laut.de-Kritik

Powerpop made in Germany.

Review von

Giant Rooks aus Hamm haben eine ähnliche Sogwirkung auf Indie-Rock-Pop-Fans wie der Bombay Bicycle Club oder die hessischen Milky Chance mit ihren Stilfusionen. Dabei fällt schon das Debüt "Rookery" streng genommen nicht unter 'Indie'. Die Nachfrage nach dem ersten Album der Giant Rooks ist aber riesig, die Vorbestell-Zahlen sind für ein Debüt beachtlich, und so nimmt sich Universal der Sache an.

Das einzige Problem, das sie demnächst, ab Album Nummer zwei haben werden, wird das Toppen des Erstlings sein. "Rookery" zu übertreffen, wird beim exquisiten Arrangement eine Herausforderung. Die durchweg mitreißenden Melodien machen den Zugang leicht. Was auch immer die Band ins Vorprogramm von Milky Chance verschlug, deren relativ simples Synthie-mit-Folk-Zitaten-Kreuzen-und-dann-mal-Schauen hat hier ausgedient. Die Dramaturgien aller Tracks bestechen: Stringenz und Lässigkeit paaren sich. Hymnische Hooks zählen zu den Basics, die Giant Rooks mal nebenbei gekonnt abhaken. Drumherum flechten sie eine undurchdringliche Textur aus unglaublich viel Sound.

Kunstvoll orchestriert der Fünfer nicht nur sich selbst, sondern auch zusätzliche Instrumentalisten. Drei der Tracks binden externe Leute ein, an Cello, Posaune, Trompete, Saxophon und Horn. Besonders "Wild Stare", sowieso ein gut tanzbarer Banger, läuft so zum Hit auf. Der Fan mag ihn schon auf der gleichnamigen EP besitzen, die Nummer kehrt hier aber verdienter Maßen zurück. Alle anderen Tracks sind neu, sie und die drei Singles "Misinterpretations", "Watershed" und "Heat Up" haben alle eines gemeinsam: Jeder Song gäbe eine gute Single ab. Denn jeder bietet eine gute Hookline, jeder biegt in eine andere Liga ab als der übliche deutsche Synthiepop, viel mehr: Das hier ist Kunst mit donnernden Rock-Riffs ("Silence") und ab und zu Momenten, in denen die Keyboards sehr deutliche Kontrapunkte setzen.

Der expressive Gesang und die feinsinnigen Texte steuern eine sanfte Note bei. Samples und Loops spielen eine sehr untergeordnete Rolle, bei den Rooks entstehen verschachtelte Art-Rock-Konstruktionen aus der puren Kraft der Instrumente. Zugleich schäumen die Tracks vor Schwung über und "verkopfen" die Lieder nicht unnötig.

Der Rock-Gehalt der subtilen Sounds brachte Arcade Fire-Vergleiche ein, eher noch könnte man die Wolf Parade als Referenz anführen. Die Stolper-Synkopen von "What I Know Is All Quicksand" wehren sich aber gegen jeden Indie-Vergleiche. Insgesamt liegt bei Giant Rooks der Fokus auf der Fusion aus euphorischer Tanzbarkeit, mitunter dröhnendem Bass ("All We Are"), alles mit weichen Keyboards unterfüttert.

Der Closer "Into Your Arms" überrascht erst in seiner akustischen Schlichtheit, ist aber kein Folk und auch kein Rock, sondern Lovely Art Pop, der sich trotz der wirklich guten Lead Vocals mal ein saftig überspitztes Auto-Tuning erlaubt. Dazu wummern die prolligsten Synth-Bass-Kicks, die aufzutreiben waren. Das lässt sich als Ironie lesen, als kleines Augenzwinkern. Falsett beherrschen sie, und tiefes, charismatisches Brummen ebenso. Das Mikrofon teilen sich Luca, Jonathan, Frederik und Finn Jonas, also alle außer dem Drummer. Die Staffelübergabe klappt in manchem Song wie "Heat Up" sogar zeilenweise. Die Background Vocals erreichen schon die Vibes der Bee Gees, wenn es eben darum geht, mit den Stimmen einen Choral-Effekt zu zaubern.

