laut.de-Kritik
Ein Hoch auf den König, ein Hoch auf Dave Grohl!
Review von Kai ButterweckDave Grohl ist kein Mann für halbe Sachen. Das ehemalige Nirvana-Mitglied hilft gerne aus (Killing Joke, Queens Of The Stone Age), belebt Erinnerungen ("Sound City") und misst sich voller Enthusiasmus und Tatendrang immer wieder mit den besten des Fachs (Probot, Them Crooked Vultures). Auch als Leader der Foo Fighters zieht es den Multitasker immer wieder in verschiedenste Gefilde. Ob Alternative-Sounds ("The Colour And The Shape"), überdurchschnittlicher Radio-Rock ("There's Nothing Left To Lose") oder aus der Garage geschossener Arena-Bombast ("Wasting Light"): Dave Grohl hievt seine facettenreichen Outputs immer wieder auf schier unglaubliche Levels.
Auch beim neuen FF-Album hat der Frontmann weder Kosten noch Mühen gescheut, um seinem Ruf als Branchen-Alleskönner gerecht zu werden. Mit seinen Bandkollegen reiste der Sänger im Zuge der "Sonic Highways"-Albumproduktion quer durch sein Heimatland und nahm in acht verschiedenen Städten acht Songs auf. Austin, Chicago, Los Angeles, Nashville, New Orleans, New York, Seattle und Washington: Die Städte, in denen die Foo Fighters Halt machten, wurden sorgsam ausgewählt und haben allesamt in irgendeiner Art und Weise mit dem bisherigen Werdegang der verantwortlichen Musiker zu tun.
Doch nicht nur die Eindrücke der FF-Belegschaft, sondern auch die von zahllosen anderen Berufskollegen, finden sich in den acht "Sonic Highways"-Songs wieder; darunter Leute wie Charlie Musselwhite, Chuck D, LL Cool J, Joan Jett, Dolly Parton, Willie Nelson, um nur einige zu nennen. Mit all diesen Künstlern sprach Dave Grohl, ließ sie teilweise sogar mitmusizieren, um eine Brücke zwischen Vergangenem und Aktuellem zu schlagen. Es ging ihm um einen musikalischen "Liebesbrief an die Geschichte amerikanischer Musik."
Ein großes Unterfangen, das bei dem einen oder anderen eingefleischten FF-Fan für Angstzustände sorgte. Man befürchtete allzu offensichtliche Reminiszenzen. Die Foo Fighters im Country- oder Folk-Gewand? Das wollte sich keiner vorstellen. Doch mit den drei im Vorfeld veröffentlichten Songs des Albums "Something From Nothing", "The Feast And The Famine" und "Congregation", präsentieren die Foo Fighters – oberflächlich betrachtet – allseits bekannte Strukturen.
Den Anfang machen getragene anderthalb Minuten, die - lediglich aufgepeppt mit pointierten Black Sabbath-Anleihen - einen eher ungewohnt zahmen Einstieg markieren. Dann nimmt der Song aber urplötzlich Fahrt auf, schickt ein paar funky Rhythmen ins Rennen und mündet am Ende in einem tosenden Brachial-Inferno. Der Opener "Something From Nothing", in Chicago aufgenommen und mit Cheap Trick-Legende Rick Nielsen an der Gitarre, ist ein eher sperriger Zeitgenosse, aber definitiv ein typischer Foo Fighter.
Das anschließende "The Feast And The Famine" entpuppt sich nach etwas stolperndem Beginn als krachende Punkrock-Ode. Dave Grohl singt und schreit, während sein Gefolge im Hintergrund die Essenz der Washingtoner HC-Punk-Historie ins Visier nimmt. Rockt wie Hölle.
"Congregation" beseitigt die letzten Zweifel. Der Song aus und über Nashville, der ohne Akustikgitarren, Banjos und Mandolinen auskommt, beweist, dass es Dave Grohl nicht um instrumentelle, sondern um gefühlte Kniefälle ging, als er sich dazu entschloss, jeder einzelnen Stadt und deren künstlerischen Vibes ein Denkmal zu setzen. Grandiose Hooks, jede Menge Classic-Rock-Einschübe sowie ein Sänger an vorderster Front, der einmal mehr belegt, dass er zu den ganz Großen der Branche zählt, machen aus Song Nummer 3 ein erstes echtes Album-Highlight.
Der Anfang ist also gemacht. Weiter geht's mit den Songs, die bis zum Tag der Veröffentlichung des Albums unter Verschluss gehalten wurden. Das zweigeteilte "What Did I Do?/God As My Witness" beeindruckt erst nach der Halbzeitpause. Einem eher durchschnittlichen Alternativ-Gebräu zu Beginn folgt ein majestätisch intoniertes Happy End, das jedes Stadion-Publikum im Handumdrehen um den Finger wickelt.
Das gemeinsam mit Eagles-Gitarrist Joe Walsh in Kalifornien aufgenommene "Outside" schiebt hingegen einen ungewohnt mystischen Pop-Schleier vor sich her, während das schleichende halbakustische Seattle-Drama "Subterranean" mit aufwühlenden Vibes einen letzten Nirvana-Gruß gen Himmel schickt.
