laut.de-Kritik
Classic-Indie für Neuentdecker auf Pollards 100. Platte.
Review von Ingo ScheelWas diese ‚'Stimmen', von denen Rob Pollard nun schon seit drei Dekaden 'geleitet' wird, ihm seit ehedem flüstern, liegt auf der Hand: Make! More! Records! Und der Mann aus Dayton, Ohio, nimmt die Aufforderung immer noch allzu wörtlich. Seine Seiten-, Neben- und Solo-Projekte sind so zahlreich, dass allein beim Versuch, den Überblick zu bekommen, die Augen schnell beginnen, nervös zu zucken. Der Fixpunkt in all dem bis heute: Pollards Herzensband Guided by Voices, deren neues Album "August By Cake" die 100. (in Worten: hundertste) Pollard-Platte seit "Forever Since Breakfast" (1986) ist.
Dass auch nach so zahlreichen Releases etwas völlig Neues passieren kann, zeigt allein das Format: Es handelt sich um das erste Doppelalbum von Guided By Voices, prall gefüllt mit 32 Songs. Alles beim Alten geblieben dagegen - und das obwohl diesmal die ganze Band ins Songwriting involviert war - ist das, was den Stil und Sound der Indie-Institution angeht. Schon der Opener "5° On The Inside", angekündigt mit Lautsprecher-Ansage und Trompeten-Fanal, ist GbV in seiner absoluten Essenz: Der leicht durchhängende Rhythmus, das Jingle-Jangle der Gitarrenabteilung, der Sound auf dem Grat zwischen End-Sechziger-Beatles-Klassiker und 90s-LoFi, dazu Melodieführung bar jeden Verfallsdatums.
"Generox Gray" torkelt wie ein zu langsam abgespieltes Firehose-Demo. Alleine für das Intro zu "Goodbye Note" würde jede zweite junge Band die Seele an den Teufel verkaufen, "Fever Pitch" klingt wie bei einer Seance aufgenommen und "Packing The Dead Zone" wirkt wie ein unmöglicher Jam von Public Service Broadcasting und Jon Spencers Pussy Galore.
Über die gesamte Länge entwickelt sich "August By Cake" dann ähnlich wie schon frühere Platten der Band: Auf ein unmissverständliches 'Hergehört' zum Auftakt folgt eine Handvoll Songs aus dem obersten Regal, dann macht sich auf hohem Niveau Routine breit und man hat das Gefühl, jemand hat die Tür zum Musik-Workshop offen gelassen. Dann aber ploppt an irgendeiner Stelle plötzlich wieder ein Hit hervor, der einen alles stehen und liegen lässt und schon vor dem Schlussakkord das Drücken der Repeattaste beziehungsweise das Zurückführen und Neuauflegen des Tonarms auslöst.
"Sudden Fiction" ist so ein Song, eine schimmernde Perle für das ewige Mixtape - angefangen von der quecksilbrigen Bassline, dem umgedrehten Beat, diesen nervösen Backings, getoppt von zwei aufeinanderfolgenden Solo-Miniaturen, eine schöner als die andere - ein Kleinod im Kreuzpunkt von Urge Overkill und Hüsker Dü, ohne dabei selbst tatsächlich nur Referenz zu sein. "August By Cake" ist Classic-Indie für Neuentdecker und treue Seelen, inspiriert bis zur Hutschnur, manisch produktiv. Nichts ist davon zu spüren, dass die Band 2004 bereits aufgelöst war und erst 2012 wieder zurückkehrte. Den Faden aufnehmen, back to Business die Devise, als wäre nichts geschehen. Das Album reiht sich da bestens ein. Wahrscheinlich hat Pollard in diesem Moment bereits Platte Nr. 101 unter den Händen.
1 Kommentar
They had me once... Seems that they won't trap me twice