Die Texte erzählen keine Geschichten, fassen eher universell Wahrnehmungen zusammen. Zeitlos formulieren die Rooks, und philosophisch, in Reimen, die zu eingängiger Musik werden und sich weit vom üblichen "I woke up in the morning, and then it was clear to my eyes"-Gelaber entfernen.

Zu erwähnen sind auch die Videos. "Heat Up" beruht auf einfachen Schnitt-Tricks, Perspektiv-Wechseln und Kopfbewegungen. Die 80er-Retro-Optik mit höchst unmodischem blutrotem Orient-Teppich, Flackerlicht und roboterhaften Blicken kommt sehr sympathisch und unaufgeregt herüber. Dabei grooven die stringenten Tracks schon sehr emotional und ausgelassen. Ein perfekter Erstling mit Potenzial für den internationalen Markt.

Trackliste

  1. 1. The Birth Of Worlds
  2. 2. Watershed
  3. 3. Heat Up
  4. 4. Very Soon You'll See
  5. 5. Rainfalls
  6. 6. Misinterpretations
  7. 7. Silence
  8. 8. What I Know Is All Quicksand
  9. 9. Wild Stare
  10. 10. Head By Head
  11. 11. All We Are
  12. 12. Into Your Arms

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LAUT.DE-PORTRÄT Giant Rooks

Die Giant Rooks sind keine "riesigen Türme", wie der Name vielleicht vermuten lässt, sondern fünf schmalere Jungs aus Hamm, die 2014 eine Band gründen. Frederik …

4 Kommentare mit 8 Antworten

  • Vor 4 Jahren

    Ist für deutsche Verhältnisse erstaunlich gut. Paßt gut zu supernachdenklichen Montagen in urbanen Filmen über 30jährige, oder aber anderem Stock Footage. Erinnert bisweilen an sowas wie "Everything Everything", nur in weniger offensiv und weniger eingängig. 5 Punkte sind natürlich ein fetter Lauchbonus, aber sehr viel gibts hier nicht zu beanstanden.

    • Vor 4 Jahren

      Gehe mit dir konform. Nicht schlecht, aber Everything Everything sind in jeder Hinsicht eine andere Klasse. Wenn man überlegt, dass deren letzte zwei CDs 4* bekamen, wären hier nur 2-3 angemessen...

    • Vor 4 Jahren

      Everything Everything haben mit "Torso of the week" einen der Top 5-Songs der gesamten letzten Dekade gebracht. Die mit so ein paar Hinterhoflauchs aus dem Land, wo eigentlich nur Kraut differenziert betrachtet wird, in einen Topf zu schmeißen, nur weil letzteren alle paar Songs mal eine pfiffige Melodie oder ein schmissiger Beat zufliegt, empfinde ich doch im höchsten Maße degradierend für EE!

    • Vor 4 Jahren

      Calm your tits. Ragism hat korrekterweise angemerkt, dass vorliegende Band sich EE offenkundig als Einfluss auf die Fahnen geschrieben hat, mehr nicht. Das degradiert EE in keiner Weise.

      Vorliegende Band ist ganz nett, mehr aber nicht. Lohnt sich vielleicht in der Zukunft nochmal, wenn die ihr Songwriting verfeinert haben. Trotzdem netter Schmiss für ne junge Band.

    • Vor 4 Jahren

      Jepp, so meinte ich das, Schwinger. EE spielen klar ein paar Ligen darüber. Die hier sind aber schon ganz beachtlich für ne Hinterhoflauchband. Selbst wenn die nicht was mutiger und offensiver werden, werde ich in den Nachfolger zumindest wohlwollend reinhören.

  • Vor 4 Jahren

    Ich weiß nicht, im Vergleich zu den EPs war ich etwas enttäuscht. Klang für mich irgendwie etwas zahnlos und weichgespült...

  • Vor 4 Jahren

    Bin für Powerpop immer zu haben und die Rooks haben einige starke Songs. Aber da fehlen halt Ecken und Kanten, vor allem auf Albumlänge ziemlich unspektakulär...

  • Vor 4 Jahren

    Ohne zu wissen wer die Band im TV war dachte ich das ist wieder ne neue Band aus England. Umso überraschter war ich dann das sowas aus Deutschland kommt. Das hat internationes Format.