Dazwischen blicken die Foo Fighters nach New Orleans und spendieren dem musikalischen Ballungszentrum und seinem Aushängeschild Trombone Shorty einen der wohl eingängigsten Ohrwürmer des Albums ("In The Clear"). Getoppt wird das nur noch von dem energiegeladenen Bombast des abschließenden "I Am A River". Stapelweise Gitarren, Orgeln und Streicher, die im Verbund mit einer simplen, aber alles umgarnenden Themen-Melodie fast schon zu Tränen rühren, schließen nach einer knappen Dreiviertelstunde eine Tür, hinter der sich die Bandmitglieder genüsslich gegenseitig auf die Schenkeln klopfen.
Dave Grohl ist und bleibt einfach der unangefochtene König zwischen den Welten. In der staubigen Garage hockend und gen Mainstream-Himmel blickend setzt sich der Tausendsassa eine weitere Krone auf. Ein Hoch auf den König, ein Hoch auf Dave Grohl.
25 Kommentare mit 16 Antworten
Ich hab´s heute bekommen. Mal abwarten, wie mein subjektives Fazit nach ein paar Hör-Durchgängen ausfällt. Wenn man die ganze (und auf mich ermüdend wirkende) Medienpräsenz von Dave Grohl bzw. den Foo Fighters schon weit im Vorfeld der Veröffentlichung betrachtet, würde es mich jedoch nicht wundern, wenn der musikalische Output selbst nicht an erster Stelle gestanden hat...
Kann mir jemand sagen in welche Richtung der Sound der Platte tendiert? Ich fand den von Wasting Light persönlich ganz schrecklich, klinisch und viel zu "perfekt".
Klar, wir reden hier über die Foo Fighters, über Stadion Rock, aber schließlich hat sich Grohl etwas lächerlich gemacht mit der Behauptung sie klinge wie eine Garagen Platte.
Wie sieht es bei Sonic Highways aus?
Hä?
Dieser Kommentar wurde vor 10 Jahren durch den Autor entfernt.
Dass die "Wasting Light" 1. absolut nicht klinisch klingt und durch "Sonic Highways" nicht getoppt wird, war sogar schon nach den drei Vorab-Veröffentlichungen klar. Dass du den Sound von der "Wasting Light" persönlich als klinisch und viel zu perfekt empfindest ist ja in Ordnung, aber meiner Meinung nach völliger Blödsinn. Ich finde den Sound auf der Wasting Light wirklich richtig stark. Aufgrund der Tatsache, dass man experimentiert, dass man fast durchgehend drei Gitarren einsetzt, dass Wege beschritten werden, die nach hinten los gehen könnten, weil die Band sehr weit oben steht und weit fallen kann, die mutig sind, denke ich, dass man die Platte umso genauer anschauen muss und was ich schon nach den ersten paar Durchläufen 2011 empfunden habe, war einfach pure Freude an dieser Musik, an den Riffs, am Sound, an der Energie, an der Akustik, an den Leuten, an den Ideen, etc. Ja man hört dort die Energie, die Auseinandersetzung mit der Bandhistorie und man hört vor allem einen super fetten Sound. Ich frage mich, wie man das klinisch und perfekt nennen kann..... das ist ALLES ANDERE, verdammte Axt: Klinisch sind vllt die Backstreet Boys, klinisch sind vllt Genesis, aber trotzdem geil - klinisch sind die Strokes. Da würde mir von den Studioalben her noch vieles anderes einfallen, aber die "Wasting Light" Platte ist vom Sound her extrem offen und dreckig, laut und trotzdem sauber und fett. Denk mal drüber nach... was die neue Platte der Foos angeht... mh: ich ahne Böses, aber mal abwarten, was mir Montag da in den Kasten flattert. Und selbst wenn es nicht an den Vorgänger - oder wohl eher.. DIE vielen guten Vorgänger anknüpfen KÖNNTE, ich würde es ihnen verzeihen - trotzdessen sie auf dem Rock am Ring seelenlos Festival spielen, denn sie haben es ja in ihrer Macht, auch wieder etwas Geniales zu schaffen. ...Auf dass sie dem Geld nicht verfallen mögen...
Wasting Light ist vom Songwriting mindestens eine wenn nicht 2 Klassen über den Nachfolgern.
Und ich hatte schon Popcorn und billigen Biowein für das Drama um den potentiellen Verriss des Jahres vorbereitet.
Tafelwein ausm Tetra ist man sich wohl zu fein für?
Hm... nicht ganz so gut wie die letzten Platten - aber immer noch fein. Bei Feast and Famine bekomme ich grad mal wieder richtig Bock ordentlich pogen zu gehn
zu ff poged doch niemand?
One by One ist unübertrefflich. Das hier ist a bisserl zu brav.
"Die Album-Story sollte nie spannender ausfallen als die Musik." Den Satz hab ich aus einer anderen Rezi von euch geklaut, und der passt hier, wie die Faust aufs Auge.