laut.de-Kritik

Verschrobener Indierock. Gerade deshalb relevant wie nie.

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Die Pop-Welt ist bekanntermaßen eine Personality-Show. Grizzly Bear machen da nicht mit. So sieht sich die Band um Gründer Ed Droste zumindest selbst. Ja, auch wenn gerade Droste auf Social Media gerne in Erscheinung tritt und vor zwei Jahren sogar einen Twitter-Streit mit Taylor Swift-Fans ausfocht, gilt das für die Band an sich tatsächlich: Die vier Musiker aus den Vereinigten Staaten bilden ein verschworenes Kollektiv, bei dem es nicht um die einzelnen Musiker geht. Das macht "Painted Ruins" - fünftes Album und Major-Debüt der Band - so wandelbar.

Grizzly Bear schreiben und performen demokratisch, jetzt noch mehr als beispielsweise auf der letzten Platte "Shields". Zeichnete Bassist Chris Taylor damals schon für die Produktion des Albums verantwortlich, darf er nun im Song "Systole" zum ersten Mal ans Mikrofon. In Sachen Lead-Gesang verteilen sich die Rollen ansonsten wie gehabt fast zu gleichen Teilen zwischen Droste und Gitarrist Dan Rossen. Dazwischen verdichten immer wieder mehrstimmige Chöre der Musiker in Fleet Foxes-Manier die Songs.

Diese für Grizzly Bear so typischen Elemente treten bereits auf "Mourning Sound" klar in den Vordergrund. Der Song versprüht zudem einen melancholischen Groove und mündet in einer eingängigen, poppigen Hookline: "I woke to the sound of dogs / to the sound of distant shots / and passing trucks." Diese Zeile offenbart, dass die Texte von Grizzly Bear auf eine bestimmte Art blanker Eskapismus sind: Die Musiker verarbeiten alltägliche Beobachtungen und harmlose Situationen in ihrem ursprünglichen Kontext. Obwohl sich also beispielsweise Ed Droste klar gegen Donald Trump positioniert, will er allzu politische Botschaften nicht in den Texten der Band wissen. Die Band bietet lieber auf ihren US-Konzerten die Möglichkeit an, sich für die kommende Wahl zu registrieren.

Im Laufe von "Painted Ruins" fallen immer wieder die sehr nach vorne produzierten Drums von Chris Bear auf. Mit seinem von Jazz beeinflussten Stil lenkt er die Stimmung der Songs und verleiht ihnen an bestimmten Stellen die entscheidende Komplexität. Auf "Three Rings" sorgt das in Kombination mit Rossens effektgeladenem Gitarrespiel und dem lethargischen Gesang für eine verschrobene Vielschichtigkeit, die wie eine direkte Fortentwicklung des 2012er-Songs "Sleeping Ute" klingt.

Einerseits setzen die Amerikaner auf ihrer fünften Platte auf Selbstzitate - andererseits entdecken sie im Mittelteil, zwischen "Aquarian" und "Neighbors" eine bislang unbekannte Sound-Dichte. Die Betten aus Synthies und Effektgitarre drängen sich auf, Orgelsounds spritzen dazwischen. Das erinnert zwangsläufig an 70er-Jahre Psychedelic Rock, der aber genauso schlau ins Jetzt produziert ist, wie es sonst Tame Impala tun.

Vier Jahre ließen Grizzly Bear wenig von sich hören. Keine medienwirksamen Auftritte und keine großen Gesten, die sie als Stars im kollektiven Bewusstsein verankerten. Neben ihren Indie-Kollegen aus den Nullerjahren, die dieses Jahr ebenfalls neue Alben veröffentlichen, sehen sie somit vielleicht kauzig, aber trotzdem nicht blass aus: Droste, Rossen, Bear und Taylor beweisen mit "Painted Ruins", dass gitarrenlastiger Indie noch immer spannend und relevant sein kann.

Trackliste

  1. 1. Wasted Acres
  2. 2. Mourning Sound
  3. 3. Four Cypresses
  4. 4. Three Rings
  5. 5. Losing All Sense
  6. 6. Aquarian
  7. 7. Cut-Out
  8. 8. Glass Hillside
  9. 9. Neighbors
  10. 10. Systole
  11. 11. Sky Took Hold

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1 Kommentar mit 4 Antworten

    • Vor 7 Jahren

      Jup, gefällt. Der Weg von "Shields" konsequent fortgesetzt, hat nach 2 Durchläufen definitiv das potential zu Wachsen, und einige Ohrwürmer sind auch schon hängengeblieben. Im Vergleich zur neuen Fleet Foxes ist das hier schon quasi Mainstream-Pop. Nicht falsch verstehen - ich mag beide Alben sehr gerne, aber "Painted Ruins" lässt sich ganz eindeutig leichter (und auch Nebenbei) hören, oh e dabei langweilig oder flach zu sein.

    • Vor 7 Jahren

      Hm, interessant, in anderen Foren war die Meinung nicht so selten, dass GB hier stilistisch eher einen schritt zurück gehen, zu vertrackteren Arrangements. Noch poppiger als auf den letzten beiden brauche ichs eigentlich nicht unbedingt. Die waren schon sehr sehr gut, aber auch nah an der Grenze.

    • Vor 7 Jahren

      Vertrackte Momente gibts schon auch noch, aber von einem Yellow House ist das Ganze meiner Meinung nach weit entfernt. Und vielleicht sollte ich Shields auch wieder mal hören. Kann leicht sein, dass meine Ohren in der Zwischenzeit auch etwas "gewachsen" sind. :-D

    • Vor 7 Jahren

      "Shields" ist unfickbar!

      die neue habe ich jetzt zweimal durch und es ist wirklich nichts hängen geblieben. fuck it!

      battle, nadine shah checken.