laut.de-Kritik

Soul aus Köln mit warmen Reggae- und Dub-Grooves.

Review von

Mit "Skurreal" machte Fleur Earth im vergangenen Jahr Lust auf mehr. Dass ihre Solo-EP aber kaum mehr als einen Appetizer darstellte, wird erst jetzt offenbar: Mit bestens eingespielter Band im Rücken erscheint Fleur noch eine gute Portion außergewöhnlicher.

Rund, fluffig und weich, wie dicker Schaumstoff, laden die handgeknüpften Soundteppiche ein, sie in der Tat "Barfuss" zu bewandern: "Lass hören, wo drückt der Schuh? Warum ziehst ihn an, wenn er nicht gut tut?" Beim Fleur Earth Experiment hat man Hemmschuhe längst abgestreift und sich von musikalischen wie inhaltlichen Einschränkungen befreit.

Die Kölner Herrschaften legen eine ganz und gar nicht gestrige Soul-Platte auf den Tisch und erteilen, vermutlich ganz unabsichtlich, eine um so ergiebigere Lektion in Sachen Genre-Verwandtschaften. Selten wurde deutlicher als in "Verlorene Schar" offenbar, wie nahe der allem zu Grunde liegende Soul warmen Reggae- und Dub-Grooves steht. Zieht das Tempo dann nur leicht an, stehen wir Ruckzuck mit einem Bein im Drum'n'Bass.

Organische Kompositionen locken mit unaufdringlicher, aber präsenter Gitarre ("Zeitleiden") oder lässig hingeworfenen Pianonoten ("Abschied"). Drums verleihen den einzelnen Tracks Struktur. Schwere Bässe sinken vorbei an leichtfüßigen Melodien auf den Grund und bilden ein solides Fundament.

Hierauf breitet eine Sängerin ihre ganz eigenen Gedanken- und Gefühlswelten aus. Fleur Earths Texte verdienen wie kaum andere die Bezeichnung "Lyrics" - obwohl sie auf Deutsch vorgetragen werden. Nicht immer lässt sich den verschlungenen Überlegungen und mäandernden Gedankengängen ohne Weiteres folgen.

Hie und da sind die losen Assoziationsketten auch schlicht gar nicht mehr nachzuvollziehen. Egal, eines gelingt immer: Fleur Earths zuweilen kryptische Zeilen erhaschen stets die Stimmung eines Augenblicks und geben diese in einer Weise plastisch wieder, dass es fast schon gruselig ist.

An vielen Stellen verrät der Gesang eine ob seiner Zartheit ganz erstaunliche Nähe zum Rap. Viel leichter lässt er sich aber darüber charakterisieren, was er nicht ist: glatt, hektisch, überzuckert, anbiedernd - er ist also keine Spur alltäglich.

Fleur Earth erweist sich dankenswerterweise als um Welten zu schräg und viel zu sperrig für gängige R'n'B- und Neo-Soul-Hülsen. Statt dessen gibt sie Soul seine Wortbedeutung zurück: Aus ihren Musik gewordenen Gedichten spricht eine höchst lebendige, facettenreiche Seele. Experiment gelungen.

Trackliste

  1. 1. Zeitleiden
  2. 2. Verlorene Schar
  3. 3. Schildkroete
  4. 4. Confusedte Maenner
  5. 5. Nix Natuerliches
  6. 6. Sonderbar
  7. 7. Du Lebst
  8. 8. Barfuss
  9. 9. Die Hoehe
  10. 10. Abschied

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