laut.de-Kritik
Hätten sie mal auf Nick Cave gehört.
Review von Dominik Lippe"Mach mich einfach stolz", soll Hans Zimmer gesagt haben, als Harry Gregson-Williams seine Meinung dazu hatte hören wollen, dass er nun dessen musikalisches Erbe in "Gladiator II" antreten solle. Eine Antwort, die wohl der gleichen pathetischen Quelle wie seine Filmmusik entspringt. Selbst nach einem Vierteljahrhundert dürften ergreifende Stücke wie "Now We Are Free" auch dank des Gesangs von Lisa Gerrard vielen im Ohr widerhallen. Der deutsche Komponist hatte darauf verzichtet, an der Fortsetzung mitzuwirken, da er sich weder wiederholen noch von den Kritikern "geschlachtet" werden wolle, die sein Frühwerk bevorzugen.
Dennoch bleibt es fraglich, ob es ein Zufall ist, dass mit Gregson-Williams einer seiner Protegés übernimmt. Mit seinem Unternehmen Remote Control Productions betreibt Zimmer längst eine Art Filmmusik-Franchise. Etliche Komponisten assistieren zunächst dem Frankfurter, bevor sie selbstständig auftreten. Ramin Djawadi unterstützte ihn erst bei "Batman Begins", um sich später mit "Game Of Thrones" einen Namen zu machen. Benjamin Wallfisch wirkte an "Blade Runner 2049" mit, bevor er selbst Superheldenableger vertonte. Gregson-Williams sammelte bei "The Rock" erste Credits.
Hans Zimmer soll sich im Produktionsprozess dann punktuell zugeschaltet haben. Seinem allhörenden Ohr entgeht eben nichts. Dabei weiß Harry Gregson-Williams durchaus, was er tut. Er schrieb zunächst die musikalischen Themen in Los Angeles, bevor er nach Nordspanien reiste, um sich mit Abraham Cupeiro zu treffen. Der Multiinstrumentalist ist dafür bekannt, verloren geglaubte Instrumente wiederzuentdecken. In dessen Scheunenstudio verbarrikadierten sich die beiden, um die Zeit des Römischen Reichs auch musikalisch möglichst authentisch wiederaufleben zu lassen.
Cupeiro spielte für Gregson-Williams das Iberische Horn ein oder die Carnyx, ein knapp 2.000 Jahre altes, keltisches Blasinstrument. Ergänzen ließ er die Sounds um traditionelle Instrumente des arabischen und türkischen Raums wie die Nay. Die Orchesterarbeit folgte anschließend in den britischen Abbey Road Studios, wo der Komponist bereits "The Chronicles Of Narnia" aufgenommen hatte. Im Kontrast zu den altertümlichen Instrumenten setzte er für Denzel Washingtons intrigante Figur ein E-Cello von Martin Tillman ein, der schon mit Sting, Elton John oder T Bone Burnett kollaboriert hatte.
Auch einen Bach-Chor habe er extra engagiert. "Sie sind wie ein Ozeandampfer von einem Chor – man muss ihnen etwa zehn Minuten vorher Bescheid geben, wenn man möchte, dass sie langsamer oder schneller werden", schilderte der Komponist gegenüber Classical-Music. Und allgemeiner ergänzte er in einer Pressemitteilung: "Mein Ansatz bei der Filmmusik von 'Gladiator II' bestand darin, Musik zu schaffen, die die spirituelle Essenz des Originalfilms verkörpert und gleichzeitig Lucius und den anderen Hauptfiguren, denen wir begegnen, einen frischen Sound zu verleihen."
Zu Beginn des Film rekapituliert eine schicke Titelsequenz die Ereignisse des ersten Teils. "Gladiator II Overture" knüpft dazu passend am orientalischen Sound, der mystischen Atmosphäre und dem elegischen Gesang seines Vorgängers an. Mehr als ordentlich bereitet das Eröffnungsstück auf die heraufziehende Schlacht vor, was "Lucius, Arishat And The Roman Invasion" zunächst wieder ausbremst. Auf kitschige Musik zu wohlgefälligen Bildern des Helden und seiner Gattin bei der Land- und Hausarbeit folgen kriegerische Trommeln und dramatische Chöre zum Angriff der Römer unter Tribun Acacius.
