laut.de-Kritik
Dieses Comeback gleicht einer Beerdigung.
Review von Ulf KubankeJohn Watts hat mit Fischer-Z seinen Beitrag zur Musikgeschichte geleistet. Mit den Meilensteinen "Going Deaf For A Living" und vor allem "Red Skies Over Paradies" (1981) ritzte der Postpunk/New Wave-Pionier seine Kerben in den Bettpfosten gehobener Popkultur. In den letzten 20 Jahren wirkte das musikalische Schaffen des Engländers deutlich weniger zwingend. Das neue Album "This Is My Universe" taugt leider auch nicht zum ersehnten Comeback-Befreiungsschlag. Trotz aller künstlerischen Ambition wirkt die Platte überwiegend müde und routiniert.
Die meisten der zehn Songs verströmen eine merkwürdig fußlahme Trägheit, die das Gegenteil jener knackigen Pointiertheit verkörpern, für die Fischer-Z eigentlich stehen. Letztere findet sich lediglich in zwei Tracks. "Just Like Justice" bietet ein tolles Zusammenspiel akustischer und elektrischer Gitarren, zackige Strophen und einen inbrünstig gesungenen Refrain. Die große Popmelodie trifft auf ebenso ansteckende Leidenschaft. "It must be done and seen to be done; very much like justice".
Auch der Titelsong ist ein echter Bringer. Ein Spoken-Word-Intro samt tickender Bombe bereitet die Explosion des Songs vor. Inmitten eines donnernden Gitarrengewitters erhebt Watts die Stimme emotional und nuanciert. Der Text des Liedes pendelt dadurch faszinierend zwischen Verzweiflung und Sarkasmus. Watts bietet hier den intensivsten Moment der gesamten CD.
Das war es dann aber auch schon. Der Rest von "This Is My Universe" eiert lauwarm und fade vor sich hin. Watts Stimme hat mittlerweile hörbar gelitten. Statt kieksender Nadelstiche schmirgelt er sich meist gleichförmig durch die Stücke. Das ist mit über 60 Jahren keine Schande und könnte im gedimmten Singer-Songwriter-Kontext auch gut passen.
Stattdessen verlieren sich Fisher-Z in meist belanglosen Liedern, die im anödenden Midtempobrei lang und weilig vor sich hineiern. "Just-A-Man" pluckert belanglos dem eigenen Ende entgegen. "Is The Love" schreit geradezu nach etwas mehr Tempo. Stattdessen geht das eigentlich schön arrangierte Stück höchstens als lehrbuchtaugliches Beispiel für die sprichwörtlich angezogene Handbremse durch.
Als Tiefpunkt erweist sich die Schlaftablette "Unshakeable Bluesky". Meilenweit entfernt von der melodischen Kraft, die Fischer-Z in besseren Tagen auszeichnet, begräbt der Londoner den letzten Rest an Würde, den letzten Funken seiner Glut in dermaßen käsigem 08/15-Country, dass dem Hörer fast die Tränen kommen.
Da helfen auch gelungene Zeilen über den Wahnsinn des Krieges ("Tale Of Bales") oder die in England bis heute spürbaren Auswirkungen des Thatcherismus ("Martha Thargill") kaum noch. Spätestens wenn der ehemals so aufrüttelnde Lyriker Watts zu Plattitüden à la "Is dropping Bombs any good for Kids?" zum Besten gibt, möchte ihm die eigenen "Battalions Of Strangers" um die Ohren hauen und ihn beschwören: John, erinnere dich an den Künstler, der du einst warst!
So bleibt am Ende kein Platz für Spott oder Hohn. Nur tiefe Resignation darüber, dass die Lücke, die Fischer-Z seit langem hinterlassen am allerwenigsten von John Watts geschlossen werden kann. Er selbst nennt die Platte "The Re-Invention of Fischer-Z". In Wahrheit ist es eine Beerdigung.
4 Kommentare mit einer Antwort
für die scheißmusik zahl ich nix
"John Watts hat mit Fischer-Z seinen Beitrag zur Musikgeschichte geleistet. Mit den Meilensteinen "Going Deaf For A Living" und vor allem "Red Skies Over Paradies" (1981) ritzte der Postpunk/New Wave-Pionier seine Kerben in den Bettpfosten gehobener Popkultur. "
Ich hab hier immer wieder - gerade bei dem Autor - das Gefühl, das alles, was aus einem bestimmten Zeitraum inkl. Genre stammt, sofort mit Kusshand und überschwenglicher Vorfreude begegnet wird.
Fischer-Z waren - wie offensichtlich auch beim Autor - Teil meiner Jugend/Kindheit, aber auf meiner "Postpunk/New Wave-Liste für gehobener Popkultur" stehen die irgendwo auf Platz 1231 - grob und gutwollend geschätzt.
Vielleicht sollte Herr Kubanke sich beim nächsten Mal gut überlegen, ob viele Bands/Künstler nicht doch eher Kasperle-Theater als Shakespears waren.
moin moin, alle Jubeljahre kommen irgendwelche Lurche um die Ecke und meinen ihren Fetisch zu beerben. Aber was ist das für ein Tanz um ein güldenes Kalb? Huch doch nicht der 1231igste Irrtum? Ach doch.....knie nieder du illoyaler Wichser.
"Going Deaf For A Living" und vor allem "Red Skies Over Paradies" waren ein Schlachtruf für die gesammte Branche. Die Stones befanden sich zu dem Zeitpunkt im Tiefschlaf, U2 nudelten sich tot mit "Sunday Bloody Sunday" in meiner Kleinstadtdisco. Ach übrigens, ich möchte Mal Sondock (leider rip 2009) danken, der damals Fischer - Z im WDR Radio viel Spielzeit einräumte. Das waren einfach geile Zeiten und wer Gegenteiliges behauptet war sicher ein "Popper" zu der Zeit und kämmt sich heute seine wenigen Sackhaare.
Gruß Speedi
Genau - der Herr Watts hat zwei mittelmässige Alben gemacht. Und im Vergleich zu den " Postpunk/New Wave-Pionieren" zwei *sehr* mittelmässige.
Irgendwann in den 90igern gab es den Spruch (aus einer Fischer-Z/Watts-Rezension) "das war New Wave für Sozial-Pädagogen" - und das trifft es genau. Und nur weil dir das deutsche Radio in den 80igern (und das war damals schon schlimm) gesagt, das ist voll der heisse New Wave-Shit, heisst das noch lange nicht, das der Herr Watts irgendein "Postpunk/New Wave-Pionier" gewesen ist.
Und wenn Du die Stones bzw U2 mit " Postpunk/New Wave-Pionieren" vergleichst - dann hast Du was falsch gemacht. Und zwar offensichtlich schon echt lange in deinem Leben.
Aber "Schlachtruf für die gesammte Branche" - der war richtig gut. Für dich gibt es diese verdammten 80iger-Jahre-Sampler.
Fischer-Z !!!
Alte Band-Barden singen gut.
Und John Watts, mit seiner Gitarre hat´s drauf.
Ich hab den Song " Marlise " gesehen und da ging
die Post ab, auch bei den Fans im Studio.