laut.de-Kritik

Mit phantasielosen Trance Goa-Sounds am Puls der Zeit?

Review von

Am Puls der Zeit wollen sie also sein. Anders ist der Albumtitel der ersten Studio-Veröffentlichung von Front 242 nach zehn Jahren wohl kaum zu deuten. Hört man dann die ersten zwölf Minuten des neuen Werks muss man jedoch selbst als Fan konsterniert fragen: Womit denn? Mit phantasielosen Trance Goa-Sounds etwa, die im Jahr 2003 wohl nur noch für Freunde synthetischer Party-Stimulanzien eine Offenbarung darstellen?

Oder schwebte gar 242-Gründer und Grafikdesigner Daniel B. selbst in anderen Sphären, als er auf die Idee kam, ein an ästhetischem Stilbewusstsein kaum zu unterbietendes Farbzentrifugen-Fiasko aufs Cover zu hieven, wie man es höchstens noch auf Acid House-Maxis der 80er finden kann? Saß der Legendenstachel tatsächlich so tief? Fragen über Fragen, die erst mit dem Club-Knaller "Together" wuchtig vom Tisch gefegt werden. Da ist sie wieder, diese einmalig dunkle Eleganz, mit der Front 242 einst von Belgien aus die elektronische Musikszene revolutionierten. Warme Sounds bestimmen das Klangfeld, entwickeln sich zu einem vielschichtig rollenden Groove, den Sänger Jean Luc De-Meyer mit seinem gewohnt grollenden Bariton veredelt.

Mit "Triple x Girlfriend" folgt gleich das nächste Highlight, das an die apokalyptische Atmosphäre von "The Untold" (1991) erinnert. Leise schlängelt sich ein behäbiger Massive Attack-Beat um einen einzigen Akkord, der De Meyers düstere Selbstanalyse beeindruckend in Szene setzt.

Von einem songorientierten Album-Konzept alter Tage kann auf "Pulse" keine Rede sein. Und vielleicht wäre genau das der Schlüssel zum neuerlichen Triumph gewesen. Von den zwanzig neuen Tracks sind mehr als die Hälfte Instrumentals, denen man leider allzu oft das Bestreben der Band nach Veränderung anmerkt. Sicher dienen einige davon meisterlich dem Spannungsaufbau zu neuen Vocal-Tracks, wie das mit Geräusch-Schleifen versetzte Piano-Stück "Never Lost - Faust". Nur stört den Übergang zum fantastischen "7Rain Filter" leider die fahrige Ambient-Collage "Never Lost - Riley".

Unterlegen Front 242 ihre Soundspielereien mit Technobeats ("NoMore - NoMore", "Pan - Mihk"), klingen sie mehr nach Epigonen wie Underworld oder nach deren Remix-Versionen alter 242-Songs ("Mutage Mixage"). Im schlimmsten Fall einfach nur beliebig und austauschbar, wie auf dem fünfteiligen "Seq666"-Intro.

Die Belgier mögen der Entwicklung von Techno in den 80ern entscheidende Impulse verliehen haben, ihre einzigartige Stärke lag schon immer in der Kombination aus Sound und Rhythmus in Verbindung mit De Meyers Stimme. So liefert "Pulse" zwar den Beweis, dass Front 242 noch immer große Songs abliefern können. Niemals wäre etwa Karl Hyde in der Lage, einer Nummer wie "Song - Untitled" derartige Intensität zu verleihen, noch käme Liam Howlett mit einer verzwirbelt technoiden Industrial-Ballade wie "Matrix - MegaHertz" aus seinem Maschinenpark gekrochen. Diese Songs sind tatsächlich verdammt nah am elektronischen Puls der Zeit, denn hier kopieren die Belgier nicht, sondern besinnen sich auf eigene Stärken. Leider nicht auf voller Albumlänge.

Trackliste

  1. 1. Seq666 - P
  2. 2. Seq666 - U
  3. 3. Seq666 - L
  4. 4. Seq666 - S
  5. 5. Seq666 - E
  6. 6. Together
  7. 7. Triple x Girlfriend
  8. 8. NoMore - NoMore
  9. 9. Beyond the scale of comprehension
  10. 10. Song - Untitled
  11. 11. Song - StarCandy
  12. 12. One - with the Fire
  13. 13. One - reverse
  14. 14. Matrix - OpenStatic
  15. 15. Matrix - MegaHertz
  16. 16. Never Lost - Faust
  17. 17. Never Lost - Riley
  18. 18. 7Rain Filter
  19. 19. Pan - Dhe
  20. 20. Pan - Mihk

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