Schlachtenszenen wie jene um die freie Stadt Numidien gehören zu den Stärken Ridley Scotts. Zugleich dürfte damit der spannendste Teil im Grunde schon zu den Akten gelegt sein, denn nun folgt "Gladiator II" strukturell dem alten Monumental-Werk. Der in Wahrheit hochgeborene Lucius (Paul Mescal) landet nach persönlichen Schicksalsschlägen in der Versklavung und erkämpft sich als Gladiator die Anerkennung der Massen, während eine verkommene Machtelite um das verweichlichte Kaiser-Duo Geta und Caracalla ein korruptes System am Leben erhält.
Die verwandtschaftlichen Verhältnisse sind schwieriger aufzudröseln als in jeder Telenovela. Im Zentrum steht Lucius, Enkel von Marcus Aurelius, dessen Mutter Lucilla (Connie Nielsen) im ersten Teil ein quasi inzestuöses Verhältnis zum Kaiser Commodus (Joaquin Phoenix) pflegte. Sein leiblicher Vater war wiederum dessen Gegenspieler Maximus (Russell Crowe). Damit repräsentiert die Hauptfigur sowohl die Wiederherstellung der Erbfolge als auch eines männlich-kämpferischen Habitus, der in der Regierung gänzlich fehlt. Echte Aufsteiger wie der arglistig gezeichnete Macrinus stehen da nur im Weg.
Dem Drehbuch, das wenig Neues und einiges Problematisches bereithält, fügt Gregson-Williams Stücke hinzu, die sich entweder unauffällig geben oder zu großen Gefallen an den Sklaven-Gefechten finden. "Defiance" und "War, Real War" versprühen Kampfeslust. "Angry Baboons" facht eine kriegerische Ästhetik an, um eine alberne Szene um attackierende CGI-Paviane zu untermalen. Nur "Macrinus' Plan" weist erkennbaren Charakter auf, indem es sich an Washingtons ruchloser Performance orientiert. Dazu setzte der Komponist auf das E-Cello, da es "genauso elegant gleiten" könne wie der Sklavenhändler.
Die altertümlichen Instrumenten gehen unterdessen im Bombast unter, statt ihnen Raum zu verschaffen oder sie womöglich sogar intradiegetisch einzusetzen, also innerhalb der erzählten Welt. Stattdessen regiert die Nostalgie. "I See Him In You" schleicht unbemerkt durch die Gänge, bis es das Bewusstsein erreicht, indem es auf das berühmte Motiv aus dem ersten Teil rekurriert. "Strength And Honor" mag nicht ganz so knietief im Pathos Zimmer'scher Spielart waten, entweicht dafür aber auch umgehend wieder aus dem Gedächtnis. Und "Now We Are Free" setzt im Abspann einfach den Hit aus dem Vorgängerfilm neu auf.
Dessen Star fehlt übrigens gänzlich in der Fortsetzung. Er sei deswegen eifersüchtig, gestand Crowe im Vorfeld. "Ich habe kein Mitspracherecht bei dem, was gemacht wird. Aber bei ein paar der Dinge, die ich gehört habe, dachte ich mir nur: 'Nein, nein, nein.'" Dabei hatte sich der Neuseeländer 2009 noch selbst für ein Sequel stark gemacht und Nick Cave mit einem Drehbuch beauftragt. Dieses sah vor, dass die römischen Götter Maximus zurückschicken, um Jesus und seine wachsende Gefolgschaft ins Jenseits zu befördern. Was für ein herrlich absurdes Art-House-Gemetzel das hätte werden können!
2 Kommentare mit 6 Antworten
gladiator 2 der film den die welt gebraucht hat
Habe nicht mal den ersten gesehen, obwohl der Freundeskreis damals schwer begeistert war.
