laut.de-Kritik
Foals sind jetzt auch wütend. Aber sie beißen nicht.
Review von Laura WeinertWut ist hip. Wir malen Plakate, wir echauffieren uns, uns entfährt ein #aufschrei nach dem nächsten. Wir sind Wutbürger. Die ganze Welt ist so wütend, dass sich sogar die zahmen Foals davon anstecken lassen. Denn auch die sind jetzt wütend, sie schreien und grölen. "Inhaler", die erste Single zum dritten Album, tönte so laut und rau, dass manch einer erschrocken zurückwich. Sänger Yannis schreit seine innere Enge weg. Noch vor ein paar Jahren hätte er sie weggeweint.
Aber keine Sorge. Die beißen nicht. Breite Gitarrenwände machen noch lange keine ungestüme Rockband aus den Indiejungs. Dafür frickeln sie immer noch viel zu gerne an ihren Saiten herum, da bleibt alles beim Alten.
Und überhaupt: so konsequent sind sie gar nicht. Schon bei "My Number" bröckelt die Fassade der ungezähmten Wildfohlen, die sie mit verzerrten Gitarren mühsam in den ersten zehn Minuten aufbauen, von ihnen ab. Von Enge ist nichts mehr zu spüren, jetzt dominiert wieder die Liebe. So weich und leicht wie sie auch plötzlich wieder der Klang. Hier erinnern sie wieder an ihr altes Selbst, das ganze alte, beinahe zu "Cassius"-Zeiten.
Was den Foals immer zugute gehalten wird, ist ihre stetige Entwicklung. Vom nervösen Discopop der "Antidotes"-Platte bewegten sie sich hin zu melancholischen Schichtklängen auf "Total Life Forever". Auf "Holy Fire" vermengen sie beides und klingen in manchen Momenten so perfekt nach der Fusion, als hätten sie sich endlich gefunden ("Providence"). Tanzbarkeit wie zur leichten "Antidotes"-Zeit und der flehende Gesang der schweren "Total Life Forever"-Momente, dazu die großen Gitarrentöne der jüngsten Zeit – wer die Foals kennen lernen will, der möge diesen Song hören.
Manchmal aber verlieren sie ihren Weg wieder. Gerade in der Mitte scheinen sie nicht ganz zu wissen, wo sie hinwollen. So ziehen sich Tracks wie "Out Of The Woods" in die Länge, da sie ohne rechte Melodieführung gleichförmig vorbeischweben.
Dabei sind starke Melodien eigentlich ihre Paradedisziplin. Ob es der konträre Basslauf in "Late Night" ist, der mit all seiner Lockerheit gar nicht recht in das schwere Stück passen will und gerade deswegen so schön heraussticht, oder der bescheidene, natürliche Klang aus "Stepson". Auch hier schwummert der Synthie – "Spanish Sahara" lässt grüßen.
Am Schluss werden sie wieder ganz versöhnlich ("Moon"). Die Wut des Anfangs ist vorbei, Die Foals werden ihre Liebe für schwere Melodien nie verlieren. "Holy Fire" ist ein Album, das Blut und Wasser schwitzt, das laut beginnt und leise endet. Angeblich beschreibt Yannis die dritte Platte als "das Delta, Voodoo, der Sumpf, Sexualität, byzantinische Ikonografie und Musik, zuckersüße Rhythmen, die Berge, der Abgrund, der Niedergang von Bienenvölkern, Hip-Hop und Stoner Rock." Was war das mit den Bienenvölker? Was auch immer. "Holy Fire" ist nicht mehr und nicht weniger als der Entwicklungsprozess einer schon immer bemerkenswerten Band – gepresst in 50 Minuten.
40 Kommentare
ich liebe dieses album, finde es noch besser als seine vorgänger. mit amok und arc bisher das highlight des jahres für mich. (james blake und woodkid folgen hoffentlich noch)
Endlich die Foals und dann nur 4 Punkte?! Wenn die Frau Rezensentin es besser kann, soll sie selber ne Platte aufnehmen! #Neid Vielleicht sollte Laura WEINERT mal besser recherchieren und weniger WEINEN, Foals sind nämlich total liebe Jungs!
Zurück zur Ernsthaftigkeit: Hab das Album noch nicht komplett gehört, aber bisher würde ich den 4 Sternen zustimmen. Inhaler und Late Night z.B. sind ziemliche Übersongs, My Number macht Spaß, gerät aber doch recht konventionell. Was ich sonst noch so gehört hab, ist nicht wirklich im Kopf geblieben, wird noch ein paar Durchläufe brauchen.
Vielleicht sollte ich auch erstmal wieder von Total Life Forever runterkommen, welches für mich die Messlatte einfach zu hoch setzt.
Manche Tracks hören sich verdammt FUNKAY an. Interessantes drittes Album.
@JaDeVin (« so fasse mal noch die Konkurrenz zusammen - ausschließlich Rock/Indie:
- Foxygen (schlechteres Tame Impala 2-3 Punkte)
- Biffy Clyro (3 Punkte)
- I Am Kloot (2-3 Punkte)
so woanders habe ich nicht reingehört. Das MBV-Teil - wundert mich auch, dass das hier "verloren" ging. Selber noch nicht reinhören können. Aber war noch nie so der Fan von Shoegaze. »):
Näher an Tame Impala, dabei zweifelsohne erträglicher als Foxygen, sind Unknown Mortal Orchestra, die mit ihrem aktuellen Album "II" genau in diese Kerbe schlagen. Allah-Las waren Ende letzten Jahres auch nicht weit weg davon...
Da wird mE mit schweren Hämmern am "nächsten heißen Eisen" im Indie-Bereich geschmiedet, ich bin von diesem neuen "Retro-Sound" allerdings jetzt schon relativ übersättigt.
Also auf jeden Fall ein würdiger Nachfolger, auch wenn Total Life Forever nicht ganz erreicht wird. Allerdings fand ich persönlich die zweite Hälfte von TLF eher etwas langweilig, die ersten vier Songs sind allerdings kaum zu übertreffen, da ist das ganze auf dem neuen Album etwas ausgeglichener, wenn auch auf etwas niedrigerem Niveau meiner Meinung nach.
@Morpho nein bist du nicht, zum Ende hin wird Two Trees einfach überepisch. Kriegt mich jedes Mal. So nebenbei, bin ich die einzige, die Providence fantastisch findet?