast" und "König Der Zweifler" sind zwei dieser Momente, die in ihrer Ehrlichkeit nicht nur überraschen, sondern dem Rapper auch ziemlich gut zu Gesicht stehen. "Sie sagen Scherben bringen Glück, aber wenn man ehrlich zu sich ist / liegt doch auf der Hand was dann passiert, wenn man sich auf einem Scherbenhaufen küsst", singt Danger Dan in der Bridge und fasst damit die Tonalität des Songs sehr passend zusammen.
Soweit so schön. Es gibt jedoch zwei Dinge, die der Wirkung von Fatonis Erzählkunst, die hier teilweise schon Liedermacher-Charakter annimmt, im Weg stehen. Erstens: Die Momente, in denen die Ironie das Steuer übernimmt. So ist "Links Rechts" beispielsweise so voll gepackt mit Ironie und ironischer Ironie, dass man schon gar nicht mehr sicher sagen kann, wie Sätze wie diese hier gemeint sind: "Ich trinke in der Dorfkneipe mein Bier / Ihr geht alle am Rande einer Ohrfeige spaziern." Auch "Pete", ein Song über das zumindest von außen tragisch wirkende Leben des Ex-Beatles-Mitglied Pete Best, hat so einen Moment: "Du kannst alles schaffen, streng dich nur an / du kannst alles machen, stell dich nicht an / Wenn du nur willst, wenn du nur willst." Nachdem er zuvor von der gescheiterten Karriere und dem Suizidversuch des Schlagzeugers erzählt hat, wirken diese Worte etwas widersprüchlich.
Zweitens: Ein fehlender musikalischer Tiefgang. Fatoni versucht so viele Hörerschaften wie möglich abzudecken, dass sich vermutlich keine so richtig wohl mit diesem Album fühlt. Man kann gut verschmerzen, dass auf die zwei inhaltlich nahbar wirkenden Songs "König Der Zweifler" und "Danke Dass Du Mich Verlassen Hast" ein Song über die "Mid 90s" folgt, der genauso klingt, wie der Titel vermuten lässt, der sich eine Dada-Trap Nummer und zwei Hype-Songs anschließen. Das Leben ist schließlich genauso gespickt von lauten und leisen Momenten, die sich munter lustig abwechseln.
Was weitaus mehr schmerzt, sind die teilweise totproduzierten Radio-Pop Nummern, die Fatoni für die Untermalung seiner Texte gewählt hat. Die Songs plätschern eintönig vor sich hin, mit kitschig gesungenen Hooks und erwartbaren Melodien - und lassen die inhaltlich guten Lyrics irgendwie banal erscheinen. Dazwischen finden sich, scheinbar um das Rap-Publikum nicht vollends zu vergraulen, ein paar Trap-Party Banger und ein wenig organischer Dexter/Torky Tork Sound. Die sollten allerdings nicht wirklich ausreichen, um das angestammte Cypher-Publikum bei Laune zu halten.
Fatonis "Wunderbare Welt" verlassen wir also mit gemischten Gefühlen. Der Unterhaltungswert, der sich aus seinem Wortwitz und den klugen, reflektiven Texten ergibt, wird durch die musikalische Anbiederung an den deutschen Radio-Pop ziemlich geschmälert. Vielleicht, und hierin liegt vermutlich die größte Ironie, ist der mit abstand weirdeste Part des Albums das passende Resumée für diesen Text. Zitieren wir also für das Ende Featuregast & Hip Hop Urgestein Max Herre: "Danke für den Feature-Part, doch das ist eure Showtime / bin lieber leise im Refrain, kann den so leider nicht co-sign."
4 Kommentare mit einer Antwort
Schöne Review. Kleine Anmerkung: Das letzte Soloalbum ist nicht sechs Jahre her. „Andorra“ kam 2019 raus.
6 Monate alter Kommentar und die Redaktion hat es nicht ausgebessert. Laut.de macht seinem Ruf alle Ehre
Leider ist der nurnoch ElHotzo auf Beats
"Alle ziehen", "Wunderbare Welt" und "Wär doch schlimm" richtig starke Tracks, der Rest gut bis okay, "Dumm" und "Ich surfe" leider Füller. Trotzdem insgesamtes gutes Album. Warum Reviewerin bei einem simplen Disstrack "gar nicht mehr sicher sagen kann, wie Sätze" gemeint sind, spricht nicht so sehr für sie
Dieser Kommentar wurde vor einem Jahr durch den Autor entfernt.