Gladiator ist perfekt inszeniertes Sandalenkino das aber von vielen ideologisch abgefeiert wird. Der Protagonist ist ein absolut Ehrenhafter Alphamann der das Kanonenfutter erfolgreich durch die Schlachten führt um sich vom einfältigen blutrünstigen Volk für dessen Freiheit er kämpft Anerkennung einzuheimsen. Ein Traum für jeden jungen redpill Mann der sich von der moderne abgehängt fühlt. Hat mir damals schon wie bei Matrix den Film madig gemacht wo sich Horst und Hans als erwachte intellektuelle fühlen konnten weil die Vorlage auf Hollywood Niveau heruntergedummt wurde.
Das ist bei vielen Filmen die Gefahr, dass das von den falschen Leuten auch falsch interpretiert wird. Full Metal Jacket ist gerade in Militär- und Militaristenkreisen höchst geschätzt, die sich vor allem an der ersten Hälfte des Films aufgeilen und es lustig finden, wie der dicke Trottel fertiggemacht wird. Dass Starship Troopers eine Satire ist, wird ebenso von sehr vielen Einzellern übersehen. Akte X war Anfang der 90er eine halbwegs solide Serie, die absurde Verschwörungstheorien aufgegriffen hat, die entweder für einen wohligen Schauer oder für Belustigung sorgte. Keine 30 Jahre später sitzen Trottel von noch größeren Trotteln gewählt in Parlamenten, die offenbar denken, dass das damals eine Doku und keine Unterhaltungsserie war.
@MangoMan: Gleichzeitig wird hier aber andererseits auch ein eher positives Vorbild für Männlichkeit gezeigt. Das des treuen, sanften, fürsorglichen Freundes und Familienvaters, der ohne zu zögern für seine Nächsten größte Entbehrungen auf sich nimmt.
Ich mag den Film überhaupt nicht. Habe aber genau diesen Aspekt von einer mir sehr lieben feministischen Youtuberin aufgezeigt bekommen. Was halt das Schöne an Kultur zeigt - Vereinfachungen passen einfach nicht.
@Ragism: Also eigentlich ist es doch eher die Rachsucht die Maximus vorantreibt die dann noch durch Kampf für die gerechte Demokratie gebackt wird was man bei US Interventionen ja auch gerne anführt. Das würde ich als eher toxisch männlich definieren aus Rache einen anderen Mann zu töten außerdem sieht man vom Familienleben recht wenig ausser dass Maximus natürliche eine normschöne Modelfrau und einen mindestens ebenso makellosen Sohn hat. Nach der Logik des Films ist Gewalt die korrekte Handlungsweise natürlich nur wenn Sie vom richtigen Typen mit korrekter Motivation ausgeführt wird.
Das ist vieles aber nicht progressiv feministisch ich finde da muss man ganz schön viel umdeuten um das darin zu sehen. Das die Bevölkerung als dumm und sensationsgierig dargestellt wird unterstreicht das noch schliesslich wird Sie wieder besseren Wissens vom bestmöglichen Entertainer damit belohnt auch noch frei zu werden. Da könnte man ja die Frage stellen was passiert wenn ein machthungriger, rassistischer und grössenwahnsinniger Autokrat noch viel bessere Unterhaltungsqualitäten an den Tag legt.
Im Endeffekt ist es eine Rachestory und ich will auch nicht zu viel darin hineindeuten aber wenn man den film politisch interpretieren wollte dann ist es doch ein sehr konservatives Bild vom starken weisen Anführer der das perfekte traditionelle familienleben führt und am ende durchs Weizenfeld in Riefenstahl Ästhetik endlich nach Hause kommt. So jedenfalls ist mein Eindruck warum dieser Film so beliebt ist.
Nach Hause kommt er ja gerade nicht, aber ansonsten Mangomann sehr on point, wie ich finde!
Als Popcornkino holt es mich trotzdem hart ab
Musikalisch wärs ja schon mal sehr wünschenswert, wenn G.-W. nicht komplett dumme, frech unakkurate Entscheidungen bei den Instrumenten trifft, wie Zimmer es beim Vorgänger machte. Wehe, die Duduk taucht auf!